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Ich gehe lieber die Treppe hinauf, nicht dass das Glück des Dorfes schlecht ist und mich zehn Stunden im Aufzug eingeschlossen lässt. Ich komme im gefragten Stock an und reibe mir beim Anblick der halboffenen Tür vor mir die Hände.

"Hallo? Kann ich reinkommen?", frage ich und stoße die Tür nach und nach auf, um sie ganz aufzumachen.

Ich höre Schritte und sehe in der Sekunde Thiago wie er durch den Flur auf mich zuläuft. Das bisschen, das ich vom Haus schon gesehen habe, hat auf mich sehr schön gewirkt, aber ich habe noch nicht gesehen, wie wundervoll seine Wohnung ist.

"Komm rein, komm rein."

"Danke", sage ich, er schließt die Tür hinter mir und ich fühle, wie die Luft stickig wird und es fast unbehaglich wird.

"Ähm... Thiago, ich..."

"Clara", unterbricht er mich, ich schaue ihm in die Augen. Tolle Augen! Nicht einmal meine sind so blau wie seine. Das sind sie, wenn aber auch nur ein wenig.

"Ja?"

"Da ist etwas, das du wissen musst..."

Er ist schwul. Oh, heiliger Jesus, er ist sicher schwul. Oh mein Gott ... oh mein Gott ... das bedeutet, dass... oh, bei allen Aposteln, wie peinlich!

"Was... was... was denn?", schaffe ich es ihn zu fragen. Er streckt einen Arm aus, um mir zu zeigen, dass ich ihm folgen soll. Das mache ich. Ich laufe wie ein Roboter in sein Wohnzimmer und bei jedem weiteren Schritt höre ich nicht auf zu staunen, wie modern seine Wohnung ist.

"Schau...", beginnt er. Ich drehe mich, um ihn anzuschauen.

"Clara", ruft mich eine andere Stimme und lässt mich auffahren. Ich drehe mich um, um einen weiteren Thiago zu sehen. Es gibt zwei! Es gibt zwei, heilige jungfräuliche Mutter Maria! Ich schaue beide an und verbessere mich sofort. Es gibt verschiedene Unterschiede. Ich betone: verschiedene Unterschiede. Der erste: er hat Tatoos. Der zweite: er sieht sehr viel kleiner aus, aber wirklich sehr viel kleiner. Der dritte: er sieht sehr viel kleiner aus, weil er in einem Rollstuhl sitzt.

"Was... was... aber... was?"

Ich beginne zu stottern, höre aber nicht auf, Thiago 1 und Thiago 2 im Rollstuhl anzuschauen.

"Was... was ist hier passiert? Hast du einen Zwilling, Thiago?", frage ich Thiago Nummer 1. Er nickt.

"Ich bin nicht Thiago. Ich bin Thaddeus, der Zwillingsbruder von Thiago. Er ist Thiago."

Ich reiße meine Augen wie nie zuvor in meinem Leben auf und drehe meinen Kopf langsam hin und her bis ich den tätowierten, gutaussehenden Jungen mit den blauen Augen und den schwarzen Haaren sehe, der im Rollstuhl sitzt und die zweite Möglichkeit für die Rolle des Man of Steel ist. Er ist Thiago? Mein Thiago? Wieso fühle ich jetzt, dass mein Herz zerbricht? Wieso fühle ich, dass sich mein Gehirn im Moment um meine Beine dreht?

"Thi... Thiago?", frage ich ihn fast lautlos und Tränen in den Augen.

"Hallo Clara."

Ich lächle. Ich weiß nicht, ob ich das mache, weil mein Gehirn gerade auf der Höhe meiner Beine ist, aber ich glaube, dass seine Stimme in der Realität anders klingt. In einem ersten Moment schien es mir so als ob die Stimme von Thiago die gleiche gewesen ist wie die, die ich immer aus dem Fenster gehört habe, aber jetzt glaube ich, dass ich komplett verwirrt bin. Eine Tür öffnet sich auf einen Schlag und ein sehr gepflegtes Mädchen erscheint, das seinem Aussehen nach bereit ist, auszugehen. Sie schaut uns alle an und ihr Blick bleibt bei mir stehen, genauer gesagt auf meinen tränengefüllten Augen und dann schaut sie die beiden Brüder an.

"Aber was...?"

Der Junge aus dem Badezimmerfenster || wird nicht beendetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt