Sie presste den Verband auf die Stirn und versuchte gleichzeitig, den Verkehr im Auge zu behalten. Sie hatte es verständlicherweise eilig und musste dennoch vorsichtig fahren, denn Niall lag unangeschnallt auf dem Beifahrersitz.
Innerhalb einer Woche war sie schon wieder unterwegs in Richtung Notaufnahme.„Neben der Tür, die häufigste Ausrede...“
Sie hatte die Worte des Doktors noch im Ohr. Was würde er sagen, wenn sie genau mit dieser Geschichte zu ihm kam? Aber es war keine Geschichte, es war die Wahrheit. Es war so, also hätte Niall die offen stehende Tür gar nicht gesehen.
Es war der erste Morgen gewesen, an dem er seinen Arm nicht mehr erwähnt hatte. Die Stelle war zwar noch grün und gelb, ganz wie der Doktor gesagt hatte, aber sie schien nicht mehr weh zu tun.Vor der Notaufnahme kam sie zum Stehen. Sie nahm sich kaum die Zeit, den Türöffner zu betätigen und schon stürmte sie, mit dem Sohn auf dem Arm, durch die sich viel zu langsam öffnende Tür.
Die Schwester hinter dem Tresen sah sie misstrauisch an, setzte dann aber ihr professionelles Gesicht auf.„Was haben wir da?“
„Platzwunde an der Stirn.“
„Eine Tür, nehme ich an?“
„Ja, aber das ist nicht so wichtig. Ich brauche einen Arzt.“
„Sobald einer frei ist, wird er sich um Ihren Sohn kümmern. Füllen Sie erst einmal das Formular hier aus.“
Sie sah die Schwester entgeistert an.
„Das ist ja wohl nicht ihr Ernst!“
Mühsam beherrschte sie ihre Stimme. Am liebsten hätte sie losgeschrien. Den weinenden Sohn auf dem Arm, eine Hand umklammerte die schmalen Schultern, die andere hielt die Kompresse. Wie sollte sie da ein blödes Formular ausfüllen?
„Hier muss alles seine Ordnung haben, also bitte, das Formular...“
Ihre Beherrschung war dahin und sie schrie die arrogante Schwester an, dass ihr Sohn zusammenzuckte. Diese schien nicht beeindruckt zu sein.
„Wenn Sie sich nicht benehmen können, muss ich Sie auffordern, dieses Gebäude zu verlassen.“
Hätte sie eine Hand frei gehabt, dann hätte sie die Schwester geohrfeigt. Sie atmete heftig. Jeder, der sie kannte, wäre einen Schritt zurückgewichen, oder hätte sich gleich in Sicherheit gebracht. Es kam nicht häufig vor, dass sie explodierte, aber wenn sie es tat, dann mit der Wucht einer Megatonnenbombe. Sie holte gerade Luft, um der Schwester eine Antwort an den Kopf zu knallen, als ein weißer Kittel auf sie zukam.
„Was ist denn hier los?“
„Diese Frau macht Schwierigkeiten und will das Formular nicht ausfüllen.“
Dabei deutete sie auf Niall und seine Mutter.
Der Arzt zog die Augenbrauen hoch und wandte sich den beiden zu. Im selben Augenblick erkannte der Arzt sie wieder und auch Nialls Mutter erkannte den Arzt, der ihnen schon letzte Woche geholfen hatte.„Niall, Mrs Horan! Was ist geschehen?“
Dann wandte er sich an die Schwester.
„Wir unterhalten uns später!“
Die Angesprochene presste die Lippen aufeinander, erwiderte aber nichts.
Mit zwei schnellen Schritten war der Arzt bei Niall.„Hallo, Niall! Zeige mal, was du da hast.“
Niall schien den freundlichen Doktor auch wiederzuerkennen und ließ sich bereitwillig untersuchen.
Nialls Mutter sah ihm zu, dabei flüsterte sie:„Eine Tür. Ich schwöre es. Es mag unglaubwürdig klingen, doch es war eine Tür.“
„Ich sehe es. Können Sie ihn noch bis zum Behandlungszimmer tragen, oder soll ich einen Pfleger rufen?“
„Ich trage ihn, wohin Sie wollen. Und sei es bis ans Ende der Welt.“
„Dann kommen Sie...“
Er eilte voraus und sie folgte ihm hart auf den Fersen.
DU LIEST GERADE
Feel With The Hearts
FanfictionNiall ist das gewünschte, über alles geliebte Kind der Familie Horan. Alles verläuft wie im Märchen, das Glück ist vollkommen, doch dann bekommen die Eltern eine niederschmetternde Diagnose: Niall wird erblinden. Doch aus Asche wird Feuer geschlag...