Doch leider muss ich das hinten dran stellen. Ich muss Alec aus der Patsche helfen, damit er nicht endet wie Ray. Gleich heute werde ich mich darum kümmern.
Ich stehe also vom Bett auf und mache mich so schnell wie möglich fertig, wähle, während ich mir einen Kaffee mache, Alecs Nummer. ,,Alec?", frage ich sofort, als jemand abnimmt. ,,Ja?", ich höre seine müde Stimme. Er ist wohl auch gerade erst aufgestanden. ,,Kann ich mit dir reden? Wegen gestern.." ,,Was gibt's da zu bereden?", will er wissen und ich höre wie er langsam wacher wird. ,,Da gibt es ziemlich viel zu bereden, Alec", mein Ton ist fest, er kann nicht ausweichen, nichts überhören, es ist wie ein Zwang. Er muss mir antworten. ,,Ich wüsste nicht worüber wir reden sollen, aber okay", stimmt er zu und fährt fort ,,Aber ich kann erst Nachmittags" ,,Wieso? Musst du Rays Job machen?", gebe ich mürrisch von mir und höre ihn auf der anderen Seite des Hörers nur belustigt lachen. ,,Ich habe auch einen Job im Supermarkt, schon vergessen?" ,,Bis nachher, Alec. Ruf mich an, wenn du Zuhause bist", sage ich nur und ignoriere seine bescheuerte, rhetorische Frage damit.
Mit dem Kaffee in der Hand gehe ich ins Wohnzimmer und setze mich zu meiner Mutter. ,,Hast du irgendwelche Probleme mit Alec?", fragt sie und es wäre zu viel, ihr das zu erklären. ,,Nein, alles gut, nur eine kleine Diskussion" Sie entscheidet sich dafür, nicht weiter nachzufragen, weil sie meinen Wink verstanden hat. ,,Was hast du heute noch so vor?", erkundigt meine Mutter sich vorsichtig und bevor ich antworte, nippe ich an meinem Kaffee ,,Ich weiß genau worauf du hinaus möchtest, Mum, und meine Antwort ist nein" ,,Ach komm, rede doch mit Emily" ,,Es nützt nichts" ,,Du bist nur zu aufgeregt", schmunzelt sie und findet die Vorstellung offensichtlich niedlich. ,,Was sollte ich ihr denn schon erzählen?", seufze ich ergebend und trinke meinen Kaffee weiter. ,,Sag ihr, dass es dir leid tut, was auch immer du falsch gemacht hast und erzähl ihr, das du sie vermisst. Das kommt immer gut"
Ich erwidere nichts mehr, weil ich in meinen Gedanken versunken bin. Soll ich wirklich jetzt schon mit ihr reden? Würde sie mich sehen wollen? Um ein Gespräch mit ihr werde ich sowieso nicht herum kommen, da ich es nicht einfach so stehen lassen will. Ich bin nicht so der Typ, der einfach etwas aufgibt. Das war ich noch nie. Und das ist der Unterschied zwischen mir und Oliver. Er hat alles aufgegeben.
,,Ich bin auf der Arbeit, Nick", sagt meine Mutter und reißt mich aus meiner Trance. ,,Ja, viel Spaß", schmunzele ich kurz, als sie das Zimmer verlässt und bin dann endgültig mit meinen Gedanken alleine.
Mein Blick wandert zu der Uhr, die über dem Türrahmen hängt. Gerade mal vor 10 Stunden oder so bin ich betrunken aus Emilys Haus gestokelt. Ob sie mich jetzt schon wiedersehen will? Oder überhaupt irgendwann?
Egal. Mir ist doch sonst auch alles egal. Ich habe nur Angst vor der Begegnung. Das muss ich mir eingestehen.
Doch zuerst versuche ich sie anzurufen, denn vielleicht beruhigt sie es etwas, wenn ich sie vorwarne.
Nichts. Sie nimmt nicht ab, noch schlimmer, sie drückt mich weg. Das ist doch eigentlich schon die Antwort auf meine Frage. Will sie mich sehen? - Nein.
Aber ich lasse das nicht so stehen, ich will mich bessern, ich will für sie anders sein. Ich will ich selber sein, endlich, mich nicht verstecken.
Ich verdränge es immer, aber eigentlich bin ich Feige. Selten war ich mutig, denn aggressiv jemanden die Fresse zu polieren ist genauso wie davon rennen. Das kann ich nämlich gut: Vor meinen Problemen davon rennen.
Das muss sich nun ändern.Nachdem ich die beiden Kaffeetassen weggeräumt habe, mache ich mich auf den Weg. Die ganze Autofahrt lang bin ich mit meinen Gedanken ganz wo anders, was vielleicht etwas fahrlässig ist, da ich zu unkonzentriert für den Straßenverkehr war, doch letztendlich parke ich sicher vor Emilys Haustür.
Eine ganze Weile sitze ich einfach nur da. Ich warte. Genau weiß ich nicht auf was. Vielleicht sind es die richtigen Worte, die ich vergeblich suche oder das Grübeln über mein Verhalten. Wie soll ich mich verhalten?
Ich muss einfach meine Fehler eingestehen. Einfach. Das ist definitiv das falsche Wort für die Situation.
Um nicht wieder in pessimistische Gedankengänge zu verfallen steige ich aus dem Auto aus und gehe die Treppe der Veranda hinauf.
Schummerig erinnere ich mich daran, wie ich letzte Nacht einfach nur hier stand und verschwunden bin, anstatt es zu versuchen wieder gerade zu biegen. Nun, ein paar Stunden zu spät, aber immerhin mit den richtigen Hintergedanken, klingele ich an der Haustür.
Emily öffnet diese und sieht mich direkt mit einem Blick an, den ich nur zu gut deuten kann. Sie ist genervt und enttäuscht.
,,Nick", seufzt sie und lehnt sich in den Türrahmen ,,Was machst du hier?"
,,Ich will mich entschuldigen. Für alles. Ich habe alles falsch gemacht, was ich hätte falsch machen können und jetzt weiß ich das ich total bescheuert war, aber ich will mich ändern, ich kann mich ändern und-" Sie unterbricht mich dabei, wie ich unstrukturiert diese Wortfetzen von mir gab.
,,Beruhig dich, atme durch", grinst sie belustigt und funkelt mich mit diesen wunderschönen blauen Augen an. Sie lächelt und erwärmt mein Herz, bringt mich zum durchatmen.
Bevor ich wieder ansetze, entscheidet sie sich dazu zu sprechen ,,Du hast nicht alles falsch gemacht. Du warst die meiste Zeit zwar echt merkwürdig und kalt und hast Dinge getan, die du hättest anders Regeln sollen, doch trotzdem mag ich dich"
,,Du magst mich?", murmele ich erstaunt und ihr Lächeln ändert sich zu einem liebevollen Schmunzeln. ,,Natürlich, aber.."
,,Na toll, ein 'aber'", ich starre auf den Boden, trete nervös von einen auf den anderen Fuß.
,,Ja, ein 'aber'. Was dachtest du denn? Gestern Nacht hast du mich einfach nur erschreckt!"
,,Ich weiß, es tut mir so leid. Das war nicht ich, ich war betrunken", versuche ich zu erklären, dennoch zeigt es nicht die erhoffte Wirkung. ,,Du kannst nicht alles darauf schieben" ,,Ich weiß" ,,Du weißt anscheinend sehr viel", zischt sie und verschränkt die Arme.
,,Ok, bitte hör mir zu, gib mir noch eine Chance. Eine einzige", flehe ich fast und es erschreckt mich, da ich mich so gar nicht kenne.
Gerade als sie antworten möchte klingelt mein Handy, ich sehe auf das Display und lese, dass es Alec ist, der mich stört. Ich höre sie seufzen, doch zu ihrer Überraschung stecke ich das Handy wieder ein.
,,Geh ran, es ist bestimmt 'wichtig'", seufzt sie und will mich anscheinend nicht mehr ansehen. Sie straft mich mit dieser Ignoranz, die ich nicht aushalten kann. ,,Nichts ist wichtiger als dieser Moment, Emily. Ich will das wieder gut machen, verstehst du?", ich werde immer leiser, weil ich nicht mehr genau weiß, wie ich meine Gedanken ausdrücken soll. Es ist wie ein Sturm in meinem Kopf und die Worte, die ich mir wie Blätter gerade zusammengehakt habe werden vom Wind wieder auseinander geweht.
,,Ja ich verstehe es. Es ist doch nicht so, das ich dich nicht verstehen will. Ich will dich ja verstehen, doch du hattest mir nie die Chance dazu gegeben", erklärt sie und auch das kann ich nachvollziehen. Ich habe ihr auch nie etwas erklärt, aber das nur weil ich Angst gehabt habe, dass ich sie dadurch sofort verliere. Mein Leben läuft nun mal nicht so glatt.
,,Ich will dir alles erklären, bitte, eine Chance. Ich will dich nicht verlieren!", schluchze ich fast, weil mir diese Worte so raussprudeln.
,,Nick", seufzt sie mit einem traurigen Blick ,,Ich will dich doch auch nicht verlieren" Sie schaut auf meine Hand und ergreift sie langsam, verschränkt ihre dünnen, kleinen Finger mit meinen und sieht dann wieder zu mir hoch. ,,Eine Chance", flüstert sie, als sie mir durch meine Augen in die Seele schaut. Das erste mal, dass ich sie so tief sehen lasse.
,,Danke", hauche ich lächelnd und vor Erleichterung kann ich gerade genau so gut anfangen zu weinen, doch stattdessen möchte ich etwas wagen.
'Eine Chance' gleich 'Ein Versuch' , richtig?
Mit meiner anderen Hand, welche nicht ihre hält, streichele ich ihr sanft über die Wange und sie schmiegt ihre warme Haut in die Innenfläche.
,,Darf ich dich küssen? Hier und jetzt?", murmele ich verträumt, als ich ihr schon näher komme.
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Drunk
Teen FictionNiclas Brave: Bekannt für seine Ignoranz und sein kühles Erscheinen. Für ihn gibt es nur Party, Alkohol und Tabak. Das ändert sich allerdings, als er an einem gewöhnlichen Partyabend dieses Mädchen weinen sieht. Genau ihre Tränen sind es, die ihn da...