Kapitel 23

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„Also?", frage ich. Ich schaue auf die Uhr: Es ist 23:54. Neben mir sitzt Ella, sie ist blass, ansonsten sieht sie aber gesund aus. Dafür, dass sie immer noch Fieber hat, wie Charlotte mir gehässig erklärt hat, als mich erkundigen wollte, wie es Ella geht. Dass Ella in meinem Zimmer ist weiss sie nicht und ich hoffe, das bleibt so. Denn ich bin mir ziemlich sicher, dass Charlotte das nicht gutheissen würde und ausserdem ist längst Nachtruhe, also ist es schon für sich nicht erlaubt, dass wir überhaupt im gleichen Zimmer sind.
Auf dem Bett gegenüber, auf Ti's Bett, sitzt Jake.
Beide starren mich durchdringend an, als wollten sie meine Reaktion vorhersagen, meine Reaktion auf etwas, von dem ich noch nichts weiss. Noch. Dieses eine Wort sollte betont werden. Schliesslich hoffe ich, nachher mehr zu wissen als jetzt. Ich hoffe, mehr zu erfahren, alles zu erfahren.
Er lehnt sich zurück und sagt: „Ella konnte schon immer besser erzählen. Also Ella?"
Ella runzelt missbilligend die Stirn und sagt dann zu mir: «Okay, ich werde dir alles erzählen, was ich weiss, aber ich will nicht unterbrochen werden, verstanden? Und danach wirst du, Bruderherz, dein Ergänzungen zum Besten geben. Kapiert soweit?"
Ich nicke.
„Gut", sagt Ella, holt tief Luft und beginnt zu erzählen, „Amelie. Ich will dir nur sagen, dass, wenn du es nicht glaubst, ist es okay. Du musst mir nicht glauben. Es ist eine Geschichte und es ist deine Entscheidung was du glaubst und was du damit anfängst. Und es ist deine Entscheidung, was du mit der Geschichte anfangen willst. Jake und ich, wir wollen, dass du dich selbst entscheidest. Aber jetzt beginne ich mal zu erzählen.
Ich weiss nicht, wie es ganz am Anfang war, was war bevor ich geboren wurde und wie die Welt entstand. Das kann ich dir nicht erzählen. Von dieser Zeit weiss ich nur, dass irgendetwas passiert ist. Von dieser Zeit kommt der Hass zwischen den Seguidors, das sind Dämonen, und den Guardias. Das Christentum hat nicht mal so Unrecht mit der Entstehung der Welt. Soweit ich informiert bin, denn, wie bereits gesagt, ich war nicht dabei, genauso wenig wie Jake oder jemand anders, den ich fragen könnte. Ich kenne nur zwei, die dabei waren und von denen erfährt man nichts und fragt am besten auch gar nicht. Adam und Eva hat es wirklich gegeben. Und auch Lilith, die Mutter der Dämonen. Ad und Eva haben Zwillinge gekriegt, genauso wie Lilith. Damals waren sie schon befeindet. Ad' s Kinder waren Jake und meine Schwester. Die, die gestorben ist. Oder zumindest verschwunden. Lilith' s Kinder waren, soweit ich weiss ein Mädchen und das andere ist gestorben, zumindest erzählt man sich das so. Das Ganze ist ziemlich kompliziert. Und Ad redet auch nie darüber. Das wenige, das ich weiss, weiss ich von Eva, und auch sie erzählt so gut wie nie darüber. Und wenn sie etwas erzählt, dann nur sehr knapp. Muss eine echt schreckliche Zeit gewesen sein. Ad hat nach ihr, nach Lilith, suchen lassen und hat sie mit dem Kind in den Armen gefunden. Mit einem Kind. Daher glaubt man, dass das andere schon tot war. Das Kind hat er umgebracht. Die Tochter. Lilith hat er gefangen genommen, sie ist noch immer im tiefsten Gefängnis unseres Hauptquartiers, gefesselt mit reinem Silber. Aber es war dazumal schon zu spät. Sie hat schon zu viel von ihresgleichen geschaffen. Es gab schon zu viele Dämonen. Lilith' Stellvertreterin hatte einen Sohn, Ti. Seine Mutter haben wir umgebracht und Ti ist noch immer der Anführer der Seguidor. Seit dem Tod seiner Mutter und der Festnahme von Lilith, was schon ein paar Tausend Jahre her ist.
Aber zurück zur Geschichte: Währenddessen wuchsen Jake und Le auf. Als sie etwa fünfzehnhundert Jahre alt waren, ging Le weg. Sie sagte, sie wolle mal was Anderes sehen als immer nur Hass und Krieg. Während der Zeit, in der sie weg war, wurde ich geboren und wuchs auf. Genauso wie Jake und auch Le und alle Guardia hörte ich mit sechzehn auf zu altern. Danach ist es einem selbstverständlich noch erlaubt zu altern, wir können unser Aussehen, abgesehen von den Augen, ziemlich gewollt verändern. Nur die Augen... die Augenfarbe können nur sehr wenige ändern, nur wenige haben genügend Macht dazu. Aber egal jetzt. Nach langer Zeit, wahrscheinlich über 1000 Jahren (Wobei das bei uns noch eine kurze Zeitspanne ist), das kann nicht einmal Jake sagen, kam Le dann zurück. Jake sagt, sie hat sich sehr verändert. Sie sei verbissener und härter geworden. Und sie hat nie mit jemandem über ihre Erlebnisse da draussen gesprochen. Nie. Ein paar Tage nach ihrer Rückkehr kam Jake eines Abends zu mir und sagte: ‚Ell, ich halte es nicht aus. Ich weiss, es darf nicht sein, aber ich liebe sie'. Ich habe ihm versucht zu helfen, aber seine Liebe zu ihr war zu stark. Ich denke, dass bei so einer starken Liebe ist es egal, ob man verwandt ist oder nicht. Liebe ist Liebe und sie ist fast so stark wie die Hoffnung. Ich habe Jake' s Geheimnis nie jemandem verraten und werde es auch nie tun. Aber du hast es ja sowieso schon von ihm erfahren. Ad würde ihn umbringen lassen. Er mochte Le schon immer lieber als uns zwei und war der Meinung, niemand verdiene es, von ihr geliebt zu werden, ausser ihm natürlich, deshalb habe ich es nie weitererzählt. Es ging gut, bis Le zu mir kam, einige Wochen nach Jake' s Geständnis. Sie sagte, sie habe einen Freund. Nur Jake und ich wüssten das jetzt. Aber ich darf es niemandem erzählen. Denn sie liebe einen Dämon. Und nicht nur irgendeinen, sondern ihr Anführer, Ti. Ich versprach, nichts weiterzuerzählen. Doch Le wurde von Tag zu Tag betrübter. Schliesslich erzählte sie an einem Abendessen die ganze Geschichte. Ad schlug sie und sagte ihr, sie solle ihm nie wieder unter die Augen kommen. Sie lief weinend in ihr Zimmer. Später, mitten in der Nacht ging sie zu Jake. Das war auch jene Nacht, in der er ihr seine Gefühle gestand und in der sie verschwand. Aber Jake hat nicht alles erzählt: Am nächsten Tag hatte ich einen Brief auf meinem Kissen, in dem stand: Ella, sag Jake, er soll mich vergessen. Ich weiss, was er für mich empfindet und zwar schon lange. Ich werde sterben, wenn Blut nicht über Wasser siegt. Hilf mir! Ich fand diese Nachricht reichlich seltsam, aber sie war definitiv von Le. Sie war in einer Geheimsprache verfasst, die nur wir beide kannten. Ich verbrannte die Nachricht. Gerade, als ihre Asche zu Boden fiel, kam Jake in mein Zimmer gerannt. ‚Sie ist fort. Es ist meine Schuld', hat er gesagt. Dann hat er mir alles erzählt, was in der letzten Nacht passiert ist. Ich erzählte ihm von dem Brief und noch am gleichen Tag machte ich mich auf die Suche nach Ti. Ich fand ihn auch und habe ihn zur Rede gestellt. Damals war ich immer noch verliebt in ihn, ich hatte ihn zuvor schon ein paar Mal gesehen, da mich Le oft mitgenommen hat, um ein Alibi zu haben. Ich habe Ti ausgefragt und hätte ihn beinahe umgebracht in dem Versuch, ihn zu foltern, damit er mir die Wahrheit sagt. Daher kommt wohl seine... sagen wir einmal Abneigung gegenüber mir. Er erzählte mir, dass er sich letzte Nacht gar nicht mit Le getroffen habe und ich glaubte ihm, glaube ihm noch immer. Am Tag ihres Verschwindens scheinen aber auch Ad und Eva alles vergessen zu haben, was Le ihnen am Vorabend erzählt hat. Sie wissen nichts mehr über Le und Ti. Alle anderen, der ganze Hofstaat sozusagen, weiss es, nur die beiden nicht. Ich denke es ist gut, denn sonst würden sie Le wahrscheinlich für das, was sie getan hat, hassen. Denn bei uns ist es eines der grössten Vergehen, die eigene Familie zu hintergehen. Und das hat Le Ad' s Ansicht nach gemacht. Aber es ist trotzdem seltsam, dass sie es vergessen haben. Oder besser gesagt ist vielmehr seltsam, dass jemand sie das vergessen liess. Ich kenne niemanden mit diesen Fähigkeiten, abgesehen von Lilith und die ist nicht sonderlich gesprächig, ausserdem; warum sollte sie es machen?
Ein Jahr später kam ihr Herz mit diesem schrecklichen Brief. Ad war am Boden zerstört, obwohl er es nicht zugeben wollte. Und weil er einen Sündenbock brauchte, nahm er sich ein paar Mitglieder unserer Familie und schob ihnen die Schuld in die Schuhe. Statt sie umzubringen, verbannte er sie alle und nahm ihnen die Erinnerung an uns. Und mit der Erinnerung an uns nahm er ihnen auch jegliche Hoffnung und die Unsterblichkeit. So entstanden die Menschen. Nachdem Jahrtausende vergangen waren, zog Ti in einen öffentlichen Krieg gegen uns. Klar, den Krieg gab es schon vorher, aber Ti hat das Feuer neu angefacht, in dem er allen erzählt hat, dass wir Lilith umgebracht haben, genauso wie seine Mutter und auch Le. Ich weiss nicht, warum Le ihnen so wichtig war. Echt nicht. Niemand wusste zuvor, wo Lilith war und wer Ti's Mutter umgebracht hat, da Ti Le versprochen hat, keinen neuen Krieg zu beginnen. Aber das schlimmste an dieser Kriegseröffnung war, dass Ti uns Guardia die Schuld für Le's Tod gab. Jake und ich fingen da an, ihn zu hassen. Der Hass wurde mit allem, was Ti machte, stärker. Irgendwann fingen er und seine Dämonen mit dem Morden von Menschen an. Wir machten es uns zur Aufgabe, die Menschen so gut zu beschützen, wie es geht und alle Dämonen zu vernichten. Schliesslich ist es unsere Schuld, dass die Menschen das sind, was sie sind. Sie stammen von uns ab. Daher will Ti sie auch umbringen. Die Dämonen wollen uns alle umbringen. Sie gehören nicht in unsere Welt und werden es auch nie tun. Sie sind von einer anderen Welt in die unsere eingedrungen und wollen nicht nach unseren Gesetzen leben. Die Welt wurde mehrmals niedergebrannt, bei unserem Krieg, aber es gab immer genug Überlebende, die das alles wiederaufbauen konnten. Bei einem Waffenstillstand haben wir aber abgemacht, dass wir ein kleines Gebiet auf der Erde mit Frieden segnen wollen. Auf diesem Fleck dürfen Dämon und Guardia sich nicht bekämpfen. Derjenige, der versucht, den anderen umzubringen, soll bei dem Versuch sterben, das war die Abmachung. Dieser Fleck ist genau hier, dieses Internat. Es gibt hier nur sehr wenige Menschen, nur die, die es sich leisten können. Für uns spielt Geld keine Rolle, für die Menschen schon. Die Regeln wurden noch nie gebrochen und werden hoffentlich auch für immer eingehalten. Und ich weiss, es gibt sehr vieles, das sich widerspricht, aber... ich weiss auch nicht viel mehr, was die Geschichte angeht. Und unser Hass gegen Ti... wir, von der jüngeren Generation, wir wollen diesen Krieg nicht, haben ihn nie gewollt. Deshalb lassen wir uns grösstenteils in Ruhe", schliesst Ella ihre Erzählung.
„Du spinnst doch", sage ich überzeugt, obwohl irgendein Teil in mir ihr die Geschichte schon von Anfang an geglaubt hat. Oder besser gesagt: Als ob ein Teil von mir die Geschichte schon längst kennt.
Aber trotzdem: Diese Geschichte kann unmöglich stimmen. Ein Teil in mir weigert sich strikt, sie zu glauben.
„Vielleicht. Aber ich lüge nicht, sonst wäre ich schon vor Millionen von Jahren gestorben", stellt Ella fest.
„Schon das könnte eine Lüge sein. Du könntest auch nur so tun", werfe ich ein.
„Ja", seufzt Ella, „Aber ich kann es dir beweisen." Sie gibt ein Zeichen und Jake macht eine schnelle Armbewegung. Der Dolch trifft Ella mitten in der Brust. Und ein silberner Fleck breitet sich rasant aus.
„Oh mein Gott", entfährt es mir, „Ella! Nein... Jake, was hast du gemacht? Ella..."
„Schau einfach zu", sagt Jake tonlos und deutet auf Ella. Ich will mich auf ihn stürzen, wende aber trotzdem den Kopf widerwillig in Ellas Richtung.
Diese zieht sich mit ausdruckslosem Gesicht den Dolch aus dem Fleisch und starrt auf die klaffende Wunde. Ich werde Zeugin eines Wunders, denn die Wunde beginnt sich vor meinen Augen zu schliessen. Innerhalb von Sekunden sehe ich nicht mal mehr eine Narbe an dem Ort, an dem der Dolch gesteckt hat. Als sich das Silber über ihren ganzen Körper verteilt hat leuchtet sie kurz auf und dann steht sie wieder kerngesund vor mir. Silber... ist das eine Art Blut?
„Ich kann nicht sterben, selbst wenn ich es wollte", sagt Ella und schüttelnd bedauernd den Kopf, „Ich habe es mit allen Mitteln versucht. Es geht nicht. Abgesehen von einem Gift, welches schon lange nicht mehr gebraucht wurde und das nur die Dämonen haben. Und dieses Gift... es ist schrecklich, wenn man damit stirbt"
„Du hast versucht, dich umzubringen?", frage ich fassungslos.
Ella nickt. „Das Leben... man wird es irgendwann überdrüssig. Es ist einem nichts mehr wert, man langweilt sich, alles wird gleichgültig, grau. Nichts mehr spielt eine Rolle. Ich denke nicht mehr so, zumindest nicht mehr oft. Aber manchmal... manchmal fragt man sich, wofür man überhaupt lebt. Glaubst du mir jetzt?"
„Ich soll glauben, dass es Dämonen gibt? Und was sollen denn Dämonen sein?", frage ich.
„Ja. Aber auf jeden Fall musst du glauben, dass wir es sind, die das richtige machen. Ich kann dich nicht zwingen, wie gesagt, aber wir brauchen dich. Du bist eine von uns. Und die Dämonen... ich zeig es dir mal, bei Gelegenheit", sagt Ella energisch.
„Und wieso sollte ich eine von euch sein? Ich kenne niemanden von euch. Ich kann es nicht sein", frage ich skeptisch.
„Ja, das ist ja die grosse Frage. Was meinst du, weshalb wir dir nicht von Anfang an geglaubt haben? Aber es hat immer Abtrünnige gegeben. Vielleicht bist du das Kind von einem von ihnen oder was weiss ich... Es ist auf jeden Fall sicher, dass du eine Guardia bist. Du hast das Mal. Deswegen möchte Vater dich sehen", sagt Ella.
„Und wie seht ihr, dass ich eine von euch bin?", frage ich weiter.
„Erstens Mal an den Augen. Dämonen haben viele Augenfarben, aber keine grünen. Grüne Augen, das ist das Merkmal meiner Familie. Auch Menschen habe nur selten grüne Augen, nur dann, wenn sie etwas von Hoffnung verstehen. Sie können zwar nicht mehr zu uns gehören, aber die Menschen mit grünen Augen erinnern sich zumindest an einen Teil", mischt sich Jake ein, „Und zweitens hast du das Mal. Das ist eindeutig."
Ella legt einen Finger auf mein Schlüsselbein und hält mir einen Spiegel hin. Plötzlich erscheint auf der Haut eine Feder die auf Wasser zu schwimmen scheint. Doch sie brennt lichterloh. Auf eine unbeschreibliche Art und Weise berührt mich dieses Bild. Und ich verstehe das Bild auch. Hoffnung, das ist die Kraft der Guardias, der Wächter. Daher die brennende Feder auf dem Wasser. Das Feuer zerstört sie, doch vielleicht kann das Wasser sie retten... Auch wenn es natürlich nie, niemals die Schäden des Brandes rückgängig machen könnte.
„Na gut. Und was heisst das jetzt für mich?", frage ich, nachdem ich das Bild eingehend betrachtet habe.
„Ad wird es dir erklären", sagt Jake überzeugt. Ella nickt bestätigend.
„Ich bin müde", sagt sie, „Ich gehe mal in mein Zimmer. Gute Nacht ihr beiden."
Ella steht auf, wankt einen Moment, gähnt und geht dann zum Zimmer hinaus.
In London haben wir das perfekte Kleid für sie gefunden: Es ist pink, genau in dem Farbton, in dem auch ihre Strähnen gefärbt sind. Oben ist es enganliegend und trägerlos, ab der Taille ist es locker und wallt um die Beine. An der Taille hat es eine schwarze Blume aufgenäht, die perfekt zu den schwarzen, mit zehn Zentimeter hohen Absätzen, geschnürten Stiefeln passt. Dazu haben wir eine schwarze Maske, die die Augen verdeckt und ein silbernes Halskettchen, das einen eingefassten Stein hat, der je nach Licht pink oder schwarz schimmert. Für die Haare haben wir ihr noch ein paar schwarze Strähnen zum Ankleben gekauft. Als sie das Ganze gesehen hat, ist sie total ausgeflippt vor Freude und hat uns gesagt, dass wir die besten seien.
Da ich nichts gefunden habe, habe ich beschlossen, definitiv nicht zum Ball zu gehen. Ich mag Bälle sowieso nicht besonders. In Salisbury hat es zwei, drei Mal einen gegeben und mir war meist langweilig. Und tanzen tu ich auch nicht sonderlich gern. Eigentlich überhaupt nicht gern. Ich fühle mich dann immer so komisch. Aber leider musste ich hin, Katharina hat gemeint, es müsste sein, es sei gut für mich. War es aber nicht.
Während Jake seine Sachen für den Ball gekauft hat, war ich einfach einmal ein bisschen für mich. Ich habe eine superschöne Kette gefunden, die Katharina sehr gut gefallen wird. Ich habe beschlossen, ihnen nicht mehr böse zu sein. Also, naja, ich bin schon noch wütend, aber ich kann ja nicht ewig sauer sein auf die beiden. Und es gefällt mir hier ja. Inzwischen. Also haben sie mir auch einen Gefallen getan. Gewissermassen zumindest. Sie hätten mich doch immerhin fragen können. Ich habe schon mit den beiden telefoniert und mit ihnen vereinbart, dass ich sie am nächsten Samstag besuchen werde. Telefonieren kann man im Büro der Direktorin. Das scheint mir das einzige elektronische Gerät im Haus zu sein, das benutzt werden darf. Und weil ich mich schlecht fühlen würde, wenn ich nur Katharina etwas kaufen würde, habe ich Dad ein Notizbuch mit seiner Lieblingsband, My Chemical Romance, drauf gekauft.
„Aaaameeeliiiie?", fragt Jake und ich bemerke, dass er nicht das erste Mal meinen Namen sagt. Ich erröte. Was hat er gesagt?
„Was hast du noch gleich gesagt? Sorry, hab nicht zugehört", sage ich verlegen.
„Ich habe gefragt, ob wir nach draussen gehen möchten. Es ist stickig hier drin", sagt Jake versöhnlich.
„Ja, können wir", sage ich, stehe auf und nehme mir eine Jacke vom Haken. Jake steht auch auf und geht zur Tür.
„Weisst du", sagt er und lächelt verschmitzt, „Du bist gar nicht so schlimm wie ich dachte."
„Wie nett", sage ich in gespielt wütendem Ton. Jake lacht und geht auf den Flur hinaus.
Dort ist es so still, dass ich es nicht wage mit Jake zu sprechen, weil ich die anderen nicht wecken möchte. Jake hat offenbar denselben Gedanken, denn er spricht auch kein Wort, bis wir draussen sind.

Tanze im Feuer, das Wunder des LebensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt