Instabile Mauern

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Um 11 kam Nico ins Studio. Iara fing ihn im Gang ab. "Maxim und Tarek sind noch am pennen. Ihr habt morgen ein Interview mit HipHop.de, ihr müsst 12 Uhr hier sein, ihr alle.", Nico nickte und hielt sie fest, als sie wieder gehen wollte. "Wo war'n die?", fragte Nico dann. "Tarek war bei Jenn und ihren Freunden und Maxim hat die Nacht durchgemacht, er war ziemlich früh hier.", die beiden grinsten sich an. "Ist Tarek betrunken?", Iara verneinte und ging dann zu einem wichtigen Termin. Nico war vorsichtig beim Öffnen der Tür zum Studio. Er fand es lustig, wie Tarek sich an Maxim kuschelte. Amüsiert fotografierte er die beiden und schickte das Foto in die Whatsappguppe der Crew. Nico ging einen Raum weiter und setzte sich an die Synthesizer und den anderen Kram, den er für Beats basteln benutzte. So konzentriert wie Nico war, bekam er nicht mit, dass Tarek herein kam und ihn kurz beobachtete.

Tarek wusste, dass Nico in seiner Welt war und nicht gestört werden wollte, weshalb er wieder in den Hauptraum ging. Iara saß auf Maxim's Schoß und unterhielt sich mit ihm. Das Handy von Tarek klingelte, ein Anruf vom Empfang. "Ja?" "Jenn Haines ist hier und will mit dir sprechen, soll ich sie durch schicken?" "Ich komme nach vorne.", besorgt, legte er schnell auf, Maxim und Iara schauten ihn verwirrt an. Es war mittlerweile 13 Uhr. "Ich muss eben nach vorne.", Tarek krüppelte nach vorne, Jenn sah nicht gut aus. "Was ist los?", fragte er von weitem. Jenn ging auf ihn zu und umarmte ihn stürmisch, weshalb sein Gleichgewicht fast versagte. Die Umarmung genoss Tarek, jedoch wollte er auch wissen, was los war. "Jenn. Was ist los?", langsam löste sie sich von Tarek und sah ihm in die schönen Teddy Augen. "Ich wusste nicht, wo ich sonst hin sollte.", sie sprach sehr leise, weshalb Tarek ein Stück auf sie zukommen musste. "Ist ok.", die Krücken ließen ihn steif vor ihr stehen. "Hast du gerade Zeit?", fragte sie ihn. "Haben wir heute noch Termine?", Luci verneinte. "Wenn die anderen Fragen, dann sag denen, dass ich unterwegs bin, danke."

Jenn entführte Tarek zu einem leeren Mehrfamilienhaus. Die Tür schob sie gewaltsam auf. Tarek war von den Treppen, die er erblickte, richtig begeistert. "Musst nur paar Stufen hoch, ich will nicht nach oben.", beruhigte Jenn ihn. "Was hast du vor?", fragte Tarek während die beiden die letzte Stufe hoch gingen. Jenn antwortete ihm nicht, sondern schob die Wohnungstür zur Seite. Tarek wurde von den ganzen Eindrücken quasi erschlagen. Die Wohnung war voll mit bunten und grellen Farben. Die Graffiti waren wunderschön und sehr kreativ. Jenn hatte sich im Internet über ihn erkundigt und herausgefunden, dass er mal Sprayer gewesen war. "Warum sind wir hier?", fragte Tarek, nachdem er das alles verarbeitet hatte. "Meine Wand bröckelt wieder. Wenn das passiert bin ich sehr verwirrt und spontan, weshalb ich auch im Studio aufgetaucht bin, tut mir leid. Dann ist mir eingefallen, dass du mal Sprayer warst.", erklärte Jenn und gab somit einen großen Teil ihres Lebens preis. Tarek verstand das und nickte nur.

Einige Spraydosen standen auf einen alten Tisch. Es waren kaum noch Möbel in der Wohnung. "Wollen wir was sprayen?", fragte Jenn. "Ich hab lange nicht gesprayt.", gestand Tarek etwas unsicher. "Komm, wir gehen in die Wohnung nebenan, die kann dir gehören.", Tarek nickte und ging schon vor, während Jenn einige Spraydosen mitnahm. Tarek musterte die Wände der Wohnung und überlegte, was er sprayen sollte. Jenn ließ ihn überlegen und brachte mehr Farben rüber. Die linke Krücke legte er beiseite. "Welche Farbe?", Tarek nahm sich grün und fing an ein Sketch zu machen. "Machst du auch was?", fragte Tarek an Jenn gewandt. Sie hatte sich überlegt, Tarek als Karikatur zu machen. Jenn fing sofort an und machte das Piece ohne Sketch. Beide waren total fokussiert auf die Wand und die Farben, mit denen sie die Wand 'beschmutzten'. Tarek war vor Jenn fertig, setzte sich auf den Boden, da sein Standbein mittlerweile weh tat und etwas zitterte.

In Jenn's Piece erkannte Tarek sich wieder und schmunzelte vor sich hin, bis plötzlich sein Handy klingelte. Jenn wurde in die Gegenwart zurückgeholt, während Tarek sein Handy aus der Tasche holte. "Das ist Iara.", Jenn nickte und widmete sich dem Bild wieder. "Tarek, wo bist du?", fragte Iara sofort. "Unterwegs, is was los?", Iara hörte sich komisch an. "Das Treffen? Du Arsch hast das natürlich vergessen.", Tarek erinnerte sich an den Termin, wollte Jenn aber nicht alleine lassen. "Sorry, aber ich kann nicht.", Jenn sah ihn an. "Wenn du gehen musst, dann geh, ist ok.", er schüttelte schnell seinen Kopf. "Dann halt nicht, fick dich.", sauer legte Iara auf. Tarek starrte den Bildschirm an, er war im Zwiespalt. Jenn hockte sich vor ihm hin. "Ich stehe nicht über deine Freunde.", Jenn wollte nicht, dass er Termine oder Verabredungen mit seinen Freunden wegen ihr absagte. "Im Moment schon, da deine Mauern bröckeln.", ihre leuchtend grünen Augen durchbohrten ihn fast. "Mach weiter, ich bleib hier.", sie lächelte und sprayte weiter, bis es eine viertel Stunde später, fertig war.

Jenn setzte sich neben Tarek und begutachtete ihr Piece. Vorsichtig legte Tarek ihr den Arm um die Schulter. Jenn ließ es zu, denn er sollte die Mauer mit Beton ausstatten. "Willst du erzählen, was in deinem Kopf vor sich geht?", fragte Tarek, der einen leeren Blick von Jenn ab bekam. "Ich schlafe kaum noch. Auch wenn ich nicht weiß warum, aber ich will einfach nicht mehr. Ich finde meine Arbeiten scheiße und bekomm immer mehr Sprüche hinterher gerufen, was uns oder mich und Kontra K betrifft.", an ihrem Piece könnte sie auch noch Stunden weiter arbeiten und wäre trotzdem nicht zufrieden. "Mach dir wegen den Sprüchen mal keine Sorgen, die sind nur Eifersüchtig, okay? Vielleicht solltest du dir einen Therapeuten holen, der dir was verschreibt oder dir sagt, was du verändern kannst, das funktioniert überragend, glaube mir.", schlug Tarek vorsichtig vor, Jenn schien nicht begeistert. "Ich war schon sehr tief unten, meine Freunde konnten nicht mehr helfen. Maxim hat mich zu einem Therapeuten geschickt, der mir hilfreiche Tipps gegeben hat, der war sehr gut.", Jenn schüttelte abweisend den Kopf. "Wenn ich wieder mit so einem Menschen reden muss, bring ich mich um, da komm ich gar nicht drauf klar."

Sie schwiegen kurz, da Tarek überlegte und sich Tipps zurecht legte. "Was hast du morgen für Termine?", fing Tarek an, weshalb Jenn ihn verwirrt anschaute. "Uni bis halb 3, dann treffen mit Freunden und ab 7 guck ich beim Videodreh von Max zu.", erzählte sie eifrig. "Du machst das gerne, oder? Der ganze Stress ist doch voll ungesund.", sein gegenüber nickte langsam grinsend. "Natürlich ist das ungesund, mein Körper ist aber daran gewöhnt-" "Bis dein Körper nicht mehr will und du ins Krankenhaus musst.", die Wahrheit schmeckte ihr nicht gut, weshalb sie Aufstand. "Das hilft nicht.", Tarek packte ihr am Handgelenk. "Tut mir leid. Ich möchte nicht, dass du dich überarbeitest. Überarbeitung ist oft ein Auslöser solch uncooler Gedanken und Sichtweisen auf das Leben." "Lass bitte meine Hand los, ich gehe schon nicht weg.", Tarek ließ ihren Arm los und quälte sich auf sein Bein.

Alles Begann Im ClubWo Geschichten leben. Entdecke jetzt