Kapitel 19

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Als ich allein bin stehe ich auf und gehe ein bisschen im Zimmer herum. Ich fühle mich zwar noch recht schwach, aber merke auch, dass mir das Gehen guttut.
Ich beschliesse nach einer Weile ins Badezimmer zu gehen und mich anzuziehen. Vielleicht werde ich mich dann ein wenig besser fühlen. Mit Schrecken habe ich festgestellt, dass ich eine zu lange Trainerhose und einen viel zu grossen Pulli anhabe. Ich muss ja wie... wie irgendwas aussehen! Zumal habe ich diese Kleidung noch nie zuvor gesehen. Aber der Geruch... nach Feuer irgendwie. Nicht nach Rauch, wie man vielleicht annehmen könnte, wenn ich es mit Feuer vergleiche. Es ist auch nicht so, dass Feuer einen Geruch hat. Aber wenn es einen hätte, dann wäre der hier perfekt.
Und plötzlich weiss ich, von wem die Kleider sind. Von Ti. Sie müssen von ihm sein.
Heisst das... heisst das etwa, dass er mich umgezogen hat? Ich merke, wie ich rot anlaufe. Das muss es wohl, aber... naja, wohl ist mir bei dem Gedanken nicht. Überhaupt nicht. Er könnte sonst was mit mir angestellt haben! Und sowieso: Was soll das?? Wobei ich das nicht glaube, denn aus unerfindlichen Gründen vertraue ich diesem Jungen, den ich kaum kenne, mehr als sonst jemandem.
Als ich im Badezimmer bin schaue ich in den Spiegel. Ich erschrecke bei meinem Anblick im Spiegel: Ich habe tiefe Schatten unter den Augen, mein Mund sieht wie ausgedorrt aus und meine Haut scheint weiss wie Schnee. Also, noch weisser als sonst schon, was ziemlich schlimm aussieht. Zudem ist mein Haar so verknotet, dass ich es wahrscheinlich stundenlang bürsten muss, damit es wieder glatt ist. Wie bereits erwähnt: Ich bin keine Zicke oder so! echt nicht. Ich achte bloss auf mein Aussehen, weil ich nicht rumlaufen will wie keine Ahnung was. Aber das tut ihr ja bestimmt auch. Nicht?
Ich beschliesse die Kleidung doch nicht zu wechseln. Denn sie sind einerseits bequem und andererseits... naja, sie sind von Ti. Und irgendwie... irgendwie, keine Ahnung, aber da ist so ein komisches Gefühl, das... ach, ich weiss doch auch nicht.
Also mache ich mich mal an meine Haare und mein Gesicht. Ich will ja nicht wie ein Zombie herumlaufen. Genau, Zombie ist die perfekte Umschreibung für mein Aussehen. Zombie. Lebender Toter. Ich sehe wirklich, wirklich schlimm aus. Wie man halt aussieht, wenn man krank war und sich selbst deswegen ziemlich vernachlässigt hat. „Hallo?", höre ich eine Jungenstimme.
Ich eile ins Schlafzimmer. Dort steht ein etwa neunjähriger Junge mit einem Tablett voller Frühstück. Richtig süss sieht er aus, wie er so dasteht und ganz offensichtlich nicht weiss, was er mit dem Tablett machen soll.
„Hallo", sage ich lächelnd, „Wer bist du denn?"
„Ich bin Ken", antwortet der Junge schüchtern, „Mama hat gesagt, ich soll dir das Essen bringen. sie hat gesagt, dass du krank bist und dass ich dir eine gute Besserung wünschen soll."
„Danke", sage ich und nehme ihm das schwere Tablett aus.
Der Junge bleibt stehen und starrt mich mit grossen Augen an.
„Ist noch was?", frage ich vorsichtig, um ihn nicht zu beleidigen.
„Kann ich eine Erdbeere haben?", fragt Ken leise.
„Na klar, kannst dir eine aussuchen. Oder auch zwei, wenn du magst. Nimm dir so viele du willst", sage ich nickend und zwinkere ihm zu, woraufhin er gluckst, „Wer ist eigentlich deine Mama?"
„Mama eben. Sie kocht immer. Ich glaube, sie kocht auch für euch, ihr Essen ist lecker", sagt der Junge unsicher.
„Okay. Also du kannst ihr einen lieben Gruss von mir ausrichten, ist das gut?", bitte ich ihn.
Der Junge, Ken, nickt, schnappt sich ein paar der Erdbeeren und rennt dann übermütig aus dem Zimmer.
Ich muss lächeln als ich ihm hinterherschaue.
Ich stelle das Tablett, das ich noch immer in den Händen halte, auf die Kommode. Im Moment habe ich keinen Hunger, aber vielleicht esse ich später noch was.

Tanze im Feuer, das Wunder des LebensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt