Kapitel 1

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Wankend nehme ich das kleine Glas von einem Unbekannten entgegen und Kippe mir den Kurzen runter. In der Kehle hinterlässt er ein mir gewohntes, scharfes Brennen und ich atme auf Anhieb tief ein um den Effekt zu verstärken. Der Typ nimmt mir das Glas wieder ab, er scheint sich selbst als Barkeeper zu ernennen, und ich blicke durch den Raum. Er ist voller Rauch und man hat durchgehend den Geruch von Alkohol und Schweiß in der Nase. Ich möchte nicht bestreiten das mir diese Mischung irgendwie gefällt, es ist in der Kombination anspornend, aber auch erdrücken, nach einer Weile. Entschlossen taumele ich aus dem Haus, in der die Party stattfindet, und lehne mich außen an die Wand, wo ebenfalls vereinzelt Leute stehen und Eine rauchen. Selbst ich stecke mir jetzt eine Zigarette an und ziehe gierig den Rauch in meine Lunge, langsam stoße ich ihn wieder aus und er vermischt sich schnell mit der kalten Herbstluft. Es war kühl, doch der Alkohol in meinem Blut wärmt mich. Man sieht wie mein Körper auf die Kälte reagiert, aber ich fühle es nicht.
Jemand stößt die Haustür auf und die Musik knallt mir wieder voll in die Ohren, dann fällt die Tür zu und die Musik ist dumpf. Alles ist Still, bis mein Freund Ash vor mir steht und mich wie ein Vollhorst angrinst. Er ist betrunken. Ich meine, ich auch, aber er ist wirklich richtig voll.
Schwankend streckt er mir eine Kornflasche entgegen und ich nehme sie dankend an. Eigentlich wollte ich heute nicht so viel trinken, dennoch finde ich diesen Zustand jetzt auch nicht übel. Es ist der Grad Alkoholinputt, bei dem man keine Zweifel, Gedanken oder Hemmungen hat, sich trotzdem kontrollieren kann. Das ist der Zustand den ich mag, den ich aber leider schnell übertreibe, so wie mein Kumpel Ash. Dieser hat sich jetzt auch neben mich gelehnt und prostet mir zu.
,,Du solltest wieder mit reinkommen", lallt er und ich schüttel meinen Kopf. ,,Da drinnen sind tolle Weiber. Dein Geschmack!", sein bescheuertes Grinsen wird breiter.
,,Seit wann kennst du denn meinen Geschmack?", ich lache rau und ziehe ein letztes Mal an der Zigarette, bevor ich sie auf dem Boden austrete.
,,Ich meine es ernst. Komm wieder mit rein. Außerdem sind die Mädels gerade dabei Flaschendrehen zu spielen, du weißt was das bedeutet..", er freut sich wie ein kleines Kind und kippt sich den Rest Korn in den Rachen.
,,Ja, ich weiß, aber ich habe kein Interesse",stöhne ich und er jammert. Zumindest glaube ich das, weil er merkwürdige Geräusche von sich gibt.
,,Ich komme nach", mit ihm zu diskutieren wenn er betrunken ist, ist sowieso unnütz. ,,Aber sorge für bessere Laune", brabbelt er, klopft mir auf die Schulter und verzieht sich wieder nach drinnen.
Direkt hinter ihm verlässt ein Mädchen das Haus. Sie wäre mir nicht wirklich aufgefallen wenn sie nicht so bitterlich weinen würde. Schnell geht sie durch den Vorgarten und ich zögere, kann meine Neugier aber nicht zügeln. Außerdem kümmert sich hier keiner um sie, vielleicht will sie es auch gar nicht, aber es ist mir egal. Mir ist es eigentlich sowieso egal wie sich andere Leute fühlen, deswegen wundere ich mich warum auf einmal sie mein Interesse weckt. Wie oft habe ich weinende Mädchen von einer Party fliehen sehen, weil sie sich von einem One-Night-Stand mehr erhofft haben oder so etwas in der Art.
Ich stelle die Kornflasche neben mir ab und bewege mich auf sie zu, konzentriert nicht zu betrunken rüber zu kommen und halte sie nun auf. Erschrocken wendet sie sich um und entzieht sich meinem Griff.
,,Tut mir leid..", murmel ich und sie wischt sich hektisch die Tränen weg. Ihre Wangen erröten, als wäre es ihr peinlich vor mir zu weinen, dabei kennen wir uns nicht einmal.
,,Gehts dir gut?" Sie nickt langsam, doch entscheidet sich dann dazu mir die Wahrheit zu beichten und schüttelt den Kopf, wobei ihr wieder Tränen über das Gesicht laufen.
,,Hey, ist okay. Soll ich jemanden für dich vermöbeln?", ich versuche sanft zu klingen, obwohl meine Stimme einen rauen Unterton hat. Wie wohl ihre Stimme klingt? Bestimmt ist ihre Stimme klar und süß, so wie Honig, der einem noch lange auf der Zunge liegt.
Wahrscheinlich würde ich genauso an ihren Worten hängen, so wie an ihren Gesichtszügen. Auch wenn ihre Schminke verwischt ist und ihre Wangen gerötet, vom weinen oder peinlich berührt sein, ihre Haare zerzaust und sie komplett aufgewühlt ist, finde ich sie Wunderschön. Sie hat schulterlanges, hellbraunes Haar, Stufen lassen es luftiger und voller wirken, weil sie eigentlich dünn sind, ihre Augen haben ein Meerblauen Ton und vermischen sich nach innen ins Haselnussbraun, soweit ich es in diesem Licht, welches in der Nacht durch Laternen auf uns geworfen wird, erkennen kann, ihr Nase ist schmal und ihre Lippen so voll und geschwollen. Es sind Lippen die nach Küssen süchtig machen. Wie sie wohl schmecken?
Auf meine Aussage hin breitet sich ein Lächeln auf diesen aus und ein niedliches, herzliches, aber noch verweintes Lachen ertönt. ,,Ich meine es ernst",beteuere ich und sie lässt ihr süßes Lachen langsam ausklingen.
,,Wie liebenswürdig von dir. Ich bin Emily", schluchzt sie kurz, als sie sich fängt und mir die Hand reicht.
,,Ich bin Nick. Also eigentlich Niclas, aber alle meine Freunde nennen mich Nick", erkläre ich und sie nickt.
,,Was für eine Ehre", sie wischt sich die letzten Tränen weg.
Ein Schrei unterbricht uns und Emily schreckt zusammen.
Ray, der Kerl, der die Party veranstaltet, kommt mit rotunterlaufendem Kopf auf uns zu. ,,Aha",sagt er ohne jeglichem Gefühl in der Stimme ,,Was für eine Schlampe ich hier doch sehe."
Ich balle die Fäuste. Wie kommt er darauf, das sie eine Schlampe ist?
,,Nenn mich nicht so!", zischt sie und verschrenkt die Arme vor der Brust.
,,Hm, und was bietet sich mir hier? Du bist eine Schlampe und nichts anderes. Kaum ist Schluss und dann das",noch war sein Ton ruhiger als erwartet, jedoch unkontrolliert und abwertend. Aber viel mehr schnappe ich die Information auf. Nachdem Schluss ist? Die beiden waren zusammen?
Ich möchte kurz einmal ein paar Sachen zusammenfassen, damit ihr versteht wieso ich verwirrt bin:
Ray ist 21, hat die Schule nicht beenden können, weil seine Intelligenz nicht ausgereicht hat und nun ist er gelegentlich Trucker und man munkelt auch das er vertickt. Was da dran ist, weiß ich nicht. Und ich glaube nicht an Gerüchte, aber es würde zu ihm passen. Sein Aussehen sagt schon mächtig viel über ihn aus.
Er hat schulterlanges, fettiges, blondes Haar, welches sich leicht lockt und oft ungekämt ist, meist stinkt er nach Schweiß und über seinen Mundgeruch will ich gar nicht nachdenken. Zusammengefasst weiß ich relativ viel über ihn, aber von einer Beziehung habe ich nichts mitgeschnitten und erwartet sowieso nie. Ich weiß nicht mal warum ich überhaupt auf seine dreckigen Partys gehe.
Nun könnt ihr mein Verwundern sicherlich verstehen.
,,Ich bin keine Schlampe, das weißt du, Ray!", verteidigt sich Emily laut.
Er will wieder ansetzen, aber als sie leicht Schutz hinter mir sucht, macht sie mir damit klar jetzt einzuschreiten.
,,Es reicht jetzt", sage ich ruhig und halte ihn auf einer Armlänge Abstand.
,,Du sagst mir nicht, wann es reicht!",schreit er und ich ignoriere den Speichel der dabei fliegt.
,,Du solltest gehen", meine ich deutlich mit Nachdruck.
,,Das ist mein Grundstück auf dem wir stehen, wenn gehst du!",er ballt die Fäuste.
,,Wir stehen auf dem Bürgersteig", ich provoziere ihn mit einem schiefen Schmunzeln und er scheint vor Wut gleich zu explodieren.
Schnell packt er mich am Kragen und kommt mir mit seinem verschwitztem Gesicht näher. Vor Schreck schreit Emily auf und bittet Ray mich da rauszulassen. Aber es scheint ihn nur anzuspornen.
,,Komm, schhlag mich", ich behalte das Lächeln auf meinen Lippen. Denn wenn er jetzt zuschlägt, schlage ich zurück.
Und das tut er, er holt aus.

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