Kapitel 32

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«Du magst ihn nicht besonders, oder?», frage ich sobald Ad die Türe hinter sich geschlossen hat.
«Wen?» Jake sieht mich an. In seinen Augen glaube ich unterdrückten Zorn zu erkennen, bin mir aber nicht ganz sicher. Und falls es wirklich Zorn ist, so frage ich mich, auf wen er gerichtet ist. Vielleicht auf mich?
«Deinen Vater», sage ich nach einer kurzen Pause.
«Vater», spottet Jake, «Er war nie ein Vater. Das einzige, was er kann ist herumkommandieren. Vater ist für ihn ein fremdes Wort, aber doch müssen wir ihn so ansprechen».
«Was ist denn passiert, dass du ihn nicht magst?», frage ich vorsichtig.
«Vieles. Er ist kein guter Vater. Das war er nie. Er ist der Typ, der seine Kinder schlägt. Schmerzen vermögen mir schon lange nichts mehr anzutun, doch Ella ist regelmässig bewusstlos wegen ihm. Und weisst du, wieso er Le immer am meisten gemocht hat? Wieso er sie nie geschlagen hat?», fragt er. Ich schüttele den Kopf. «Weil sie den perfekten Körper für ihn hat. Er hat sie bestraft, indem er sie zwang, ihm ihren Körper frei zur Verfügung zu stellen».
Ich schüttele angewidert den Kopf. «Könnt ihr nichts dagegen tun?»
«Was denn? Er ist der Anführer. Er ist unantastbar», sagt Jake, «Du hast vorhin wieder was geträumt, stimmts? Was war es?»
Ich nicke unsicher. «Ich... ich habe mich wieder umgebracht, aber anders diesmal», flüstere ich.
Jake nimmt meine Hand. «Hey, es ist alles okay. Komm, wir lenken dich ein wenig ab. Okay? Soll ich dich etwas herumführen?»
Ich nicke, dankbar darüber, dass wir nicht länger über Ad oder den Traum sprechen müssen. Ich habe ja geahnt, dass er nicht gerade der netteste Mann ist, aber gleich so...
«Ich schlage vor, wir beginnen unten im Keller. Dort sind das Gefängnis und der Übungsraum. Der Übungsraum ist zum Kämpfen. Daher denke ich, dass ich dir den noch etwas aufsparen kann. Denn du wirst ihn noch früh genug kennenlernen. Aber das Gefängnis, dort können wir ruhig hin».
Ich nicke erneut. «Ist es schlimm da?», frage ich dann.
«Nein, im Moment haben wir nicht sehr viele Gefangene».
Jake zieht mich in eine Richtung und ich folge ihm.
«Was genau bedeutet das für mich, eine von euch zu sein?», frage ich nach einer Weile. Jake hält inne.
«Ich wusste, dass du zu uns gehörst, aber ich habe doch gewünscht, dass es anders wäre. Es ist grausam hier zu leben. Ständig ist Krieg. Ein Krieg, der nie jemand gewinnen kann, da weder die eine noch die andere Seite wirklich besiegbar oder sterblich ist. Für dich wird sich das Leben sehr ändern. Als erstes wird dir angeboten werden, hier zu wohnen. Ja ich sagte Angebot, aber es ist äusserst unhöflich, dies abzuweisen. Dann wirst du trainiert werden. Deine körperlichen wie auch seelischen Fähigkeiten. Zum Körperlichen gehört das Kampftraining, zum seelischen das Wünschen. Zu Beginn darfst du zwar noch das Internat besuchen, doch dann musst du dich dem Kampftraining widmen, bis du es perfekt beherrscht. Dann kannst du ein ähnliches Leben wie ich führen, aber auch das wird nicht einfach. Und deine Freundschaft zu Ti muss auf der Stelle enden. Er ist dein Feind, nicht dein Freund, vergiss das nie».
«Heisst das, ich habe gar kein eigenes Leben mehr?», frage ich unterbreche ihn mit meiner Frage.
«Nein. Tut mir leid, echt. Aber wir leben, um es mit Menschenworten auszudrücken, in eine Diktatur».
«Muss ich es denn?»
«Nein, theoretisch nicht. Aber wenn du dich dagegen entscheidest, wirst du verstossen, verachtet und gejagt. Aber ich kann dir Zeit herausschinden. Im Internat, damit du noch eine Weile dort sein kannst. Und ich werde dich auch nicht verraten, wenn du mit Ti befreundschaftet bist, aber ihr müsst trotzdem vorsichtig sein, denn es gibt im Internat noch ziemlich viele andere, die petzen könnten».
«Und Ti?»
«Das sind die Regeln. Wie gesagt, ich unterstütze dich, aber offiziell darfst du nichts mit ihm zu tun haben, sonst bist du geliefert. Ti ist der Anführer des Feindes. Wenn du willst könnten wir dich auf ein anderes Zimmer zuteilen». Ich schüttele stumm den Kopf. Ich mag Ti, wenn auch nur freundschaftlich. Und ich will diese Freundschaft nicht verlieren.
In was habe ich mich da nur reingebracht? So wie Jake mir das erzählt klingt alles ziemlich schrecklich. Aber stattdessen nicke ich nur und frage, ob wir weiterkönnen.
Nach einer Weile bleibt Jake vor einer Wand stehen und streicht mit der Hand darüber. Eine, bisher verborgene, Tür öffnet sich. Dahinter befindet sich eine breite Wendeltreppe, die steil nach unten und oben führt.
Jake deutet nach unten und sagt: «Wir müssen ganz nach unten. Bis die Treppe zu Ende ist».
Ich nicke und folge ihm.

Tanze im Feuer, das Wunder des LebensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt