Kapitel 15

114 13 6
                                    

Ich spüre seinen heißen Atem.
Mir bleibt die Luft weg.

Seine Lippen schweben vor meinen und sie streifen sich schon als auf einmal die Tür aufgeht, die Ash hinter sich geschlossen hatte.
Vor Schreck gebe ich einen Schrei von mir und rutsche so sehr zurück, das ich am Fußende vom Bett falle.
Oh mein Gott, wie peinlich.
Ich reibe mir beschämt die Stirn und hiefe mich vom Boden auf.
,,Ms Brave..",realisiere ich, als ich die Brünette vor mir sehe.
Man sieht einfach sofort, dass sie Niclas Mum ist. Die dunkelbraunen, glatten Haare und gerade, schöne Nase hat er auf jedenfall von ihr.

,,Eh, tut mir leid..", fange ich mich und strecke ihr meine Hand entgegen ,,Ich bin Emily, eine Freundin von Nick"
Ich versuche so höflich wie möglich zu Lächeln, um dieses dumme Missgeschick eben zu überspielen, während sie mir misstrauisch die Hand schüttelt.
,,Brigitte", stellt sie sich vor und ihre Stimme passt perfekt zu ihrem zarten Aussehen. Insgesamt ist sie einfach eine unfassbar attraktive Frau.
Sie sieht so unglaublich jung aus.

Sie wendet sich von mir zu ihrem Sohn ,,Nick? Schon wieder?!"
Sie klingt nicht erfreut, aber ich kann es nachvollziehen.
Ich komme mir ja noch schlechter vor, weil es meine Schuld ist.
Sie schüttelt den Kopf und heiliger Kuhmist, diese Geste trieft bei ihr nur so von Enttäuschung.
Nick senkt den Kopf.
,,Thomas hat mir gerade erzählt, als ich von der Arbeit kam, wie du hier angekommen bist ..", brummt sie unzufrieden ,,Wie auch immer, wir reden nacher. Und gnade dir Gott, wenn du schon wieder einfach abhaust"
Damit verlässt sie den Raum.
Wow, die Frau hat ordentlich Feuer unterm Hintern.
Jetzt weiß ich woher Nick einen Teil seiner Drohungen und provokanten Bemerkungen hat.
Gar nicht mal schlecht.

,,Sie ist eigentlich nett", murmelt er ,,nur ich reize sie momentan zu sehr"
,,Sie macht sich nur Sorgen, das macht sie nicht unfreundlich", erkläre ich und setze mich wieder neben ihn.
,,Sie braucht sich doch keine Sorgen zu machen"
Ich ziehe eine Augenbraue hoch:
,,Nein, überhaupt nicht"
Ironisch lachend lehne ich mich an seine Schulter. Das tue ich irgendwie unbewusst.

,,Was hatte Ray damit gemeint, dass du es verdient hättest und das ich nicht genug wüsste?", will er wissen und ich überlege.
Soll ich es ihm erzählen?
So gesehen ist diese Information jetzt auch nicht mehr toppend.
,,Er verkauft Drogen, und ich habe sie damals alle im Klo runter gespült, damit er es lässt"
Er starrt mich mit offenem Mund an.
,,Was?"
,,Das du dich das traust..", neckt er und ich kicher.
,,Was dachtest du denn? Das ich so ein liebes, kleines, zerbrechliches Mädchen wäre?", Frage ich und sehe ihn mit großen Augen an.
Eigentlich bin ich ein zerbrechliches Mädchen, aber das muss er ja nicht wissen.
Oder er ahnt es bereits?
Vielleicht. Es ist ja auch irgendwie offensichtlich.
,,Lieb nicht. Klein und zerbrechlich? Ja, definitiv", neckt er mich erneut.
,,Hey", ich haue ihm spielerisch auf seinen Oberschenkel ,,1,65 m ist nicht klein und ich bin garantiert nicht so zart, wie du denkst"
,,Nein, überhaupt nicht.", äfft er mich von eben nach und ich ziehe ein beleidigtes Gesicht.
,,Sei nicht böse", schmollt er, aber ich sehe wie er sich das Lachen verkneifen muss ,, das ist ja nichts Schlechtes"
Damit hat er Unrecht. Gut, klein sein ist nicht relevant, aber zerbrechlich sein ist nicht von Vorteil.
Ich hasse es.
,,Zerbrechlich sein ist schlecht", Stelle ich fest und mein Gesicht wird wieder ernst, auch er verändert seinen Blick.
,,Warum hast du die Ansicht?", Will er wissen und ich finde es irgendwie total toll wie er mir zu hören möchte und wissen will was ich denke.
Ich überlege so sehr, dass ich wieder nicht merke wie ich erröte.
Aber ich sehe dann wie er schmunzelnd auf meine Wangen sieht.
,,Maaan", mecker ich lang gezogen und lege meine Hände über mein Gesicht, muss trotzdem lachen.
Er zieht meine Hände weg. Seine sind so warm und fühlen sich einfach wunderschön auf meiner Haut an. Wie Seide, als wären sie genau dafür gemacht, dass er mich anfässt.
,,Nun sag schon", reißt er mich aus meinen Gedanken und ich zucke mit den Schultern.
,,Es fühlt sich nicht gut an zerbrechlich zu sein. Man ist wehrlos, kommt sich schwach vor", murmel ich, doch Nick unterbricht meinen Gedanken.
,,Zerbrechlichkeit hat nichts mit Schwäche zu tun", er macht eine Pause, in der er kurz seufzt und dann fortfährt ,,Es hat nichts damit zu tun, ob du schwach, stark oder mutig bist.."
,, Natürlich", falle ich ihm ins Wort, aber er lacht nur über meinen forschen Einwand und legt beruhigend seine Hand auf meine.

------------------------------------------

Niclas

,,Auch wenn du eigentlich stark bist, kannst du zerbrechlich sein", sage ich und sehe dabei nicht in ihre Augen.
Denn ich weiß ganz genau wie das ist.
Ich bin stark, aber im Inneren kaputt und schwach.
Ich tue so als würde mich nichts im Geringsten interessieren, aber so ist es nicht.
Auch ich kann Verletzt werden. Um genau zu sein bin ich verletzt.
Meine Vergangenheit war nicht leicht und mein Vater hat mich zu dem gemacht, was ich jetzt bin.
Ein Arschloch.
Ich weiß das ich es ändern kann, doch irgendwie ist dieses Scheißverhalten in mein Gehirn ein graviert.
Ich habe nie jemanden an mich ran gelassen, nie habe ich offen mit jemanden geredet.
Emily ist die einzige.
Es tut gut, mal mit jemanden zu reden.
Ich weiß auch nicht, mit meiner Mutter kann ich es einfach nicht. Sie würde mich sowieso nicht verstehen.

Wie lange haben wir jetzt schon geschwiegen? Ich weiß es nicht, ich war so in Gedanken gewesen.
,,Ist alles okay?", Fragt Emily und durchbohrt mich mit ihren Blicken.
,,Ja, wie schon gesagt", sage ich einfach und es wirkt abweisender, als ich will.
,,Hör auf", sagt sie und ich weiß ja selbst, das es bescheuert ist ,,Ich meine gerade nicht körperlich, Nick"
,,Ja, mir geht es gut"
,,Du kannst mit mir reden"
,,Ich weiß" , wieso entwickelt sich dieses Gespräch in die Richtung, wie ich es mit meiner Mutter hatte?

,,Du kannst mir wirklich vertrauen, ich weiß doch, das da etwas ist was dich bedrückt", sagt sie und ich wundere mich, wie sie mich so leicht durchschauen kann.
,,Ich bin nur müde", murmel ich als Ausrede und sie nickt unzufrieden, aber sie nimmt es hin.

,,Okay, dann lasse ich dich mal alleine", verkündet sie nach etwas Schweigen, steht auf und geht aus der Tür.
Ich folge ihr zur Haustür. Sie öffnet sie langsam und wendet sich dann zu mir um.
,,Es tut mir alles schrecklich leid. Gute Besserung, Nick", sie lächelt zu mir auf und gibt mir einen Kuss auf die Wange.
Wie benebelt bleibe ich stehen, als sie die Tür schließt und verschwunden ist.
Meine Wange prickelt, als würde meine Haut irgendwie auf ihre Berührungen reagieren.
Was macht sie nur mit mir?

DrunkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt