«Ich schlafe», sage ich empört als Ti mir die Decke wegzieht.
«Jetzt nicht mehr. Du kommst zu spät in die Schule», sagt Ti.
«Aber heute fällt der Unterricht aus», murmele ich. Heute ist Mittwoch. Und das heisst, dass wir heute aus einem unerfindlichen Grund einmalig Unterrichtsbefreit sind.
«Ach wie dumm von mir. Das hätt ich doch beinahe vergessen», sagt Ti mit gespielt genervter Stimme, «Nein, ich mein es ernst. Wir machen heute einen Ausflug».
«Ausflug? Wohin?»
«Wirst schon sehen. Aber du hast noch ganz viel schön nachzuholen, meinst du nicht?»
«Wie meinst du das?»
«Ich werde dir unsere Welt zeigen».
«Unsere? Wir haben keine gemeinsame Welt. Wir sind verfeindet».
«Nö, wir sind Zimmergenossen. Also komm schon», sagt Ti und zieht mich auf die Füsse.
Ich stöhne auf. «Na gut, aber ich muss mich erst anziehen»
«Ach ihr Menschen», murmelt Ti und macht eine Handbewegung, «Ich finde, diese Kleider stehen dir sehr gut».
Verblüfft schaue ich an mir herunter. Ich bin komplett angezogen.
«Also doch Magie», sage ich.
«Du erinnerst dich an den Abend?», fragt Ti überrascht.
«Sollte ich nicht?»
«Naja, du neigst dazu, gewisse Dinge zu vergessen. Dinge, die etwas deiner Vergangenheit offenbaren könnten».
«Du weisst, wer ich bin. Weshalb kannst du es mir nicht einfach sagen?», frage ich.
«Ja, ich weiss es. Aber es dir zu sagen wäre gegen deinen ausdrücklichen Befehl».
«Das heisst, ich habe dir was befohlen als ich mich noch erinnert habe... aber wer hat genug Macht über dich? Und... wieso dir und nicht jemandem von meiner Familie?»
«Macht über mich haben zwei Personen auf dieser Welt. Lilith und ihre Tochter».
«Aber ihre Töchter sind tot. Sie sind als Baby ermordet worden».
«Weshalb war ich dann über Jahrhunderte hinweg ihr Leibwächter?»
Ich erstarre. «Sie ist nicht tot»
Ti schüttelt den Kopf.
«Aber wo ist sie dann?»
«Sag du es mir»
«Du glaubst doch nicht etwa ich... das ist lächerlich. Ich bin eine Guardia», sage ich, doch sein Blick sagt mir, dass er es ernst meint.
«Du wirst dich nicht an dieses Gespräch erinnern können. Weil du dich selbst mit diesem verdammten Zauber belegt hast. Du vergisst alles sofort wieder, was etwas mit deiner Vergangenheit zu tun hat. Es würde also gar nichts bringen auch nur zu versuchen, dir etwas zu erzählen. Und deshalb wundert es mich auch, dass du dich an diesen Abend erinnern kannst».
«Ach dann ist ja alles gut, oder? Weil ich mich nicht erinnern kann plötzlich mit der Sprache rausrücken, oder wie?»
«Ja, du hast recht, das ist nicht fair. Ich werde es dir ein ander Mal sagen. Du solltest es sowieso nicht wissen»
«Was sollte ich nicht wissen?»
«Ich glaube nicht, dass du ihre Tochter bist. Ich glaube, dass du jemand bist, der vor Jahrtausenden nach einem Selbstmordversuch verschwunden ist und nie wieder hervorgekommen»
«Ach ja? Und wer soll das sein?»
«Jemand, den sowohl Jake als auch ich geliebt haben»
Mir stockt der Atem. «Eine Idee ist hirnverbrannter als die andere», sage ich.
«Ach ja? Darf ich was versuchen?», fragt Ti amüsiert.
Ich nicke widerwillig.
Plötzlich ist Ti bei mir, umschlingt mich und presst seine Lippen auf meine. Und es fühlt sich gut und... vertraut an. Und verboten.
Ich erwidere den Kuss, doch in diesem Moment stösst Ti mich weg.
«Was hab ich gesagt? Wie hat es sich angefühlt? Wohl kaum, als wäre es das erste Mal. Und auch sonst, ich glaube nicht dass du momentan wirklich diese Gefühle für mich hast und doch; du hast den Kuss erwidert. Ich habe Erfahrung mit Gedächtniszaubern. Sie lassen einen die psychischen Erinnerungen vergessen, doch der Körper vergisst nie. Nie», er streicht sich aufgebracht durch sein Haar.
«Aber...»
«Es ist egal», sagt Ti sanft.
«Aber es hat sich... gut angefühlt», sage ich leise.
Ti lacht verbittert auf. «Ja, bei Jake fühlt es sich bestimmt auch gut an, oder? Und bei allen anderen, mit denen du mich damals betrogen hast. Aber es spielt keine Rolle. Der Kuss war ein Test, mehr nicht. Selbst wenn ich es wollte, wir dürften nicht».
«Ich habe dich nicht betrogen. Nie. Sonst hätten wir ja ein Paar sein müssen. Aber ich war nie mit dir zusammen. Du glaubst von mir, dass ich eine sei, die es war, aber es ist nicht so. Deine Freundin ist tot»
«Noch nicht. Und das wird sich hoffentlich auch nicht so bald ändern. Deshalb, vergiss den Kuss einfach. Ich weiss, was du für Jake empfindest. Und ich hätte nie gedacht, dass ich das je sagen würde, aber er ist die bessere Wahl», sagt Ti.
«Du kannst es mich vergessen lassen, oder?», frage ich.
«Ja», sagt Ti und betrachtet mich skeptisch.
«Kannst du das für mich machen?»
«Theoretisch schon aber weshalb solltest du das wollen?», fragt Ti
«Vertrau mir einfach. Bitte» Es ist wieder jemand anderes, der aus mir spricht, aber diesmal fühlt es sich richtig an, gut.
Ti seufzt. «Okay, gut. Aber du musst mit mir mitkommen. Danach wirst du denken, du hast alles nur geträumt».
«Wieso ist ein Traum besser als eine Erinnerung?», frage ich.
Ti grinst. «Du wirst denken es war ein Traum. Und wirst dich an diesen Traum erinnern der eigentlich wirklich passiert ist. So ist es doch besser als vergessen, oder? Und ausserdem bin ich der Meinung, dass es skrupellos ist, jemandem die Erinnerungen zu nehmen».
«Und was soll ich denken, dass ich heute gemacht habe?», frage ich.
«Da wird mir schon was einfallen», sagt Ti und seine Augen blitzen plötzlich rot auf.
Und da weiss ich es. Einfach so, aus dem nichts.
«Aber dir fällt nicht immer was ein, nicht wahr?», frage ich leise.
«Wie meinst du das?»
«Wieviele meiner Träume sind wahr? Der Junge bei mir Zuhause im Wald? Der erste Abend hier im Wald», sage ich kopfschüttelnd und erinnere mich plötzlich wieder an den ersten Abend hier. Aber etwas sagt mir, dass ich es wieder vergessen haben werde, morgen.
«Ja».
«Sind es noch mehr Träume?»
Ti schüttelt mit zusammengebissenen Zähnen den Kopf.
«Du warst der blaue Junge. Oder?», frage ich ihn.
Als Antwort umzüngel ihn plötzlich Flammen und als diese verschwinden steht der Junge vor mir.
«Und Tai?», frage ich.
Wieder Flammen und Tai steht vor mir.
«Sonst noch wer?», frage ich.
Erneute Flammen und am Boden hockt ein kleiner Vogel, ein Spatz.
«Hast du mich eigentlich beobachtet?», frage ich.
Ti nimmt wieder die Ti-Gestalt an und schaut mich lange an.
Dann sagt er: «Nein. Du bist nur zufällig in dem Wald gewesen, in dem ich zuhause bin. In Salisbury und auch hier. Du warst schon hier im Wald. Und das an deinem ersten Abend hier tut mir leid. Ehrlich»
«Schon gut», sagt ich, «Und übrigens noch danke für die Bücher».
«Gern geschehen, kommst du jetzt?», fragt Ti.
Ich schaue ihn fragend an und er hält mir eine Hand hin. Nach kurzem Zögern ergreife ich sie.
«Vertraust du mir?», fragt er.
Ich nicke.
«Dann komm mit mir»
Bei diesen Worten schiessen wir empor und um uns herum verschwimmt alles.
Als die Landschaft wieder klar wird stehen wir in einem Wald. In meinem Wald. Zuhause.
«Was machen wir hier?»
«Ich will dir einen Ort zeigen, an den du hinkannst wenn du in Gefahr bist. Einen Ort, den nur wir beide kennen».
Ich hebe eine Augenbraue. «Wo soll das sein?»
«Am Weiher. Dem, den du an deinem letzten Tag hier entdeckt hast»
«Aber jeder könnte ihn finden»
«Nein, nur die, die wissen wo er liegt»Am Weiher ist es ruhig. Still. Fast kein Geräusch ist zu hören. Ti hat mir hier die ganze Umgebung gezeigt und als ich ihn nach dem Grund gefragt habe, sagt er, dass ich einen Zufluchtsort bräuchte. Noch nicht jetzt, aber bald.
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Tanze im Feuer, das Wunder des Lebens
FantasyKlappentext „Ich will Blut." Ich weiche erschrocken ein paar Schritte zurück. „Gleich kommt der Teil, wo du mir erklärst, ich sei auf einer Vampirschule gelandet", sage ich und versuche meine Angst mit Spott zu übertönen. Er lacht leise und sagt: „M...