Wieder ist er auf dem Feld, ihm kommt alles so vertraut vor. Es ist kalt und auf dem nassen Gras ist es rutschig. Er sieht sich um, sucht nach ihr.
Dann sieht er sie in ihrem zerrissenen weißen Sommerkleid weglaufen. Er rennt ihr hinterher und sie dreht sich wimmernd um. Sie sieht ihn näher kommen und versucht, schneller zu werden, aber sie rutscht aus und fällt hin. Er erreicht sie und hält sie fest, sodass sie nicht wieder aufstehen kann.
Er dreht sie um, sodass sie ihn ansieht, dann greift er in seine Tasche. Er holt das Messer heraus und die Frau schreit.
Er sticht elf Mal zu.
Nicklas wachte auf und bekam keine Luft. Panisch suchte er mit den Händen seine Umgebung ab, bis er einen Lichtschalter fand. Es wurde hell und er erkannte, dass er im Internat war.
Er hatte ein Tuch im Mund und zerrte es raus. Jetzt bekam er auch wieder Luft und atmete tief durch. Offenbar hatte das Tuch seinen Schrei, beziehungsweise den der Frau, die er gerade erstochen hatte, erstickt, denn Jack und Luke schliefen tief und fest.
Nicklas warf einen Blick auf den Wecker, es war fünf Uhr. Jetzt konnte er sowieso nicht mehr einschlafen, also konnte er auch aufstehen.
Er knipste das Licht wieder aus, um die anderen nicht zuwecken und schlich aus dem Zimmer. Im Flur war es dunkel, aber die Bewegungsmelder schalteten die Lampen ein, sobald er ein paar Schritte gemacht hatte. Es war totenstill, Nicklas hörte nur seine eigenen Schritte auf dem Fußboden.
Er lief zu den Waschräumen, in denen er das Rauschen der Wasserleitungen hören konnte. Die Fliesen waren eiskalt und Nicklas begann zu frieren. Er fragte sich, warum er mitten in der Nacht, nur in Boxershorts und einem T-Shirt bekleidet durch das Internat lief.
Er spritzte sich Wasser ins Gesicht und betrachtete sich dann im Spiegel. Er sah blass aus und hatte dunkle Ringe unter den Augen.
Er schlüpfte unter die Dusche und während ihn das Wasser langsam aufwärmte, schloss er die Augen und versuchte er die Erinnerung an den Traum zu verdrängen, aber er lief noch einmal in seinem Kopf ab. Das war das erste Mal, dass er dasselbe zweimal geträumt hatte.
Als er die Augen wieder öffnete, bemerkte er, dass sich das Wasser am Boden leicht rot gefärbt hatte.
Erschrocken bemerkte er die Wunde an seinem Arm. Ein großer Kratzer verlief quer über sein Handgelenk. Zu seiner Erleichterung war die Wunde nicht besonders tief.
Er ließ das Wasser über seinen Arm laufen und stieg aus der Dusche. Er tupfte seinen Arm mit ein paar Papierhandtüchern ab und wickelte sich ein Handtuch um die Hüften, dann verließ er den Waschraum. Er machte sich auf den Weg zu seinem Zimmer und bemerkte gar nicht, dass es draußen mittlerweile hell geworden war.
"Nicklas!"
Jana und Susi standen ihm gegenüber, sie hatten Kulturtäschchen in der Hand und trugen noch ihre Schlafsachen.
"Hi!", Nicklas lächelte sie an und ging an ihnen vorbei in sein Zimmer.
Da war Jack gerade dabei, aufzustehen und Luke hatte sich die Bettdecke über den Kopf gezogen.
Nicklas sah auf die Uhr, es war schon sieben Uhr. Hatte er wirklich zwei Stunden geduscht?
"Mann! Nimmst du mich mal mit zum Trainieren?", meinte Luke plötzlich, der jetzt seine Decke zur Seite warf und auf Nicklas' trainierten Oberkörper zeigte.
"Ich hab gar nicht bemerkt, wie du aufgestanden bist", meinte Jack und Nicklas zuckte mit den Schultern. Er ging zu seinem Schrank und zog sich an, ein weißes T-Shirt und Jeans.
Während Jack und Luke in den Waschräumen waren, untersuchte Nicklas sein Bett und das Nachtschränkchen auf eventuelle Verletzungsgefahren, konnte aber weder scharfe Kanten noch andere Dinge, die ihm diese Wunde zugefügt haben könnten, finden.
Als er mit Jack, Luke, Susi und Jana beim Frühstück saß, kam Kaithy zu ihnen an den Tisch und säuselte: "Darf ich Nicki kurz entführen?"
Nicklas schnaubte, er hasste es wenn sie ihn so nannte, vorallem vor seinen Freunden.
Trotzdem folgte er seiner Schwester zu einem Tisch, an dem bereits JP saß.
"Mum besteht darauf, dass wir gemeinsam frühstücken", erklärte JP. "Ich hatte nicht vor, das zutun, aber Kaithy will uns verpfeifen, wenn wir das nicht machen und Mum hat damit gedroht, meinen Wagen wegzunehmen. Also werden wir jetzt jeden Tag einmal zusammen essen!"
Nicklas verdrehte die Augen und setzte sich zu seinen Geschwistern.
Erst aßen sie eine Weile schweigend, dann meinte Kaithy: "Nicklas, ich will wirklich nicht nerven, aber sagst du mir jetzt endich, warum du zum Psy-"
Sie konnte den Satz nicht zuende sprechen, da stand Nicklas schon abrupt auf, ließ sein Frühstück stehen und ging weg.
Konnte Kaithy wirklich an nichts anderes mehr denken? Nicklas beschloss, dass er ihr für die nächsten Tage aus dem Weg gehen würde.
Zehn Minuten später betrat er mit den anderen den Klassenraum und der Lehrer, der komischerweise schon da war, was die anderen aber nicht zu wundern schien, stellte sich ihm vor und meinte dann: "Setz dich doch dort zu Michelle!"
Nicklas ging zu dem ihm zugewiesenen Platz und lächelte Michelle freundlich an.
Die musterte ihn von oben bis unten, dann erwiderte sie das Lächeln.
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Nightmare
Teen FictionNicklas ist gerade mit seiner Familie aus London in eine Kleinstadt in Deutschland gezogen und geht dort auf ein Internat. Er wirkt wie ein ganz normaler Teenager, aber hat ein Geheimnis. Jede Nacht plagen ihn schreckliche Albträume, für die nieman...