Nightmare

33

Der Anwalt redete mit Nicklas, aber Nicklas hörte ihm nicht zu. Er hatte doch sowieso schon gestanden. Okay, der Anwalt hatte ihm geraten zu schweigen, aber Nicklas wollte endlich, dass es vorbei war.

Jetzt ging die Tür auf und seine Familie betrat den Raum. Melissa weinte und drückte ihn, Michael sah ihn fragend an. Sein Blick war eindeutig. Hat mein Sohn das wirklich getan?

Nicklas sah ihnen nicht in die Augen. Er hatte der Polizei genau gesagt, wie Nicklas2 andauernd die Kontrolle übernahm, aber er wusste selbst, wie bescheuert das klang und die Polizisten hielten ihn nun entweder für verrückt oder sie glaubten, dass er log. Wie auch immer, er hatte gestanden und das genügte ihnen.

Während sein Anwalt mit seinen Eltern diskutierte, kam Kaithy zu Nicklas.

"Nicki? Was hast du gemacht?"

Aber Nicklas starrte nur auf die Tischplatte und schwieg.

Kaithy redete weiter: "Du hast das doch gar nicht getan, willst du irgendjemanden decken? Das ist keine gute Idee, Nicki! Sie werden dich einsperren! Du musst die Wahrheit sagen!"

"Ich habe ihnen die Wahrheit gesagt!", meinte Nicklas, "Ich bin ein durchgedrehter Psychopath!"

"Das bist du nicht!", erwiderte Kaithy, "Du bist kein Mörder!"

"Doch! Ich habe sie alle umgebracht, okay? Diese Frau habe ich im Feld erstochen und Luke, Michelle und ihre Freundin in der Schule. Und Dr. Adlers Sekretärin habe ich mit der Lampe angegriffen, mit der ich Nicole erschlagen habe!"

Daraufhin wurde es plötzlich still im Raum. Kaithy starrte Nicklas immer noch an und versuchte in seinen Augen zu erkennen, ob er die Wahrheit sagte. JP sagte immer noch nichts und Nicklas' Eltern sahen ihn geschockt an.

"Nicki! Warum?", brachte Melissa hervor und Nicklas ließ den Kopf in seine Hände sinken.

Aus dem Augenwinkel sah er den Polizisten, der in der Tür stand und ihn angewidert ansah. Und Nicklas2 machte das wütend. Er sprang blitzschnell auf und stürzte sich auf den Polizisten. Doch als Nicklas2 auf ihn einschlagen wollte, gewann Nicklas1 wieder die Oberhand und hielt ihn auf. Er hatte jetzt keine andere Wahl. Er rannte aus dem Raum und wich den Leuten auf dem Präsidium geschickt aus. Alle sahen ihm erschrocken hinterher und der Polizist, den er gerade angegriffen hatte, brüllte: "Haltet den Jungen auf!"

Aber Nicklas war schon an der Tür und sprintete weiter.

Er bekämpfte Nicklas2, der schon wieder jemanden angreifen wollte. Nicklas spürte das Verlangen in sich aufsteigen und wäre beinahe stehen geblieben, aber er schaffte es weiterzulaufen, indem er an Jana dachte.

Seit Nicklas in Deutschland wohnte, war er mehrmals mit seinen Freunden in der Stadt gewesen und wusste nun, dass er, wenn er vom Polizeipräsidium kam, rechts abbiegen und dann etwa vierhundert Meter gerade aus laufen musste, bis er wieder links abbog und die Brücke erreichte. Dieselbe Autobahnbrücke, auf der er schon einmal versucht hatte sich das Leben zu nehmen. Aber diesmal würde nicht Berndt kommen, um ihn aufzuhalten. Und auch Nicklas2 würde diesmal nicht die Kontrolle übernehmen. Denn diesmal war Nicklas' Wille, den falschen Nicklas aufzuhalten, zu stark.

Er zögerte nicht lange, sondern kletterte sofort über das Geländer. Er atmete noch einmal tief durch. Die letzten Atemzüge seines Lebens. Aber auch die letzten Atemzüge von Nicklas2. Und das war gut so.

Nicklas dachte noch einmal an all die Leute, von denen er geträumt hatte. Er hatte von Jana geträumt, weil Nicklas2 ihm offenbar eine Botschaft hatte senden wollen. Nicklas hatte die Botschaft verstanden und gehandelt. Als Nicklas2 Jana entführt hatte, hatte Nicklas1 ihn daran gehindert, ihr etwas anzutun. Und das würde er jetzt auch tun. Endgültig.

Er fragte sich, warum er nie etwas von dem zweiten Nicklas mitbekommen hatte, als er noch nicht wusste, dass er existierte.

Als Nicklas noch einen letzten Blick zur Seite warf, sah er einen Polizeiwagen auf ihn zu rasen.

Also schloss er die Augen und öffnete seine Hände. Er schwankte kurz, dann fiel er nach vorne. Schwarz. Ein Knall. Noch mehr schwarz.

Ende ...?