Mrs Horan beäugte ihren Besuch neugierig. Mr und Mrs Green hatten so gar nichts von dem Klischee, welches man mit Anwälten verband, an sich. Beide trugen Jeans und T-Shirt. Mrs Green hatte die Haare lang und offen. Die leichten Wellen verrieten, dass sie sonst ihre Haare wohl hochgesteckt trug. Mr. Green blinzelte leicht hinter einer modischen Brille. Sein Vollbart war ordentlich gestutzt und mit ein paar grauen Strähnen versetzt. Das machte ihn interessant, dennoch fehlte Nialls Mutter der Anzug, das Kostüm und die schwere Aktentasche aus teurem Leder. Stattdessen trug Linis Vater eine abgewetzte Tasche, die so aussah, als diente sie ihm bereits als Schultasche.
Sie hatte ihre Gäste auf die Sitzecke im Wohnzimmer verfrachtet und sie mit Getränken versorgt. Lini, die sich nicht hatte nehmen lassen mitzukommen, nippte gerade an ihrem Wasser.
„Sie sagten, Sie wären wegen Nialls Vertrag gekommen“,
begann Mr Horan das Gespräch. Er war von der Nachricht bei seiner Ankunft überrascht worden.
„Das ist richtig. Aber wir wollten auch Linis neue... Bekanntschaft kennenlernen. Sie hat uns heute Morgen damit überfallen, als wir gerade das Haus verlassen wollten. Da wir nicht viel Zeit hatten, haben wir wohl nur die Hälfte von dem verstanden, was sie uns sagte. Dennoch – sie kann sehr... überzeugend sein, wenn sie etwas will.“
„Überzeugend?“
Mrs Horan wirkte irritiert.
„Ich habe ihnen mit einer Klage gedroht, sollten sie nicht darauf eingehen.“
Mrs Green lächelte, aber es sah gequält aus, nicht fröhlich.
„Das hat sie allerdings.“
„Mit einer Klage?“
Die Verwirrung im Gesicht von Nialls Mutter nahm zu.
„Oh ja. Auch wenn sie es nicht zugeben will, sie wäre eine gute Anwältin. Und sie weiß genau, wie sie unsere Aufmerksamkeit bekommt.“
„Ja“,
Lini strahlte.
„Man muss nur die richtige Terminologie benutzen und schon werden sie hellhörig.“
„Da sehen Sie´s. Vor Gericht haben wir keinerlei Probleme, aber bei unserer Tochter... Wie sagt man so schön: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.“
Mrs Horan hatte interessiert zugehört und ihren Blick zwischen den beiden Parteien hin und her wandern lassen. Mr Horan sah aus, als würde er einen sauren Bonbon lutschen. Das tat er immer, wenn er versuchte, ein Grinsen zu unterdrücken. Nur Niall, der sich still verhielt, allerdings jedes Wort aufsaugte, grinste ganz offen.
„Gut, gut. Lassen wir das. Wir freuen uns auf alle Fälle, Sie kennenzulernen. Zuerst waren wir etwas erschrocken, als unsere Tochter meinte, sie sei zum Essen bei - Sie verzeihen - wildfremden Leuten eingeladen gewesen. Man hört ja heutzutage so viel und in unserem Beruf bekommen wir auch allerlei mit.“
Mrs Green machte ein unglückliches Gesicht. Doch ihr Gegenüber kam ihr entgegen.
„Als Mutter kann ich das nur allzu gut verstehen. Es tut uns leid, wir sind davon ausgegangen, dass Sie einverstanden wären. Wir wollten sie wirklich nicht in Sorge versetzen.“
„Wir kamen ja erst nach unserer Tochter nach Hause, insofern kam die Sorge erst hinterher – beziehungsweise der Schreck. Aber es ist ja gut gegangen.“
„Du kannst mir ruhig ein bisschen Menschenkenntnis zutrauen, Mutter.“
„Traue ich dir auch zu, aber du hast noch nicht die Erfahrung, um alles einschätzen zu können.“
„Erfahrung sammelt man, man kann sie nicht lernen. Deine Worte.“
Wieder huschte ein kurzes Lächeln über das Gesicht der Anwältin. Diesmal war aber eindeutig so etwas wie Stolz darin zu erkennen, auch wenn sie es nicht offen zugab, geschweige denn laut aussprach. Doch Mrs Horan erkannte es doch.
Mr Green hielt sich zurück. Dies war natürlich ein weiser Entschluss, denn egal, was er gesagt hätte, das Fettnäpfchen wäre ihm sicher gewesen. In solch einer Situation gab es nur eines, und das tat er auch: Er änderte das Thema.
„Darf ich den Vertrag mal sehen?“
Nialls Mutter reichte ihm das umfangreiche Werk.
„Allerdings wollen wir gleich anmerken, dass wir uns ein Anwaltsteam wie Sie, wohl nicht leisten können.“
„Darüber machen Sie sich mal keine Sorgen. Zunächst werden wir Sie pro bono vertreten.“
„Zunächst?“
Mehr sagte Lini nicht.
„Also gut. Wir werden Sie komplett pro bono vertreten.“
Er warf seiner Tochter einen fast vorwurfsvollen Blick zu.
Nialls Vater zuckte.„Also ganz mittellos sind wir auch nicht.“
„Das wollte ich damit auch nicht sagen. Tut mir leid, wenn es so geklungen hat. Lini meinte nur, wir können von Freunden kein Geld nehmen.“
„Aber wir kannten uns doch bis eben gar nicht.“
„Wir nicht, aber eine gewisse Anwaltstochter meinte das wohl auch auf sich bezogen.“
„Ich verstehe nicht ganz.“
„Dann besprechen Sie das mal mit unserer Lini. Es geht ja in erster Linie darum, die Rechtschaffenheit dieses Vertrages zu prüfen. Das können wir gerne tun. Vorausgesetzt, Sie wünschen das überhaupt. Ich meine, Sie haben natürlich das Recht, einen anderen Anwalt zu beauftragen.“
„Nein, nein. Das ist schon in Ordnung. Oder hast du Einwände, Niall?“
„Ich? Nein, natürlich nicht.“
„Gut, nachdem das nun geklärt ist, will ich einen Blick in den Vertrag werfen.“
Mrs Green räusperte sich.
„Wollen wir, natürlich, einen Blick hinein werfen.“
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Feel With The Hearts
FanfictionNiall ist das gewünschte, über alles geliebte Kind der Familie Horan. Alles verläuft wie im Märchen, das Glück ist vollkommen, doch dann bekommen die Eltern eine niederschmetternde Diagnose: Niall wird erblinden. Doch aus Asche wird Feuer geschlag...