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Jana beobachtete Nicklas, während sie liefen. Sie fühlte sich ganz und gar nicht wohl, Nicklas wirkte vollkommen durcheinander, mal ballte er die Hände zu Fäusten, mal war er total entspannt.

Aber Jana traute sich nicht etwas zu sagen. Nicklas war so anders, er war noch nie so wie jetzt gewesen.

Es war schon dunkel, als sie endlich einen verlassenen Campingplatz erreichten und anhielten. Jana wusste nicht, was sie davon halten sollte. Wollte Nicklas jetzt etwa wirklich abhauen? Er konnte doch nicht einfach auf der Straße, beziehungsweise im Wald leben.

Jana schlug vor zurückzugehen, aber darauf reagierte er so panisch, dass sie nicht weiter darüber sprach.

Nicklas lief über den Campingplatz und Jana setzte sich auf eine nasse Bank. Sie holte ihr Handy hervor und bemerkte, dass sie Nachrichten von Susi und Jack hatte.

Beide wollten wissen, wo sie sei und Susi fragte, was Nicklas gesagt hatte.

Jana wollte gerade eine Antwort tippen, da bemerkte sie eine Meldung im Nachrichtenfeld.

Fünfzehnjährige Teenager vermisst

Sie wollte darauf klicken und mehr erfahren, aber da kam Nicklas wieder und sie hatte das Bedürfnis, ihr Handy schnell wieder zu verstecken.

Nicklas hatte einen leeren Wohnwagen gefunden, in dem noch kein Schimmel war, also verbrachten sie die Nacht dort. Sie redeten über belanglose Dinge, aber bald schlief Jana schon ein. Sie wusste nicht, warum sie das hier mitmachte, aber aus unerfindlichen Gründen wollte sie bei Nicklas bleiben und ihm nicht widersprechen. Wenn die Mörder von Luke wirklich hinter ihm her waren, dann war es selbstverständlich, dass er völlig durch den Wind war. Morgen würde es ihm vielleicht schon besser gehen, sodass er klar denken konnte, dann konnte Jana noch einmal vernünftig mit ihm reden. Dann würden sie zurückgehen und der Polizei alles erzählen.

Aber als Jana am nächsten Morgen aufwachte, war von Nicklas nichts zu sehen. Sie spähte aus dem Fenster des Wohnwagens,aber sie konnte nur den matschigen Boden, einen kaputten Klappstuhl und ein bisschen Nebel sehen. Da fielen ihr die Nachrichten von Susi und Jack wieder ein und sie holte ihr Handy erneut heraus.

Jetzt gab es eine erneute Anzeige und sie tippte darauf.Die Homepage eines Nachrichtensenders öffnete sich und zeigte ein Bild von Nicklas und eines von ihr.

Fünfzehnjähriger Junge auf der Flucht

Hat Mädchen als Geisel genommen

Steht unter Verdacht mehrere Personen ermordet zu haben

Jana starrte entsetzt auf den Bildschirm.

Hatte Nicklas jemanden umgebracht? Deshalb hatte er gesagt, er sei ein Monster und sie solle abhauen. Aber warum hatte er das gesagt und dann doch gewollt, dass sie mit ihm kommt?

Plötzlich wurde Jana schlecht. Hatte Nicklas etwa Luke umgebracht???

Jana bekam Angst. Sie versuchte zwar sich einzureden, dass das alles nur ein Missverständnis sei, aber dieses ungute Gefühl blieb. Plötzlich ergab es auch einen Sinn, dass Nicklas so ein Theater gemacht hatte, als Jack wissen wollte wo er gewesen ist, als Luke erstochen wurde. Wahrscheinlich war er gar nicht bei seiner Psychologin gewesen.

Nicklas hatte gesagt, er hätte Albträume von Verbrechen gehabt, aber vielleicht waren die real.

Er brachte die Leute wirklich um. Er hatte sie angelogen. Und jetzt war sie hier auf dem Campingplatz mit ihm. Allein. Nur mit ihm. Auf dem verlassenen Campingplatz! Wo nie jemand hinkam.

Wenn er sie hier umbringen würde, dann würde ihre Leiche nie gefunden werden! 

Quatsch, Jana! Das war doch bloß Nicklas. Er konnte doch niemanden umbringen!

Aber als Jana plötzlich Nicklas vor dem Wohnwagen sah, tippte sie eine Sms an Susi und Jack.

Bin mit Nicklas auf dem alten Campingplatz im Wald. HILFE

Dann steckte sie ihr Handy in ihre Hosentasche und legte sich wieder hin. Sie tat, als ob sie schliefe, als Nicklas reinkam.

"Ich weiß, dass du wach bist", meinte Nicklas aber und Jana lief ein kalter Schauer über den Rücken. Warum hatte sie plötzlich eine solche Angst vor ihrem Freund?

"Was machen wir denn jetzt?", fragte sie vorsichtig und Nicklas zuckte mit den Schultern.

"Nicklas will zurück", murmelte er plötzlich und Jana runzelte die Stirn. Seit wann sprach Nicklas in der dritten Person von sich?

"Dann sollten wir zurück gehen", meinte Jana, aber Nicklas schüttelte den Kopf.

"Ich will hierbleiben."

"Du hast doch gerade gesagt, dass du zurück willst!"

Darauf antwortete er nicht mehr. Jana knibbelte nervös an ihrem Armband. Nicklas ging wieder nach draußen und Jana hörte, wie er redete. Aber er hatte weder ein Handy in der Hand, noch stand dort irgendjemand, der ihm hätte antworten können. Jana schlich sich zur Tür und hörte, wie er sagte: "Geh weg! Lass mich in Frieden und lass Jana in Ruhe!"

Er musste irgendwelche Drogen genommen haben, denn auch alles andere was er sagte, ergab keinen Sinn. Er laberte nur Mist.

Jana schob langsam die Tür zu und schloss sie dann blitzschnell von innen ab.

Susi hatte geantwortet.

Halt durch, die Polizei kommt!

Jana stellte fest, dass sie weinte. Was hatte Nicklas bloß getan?

Er kam jetzt zur Tür des Wohnwagens und klopfte.

"Jana? Was ist? Lass mich rein!"

Aber Jana antwortete nicht. Sie lehnte sich weinend gegen die Tür und hoffte, dass es bald vorbei sein würde.

Sie vermutete, dass Nicklas unter Drogen etwas getan hatte, was er jetzt bereute.

Aber fliehen war doch keine Lösung! Und er war wohl immer noch high.

Nicklas bat Jana noch eine weitere Minute lang ihn hereinzulassen, dann wurde es still. Jana sah verwirrt aus dem Fenster, da stand Nicklas plötzlich direkt davor und sah sie an.

Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte Jana, dass er sie böse anfunkelte, aber dann spiegelte sein Gesicht nur Verwirrung und Trauer wieder.

"Jana, bitte! Jetzt lass mich doch endlich rein!"

Aber Jana schüttelte langsam den Kopf.

Da gab Nicklas auf und setzte sich einfach vor die Tür. Selbst als die Polizeisirenen ertönten und Polizisten mit gezückten Waffen auf ihn zu gerannt kamen. Jana fühlte sich, als sei sie in einem Film gefangen, sie konnte nicht fassen was da gerade geschah.

Nicklas ließ sich widerstandslos festnehmen, sein Blick war leer und seine Miene ausdruckslos.

Jana zuckte zusammen, als ein Polizist gegen die Scheibe klopfte und sie aufforderte, die Tür aufzusperren.

Als sie seinem Befehl gehorchte, sprang ein weiterer Polizist in den Wohnwagen und suchte nach weiteren Personen. Eine Polizistin half Jana auszusteigen und gab ihr eine Wolldecke.

"Es ist vorbei, du bist in Sicherheit!"

Jana stieß die Decke weg. In Filmen wurden den Opfern auch immer Decken gegeben, obwohl es weder kalt noch nass war.

"Was machen sie mit ihm?", fragte Jana die Polizistin und diese erklärte: "Er wird verhört und wenn er gesteht ... ich weiß es nicht. Jana, er hat schwere Straftaten begangen, dafür gibt es genügend Beweise. Und auch einen Zeugen!"

"Was für ein Zeuge?"

"Das darf ich dir nicht verraten, bevor alles geklärt ist, aber jetzt komm erst einmal mit, deine Eltern machen sich Sorgen."

NightmareWo Geschichten leben. Entdecke jetzt