"Ich fasse es einfach nicht!", rief Michelle und warf dabei die Hände in die Luft.
"So ein Idiot!", schimpfte auch ihre Freundin.
"Was denkt er eigentlich, wer er ist?", Michelle fuhr sich durch die Haare.
Nicklas schlich immer näher an sie heran und blieb hinter dem letzten Busch stehen. So war er nur noch einen Meter von den Mädchen entfernt, aber sie konnten ihn nicht sehen.
Wie immer konnte Nicklas seinen Traum nicht steuern, aber er überlegte, warum er die Mädchen belauschte.
Offenbar hatte Michelle herausgefunden, dass er Jana geküsst hatte. Eben waren sie noch bei ihrem Date gewesen und dann kam ihre Freundin und zeigte ihr das Foto.
Die Laternen auf dem Schulhof waren noch an, aber um Mitternacht schalteten sie sich normalerweise ab. Das war gleich. Die Mädchen standen außerdem auf der Rückseite des Schulgebäudes.
Warum dachte er darüber nach? Er wusste es nicht.
"Ich weiß wirklich nicht, warum er das tut. Er hat doch mich!", Michelles Stimme klang wütend, aber wenn man genau hinhörte, bemerkte man die Trauer und Verzweiflung darin.
Gleich war es soweit. Mitternacht. In drei, zwei, eins ...
Die Laternen flackerten kurz, dann wurde es dunkel auf dem Schulgelände.
"Mist, wir sollten reingehen", flüsterte Michelles Freundin, aber Nicklas dachte: Daraus wird nichts!
Er erschrak selbst über diesen Gedanken und lief plötzlich los. Er hatte das Messer in der Hand und rammte es Michelle von hinten in den Rücken.
Diese sank langsam zu Boden und ihre Freundin schrie auf. Aber sofort war Nicklas bei ihr und stach ihr in die Brust. Ihr Schrei erstickte und sie sackte ebenfalls zu Boden.
Er drehte sich zu Michelle um und sah ihr ins Gesicht.
Sie starrte ihn an, Tränen liefen über ihre Wangen und sie röchelte: "Nicklas? Warum???"
Dann fiel ihr Kopf zurück und ihr Blick wurde leer.
Nicklas starrte entsetzt auf das Messer in seinen Händen.
Als Nicklas die Augen aufschlug, lag er nicht in seinem Bett. Er lag auf dem Schulhof, die Laternen waren schon aus.
Als er sich aufrichtete, spürte er etwas Kühles in seiner Hand. Es war ein blutiges Messer. Und neben ihm lagen die Leichen der beiden Mädchen.
Das musste noch der Traum sein, aber warum wachte er nicht auf? Er hatte noch nie geträumt, dass er aufgewacht war. Die Träume waren zwar immer sehr realistisch gewesen, aber noch nie hatte er steuern können was er tat. Oder die Person, aus deren Sicht er alles sah. Jetzt konnte er seine Arme und Beine selbst kontrollieren und klar denken. Niemand anderes entschied was er tat und was nicht.
Warum wachte er nicht auf?
Warum?
Nicklas lief ratlos neben den beiden Leichen her, er musste aufwachen, bevor die beiden wirklich umgebracht wurden. Er musste den Mord verhindern!
In den anderen Träumen hatte er das Messer manchmal noch versteckt.
Vielleicht musste er das jetzt auch tun. Er legte das Messer hinter einen Busch und ging ein paar Schritte zurück. Aber nichts geschah.
Auch ein paar weitere Verstecke auf dem Schulhof funktionierten nicht. Vielleicht musste er es in den Baumstumpf im Wald tun, wie sonst auch.
Nicklas rannte los, auf dem Weg begegnete ihm niemand. Nicht ein Auto fuhr über die Straße, aber das war hier nicht ungewöhnlich.
Seine Schritte hallten durch die Gassen, er bemerkte, dass das Messer tropfte, also wischte er es an seiner Jacke ab, ohne dabei anzuhalten. Völlig außer Atem erreichte er schließlich den Wald.
Hier war es noch dunkler als in der Stadt und überall hingen ihm Äste im Weg, die wie Arme nach ihm griffen um ihn zu packen und für immer festzuhalten.
Nicklas schlug die Äste zur Seite und kämpfte sich weiter, bis er zu der Stelle mit dem Baumstumpf kam. Er sah das Messer noch einen Moment lang an, wischte dann noch einmal mit dem Ärmel darüber und warf es in den Stumpf.
Dann stand er minutenlang da, ohne sich zu bewegen. Er hatte die Augen geschlossen und wartete darauf, dass er endlich aus diesem Albtraum erwachte. Aber es passierte einfach nichts, er stand immer noch im Wald. Wütend schrie er auf und trat gegen einen Baum. Plötzlich wurde alles schwarz.
Nicklas spürte plötzlich seine Matratze unter sich, er lag wieder in seinem Bett in seinem Zimmer im Internat. Endlich!
Er betastete die Matratze noch einmal, um sich zu vergewissern, dass sie wirklich da war, erst dann traute er sich die Augen zu öffnen. Er setzte sich erschrocken auf, es war schon hell! Sein Wecker zeigte halb Acht an.
"Scheiße!", fluchte er und Jacks Stimme ertönte von der Tür: "Ich dachte, du seist schon längst wach. Beeil dich doch mal, wir kommen zu spät!"
Nicklas sprang auf und zog sich an.
Jack hetzte ihn, er konnte nur kurz in die Mensa flitzen und sich ein Brötchen holen, dann mussten sie schon zu ihrem Klassenraum.
Als der Lehrer kam, schaute Nicklas sich nervös um. Michelle und ihre Freundin waren nicht da.
Er wollte am liebsten aufspringen und sofort nach ihnen suchen, aber eine andere Freundin von Michelle meinte, dass es der Freundin so schlecht ginge und Michelle bei ihr geblieben sei.
"Alles okay?", fragte Jana besorgt und er zuckte zusammen. Er fühlte sich schrecklich müde.
Doch als Michelle nach der sechsten Stunde immer noch nicht aufgetaucht war, ging Nicklas zu ihrer Freundin und wollte wissen, wo sie sei.
"Keine Ahnung, ich habe sie heute noch nicht gesehen", meinte diese.
"Aber du hast doch gesagt -", begann Jana, aber sie unterbrach sie sofort wieder: "Das war gelogen. Ich habe die beiden doch nur gedeckt, wahrscheinlich schwänzen sie heute."
Sie klang ein bisschen angepisst, weil sie offenbar nicht zum Schwänzen eingeladen worden war.
Eigentlich hatten sie jetzt eine Freistunde und dann noch zwei Stunden Unterricht, aber Nicklas meinte zu Jana: "Ich muss weg, okay? Sag einfach mir ginge es auch nicht gut!"
Bevor Jana noch etwas sagen konnte, rannte er schon weg.
Er musste jetzt endlich Michelle finden!
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Nightmare
Teen FictionNicklas ist gerade mit seiner Familie aus London in eine Kleinstadt in Deutschland gezogen und geht dort auf ein Internat. Er wirkt wie ein ganz normaler Teenager, aber hat ein Geheimnis. Jede Nacht plagen ihn schreckliche Albträume, für die nieman...