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Gott sei dank habe ich mir die Haare mit dem Föhn getrocknet. Ich bin mir sicher, dass sie sonst wie ein orangener Pompon gewesen wären, wenn ich auf die Dachterrasse gekommen wäre

"Thiago?", frage ich, während ich herumgehe und überall hinschaue. Der Himmel ist schon dunkel und dank der Jahreszeit, die wir gerade haben wolkenlos und voller Sterne.

"Clara?"

Ich fahre erschreckt in die Höhe und beginne überall hin zu schauen. Bei einer Mauer, die mein Gebäude von den übrigen trennt, erscheint eine Hand und winkt mir zu.

"Ich bin hier."

Ich lache.

"Ach komm, ich fühle mich dumm. Ich wusste das nicht."

Ich lache wieder, so sehr wie nie, weil ich mich wirklich dumm fühle. Wir hätten schon die ganze Zeit auf die Terrasse hochgehen können. Gut, ich belasse es lieber dabei, weil es mit dem Badezimmerfenster schon seltsam genug ist als dass wir die Terrassenmauer hinzufügen müssten, die unsere Häuser trennt.

"Nimm das mal einen Moment", sagt er und reicht mir zwei Flaschen.

"Eistee und Bier? Hä?"

"Der Tee ist für dich, das Bier für mich."

Ich runzle die Stirn. Es ist nicht so, dass ich Bier will, aber warum er Bier und ich Eistee? Er wird doch kein Sexist sein, oder? Ich höre auf, mir den Kopf über das Bier zu zerbrechen, als ich höre, dass er auf der anderen Seite zu rennen beginnt, springt und die Mauer erklimmt.

"Oh mein Gott ... aber was machst du da?"

Er hat die Mauer erklommen und mit einem Satz landet er auf meiner Terrasse. Ich schaue ihn von Kopf bis Fuß an und kontrolliere, dass ihm nichts fehlt und er lächelt mich ruhig an.

"Überrascht?"

"Gott... bist du jetzt auch Spiderman?"

Er lacht und nimmt die Flaschen aus meinen Händen.

"Hör auf zu denken, dass ich ein Superheld bin, Clara."

"Was? Nein! Ich habe das nicht in diesem Sinn gemeint!"

"Schon klar. Und was war damit, als du mich mit dem Man of Steel verglichen hast?"

Ich werde rot. Ich bin mir sicher, dass ich gerade sehr rot geworden bin.

"Woher weißt du das?"

Er hebt das Bier hoch und gibt mir den Eistee.

"Du hast dich betrunken, erinnerst du dich nicht daran?"

Oh, Mutter. Oh Mutter, dass ich das mit ihm so verbockt habe... er hat mich betrunken gesehen?

"Dein Gesicht sagt mir, dass du dich nicht einmal mehr daran erinnerst, wie du gerade heißt."

Er lacht.

"Ich fasse es dir zusammen: Bar, du, viele Bier, ich, eine Pfeffermühle, eine Theke und viele Lieder."

Ich runzle die Stirn. Ich habe nichts verstanden. Aber wirklich überhaupt nichts.

"Was?"

"Ist egal. Du sollst nur wissen, dass ich verstanden habe, dass ich laut dir dem Man of Steel ähnle."

Ich beiße mir auf die Lippe und bedecke meinen Mund mit einer Hand. Wie peinlich!

"Oh mein Gott, und was hast du sonst noch verstanden?"

Er lächelt mich an.

"Hast du Höhenangst, Clara?"

Ich schaue verstohlen zur Mauer, die im anderen Teil der Terrasse ist. Sie liegt in der Richtung der Straße.

"Nein."

"Gut."

Er reicht mir eine Hand und ich nehme sie ein bisschen verlegen. Er hilft mir auf die andere Seite und wir setzen uns auf die Mauer, auf die, bei der man auf die Straße sieht. Unter uns gibt es nur noch einen vierzig Zentimeter breiten Absatz. Er ist das einzige, das uns retten kann, wenn wir hinuntergleiten.

"Schau", sagt er, trinkt einen Schluck aus seinem Bier und deutet nach unten.

"Die Stadt liegt dir zu Füßen, Clara."

Ich reiße die Augen bei seinen Worten auf und meine Kehle wird ganz trocken. Er lächelt mich an und bietet an, meinen Tee zu öffnen. Ich schüttle den Kopf und öffne ihn selber.

"Es ist fantastisch", sage ich während ich auch aus meinem Tee trinke und schaue auf die Stadt zu meinen Füßen. Es ist beeindruckend! Die Autos fahren hin und her, die Straßenlaternen beleuchten die Straßen, Leute laufen auf dem Gehweg, und obwohl es Nacht ist, gibt es Leute auf den Straßen.

"Es ist unglebar."

Ich ziehe eine Augenbraue hoch und schaue ihn an.

"Das existiert nicht."

"Natürlich existiert es, du hast es mir beigebracht."

Ich lache. Oh Gott. Ich glaub, dass ich mich jetzt an nichts mehr erinnern will. Unglebar? Heiliges unschuldiges Lamm! Welch Ohrenschmerz! Und ich spreche lieber nicht davon, was meine Sprachlehrerin gesagt hätte, wenn sie mich gehört hätte.

"Darf man wissen, warum du so ein linguistisches Übel gesagt hast?"

Er schaut mich an.

"Ich habe dich nach mir gefragt und du hast das gesagt."

Ich glaube, dass der Tee in meinem Hals stecken bleibt und ich höre auf zu atmen. Oh, oh. Was habe ich sonst noch gesagt, als ich betrunken war?

Der Junge aus dem Badezimmerfenster || wird nicht beendetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt