Thirty-One

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Nachdem Niall etwa eine Dreiviertelstunde gespielt hatte, kam Unruhe in die Zuhörerschaft. Die Stille, die bis dahin geherrscht hatte, wurde durch nervöses Hin und Her gestört und es dauerte nicht lange, da setzte auch ein Gemurmel ein, dass die Horans bis dahin nicht erlebt hatten.

Niall hörte auf zu spielen und drehte den Kopf hin und her.

„Was ist passiert?“

„Ich weiß nicht“,

antwortete sein Vater.

„Da!“

Nialls Mutter zeigte nach links, die Straße hinab. Am Ende sahen sie ein buntes Licht, das zyklisch an- und auszugehen schien.

„Ein Krankenwagen? Vielleicht ist einem schlecht geworden.“

Linis Stimme klang nervös, besorgt.
Doch es war kein Krankenwagen, sondern ein Streifenwagen. Schon kamen zwei uniformierte Polizisten auf das Gartentor zu. Nialls Vater stand auf und ging ihnen entgegen. Über das Tor hinweg sagte einer der Polizisten:

„Sind Sie hier verantwortlich?“

„Verantwortlich? Ich verstehe nicht ganz.“

„Sind Sie der Konzertveranstalter?“

„Konzertveranstalter? Mein Sohn spielt Gitarre auf unserer Terrasse.“

„Und wie nennen Sie das hier?“

Der Polizist deutete auf die Menge, die sie umgab.

„Leute, die stehen geblieben sind und zuhören?“

„Das geht so nicht!“

„Was soll ich tun? Sie wegschicken? Mit welcher Begründung?“

„Sie können hier keinen Menschenauflauf verursachen und dann die Verantwortung von sich weisen.“

„Aber die jungen Leute stehen hier ganz friedlich und lauschen einfach.“

„Aber es sind zu viele. Wo sind Ihre Ordner? Wo sind Toiletten? Und außerdem ist das hier eine öffentliche Straße. Hier können Sie kein Konzert veranstalten.“

„Aber ich veranstalte kein Konzert! Mein Sohn spielt...“

„...nur Gitarre auf Ihrer Terrasse. Dennoch, so geht das wirklich nicht.“

„Wir sind doch ganz friedlich“,

warf ein Mädchen von vielleicht fünfzehn Jahren ein, die direkt neben den Polizisten stand.

„Und wer bist du?“

Der Polizist betrachtete sie mit strengen Augen.

„Ich bin nur eine, die hier stehen geblieben ist, weil sie Niall hören wollte.“

„Niall...?“

„Mein Sohn!“

„Aha! Also nicht zufällig, sondern ganz beabsichtigt. Sie kennt ja sogar den Namen des Künstlers.“

„Aber alle kennen Niall! Er spielt einfach einzigartig. Sie sollten mal ein Lied von ihm hören.“

„Darum geht es doch gar nicht. Zumindest ist das Konzert jetzt aus. Ich muss alle Anwesenden bitten, die Straße vor diesem Haus zu verlassen.“

Die Umstehenden rührten sich nicht und aus einiger Entfernung ertönten Pfiffe und Buhrufe.

„Ist es das, was Sie unter friedlich verstehen?“

Der Polizist wandte sich wieder an die Menge.

„Bitte verlassen Sie friedlich diese Straße, sonst müssen wir Verstärkung holen und die Straße mit Zwang räumen.“

Noch immer rührte sich keiner. Die Stille war fast bedrohlicher, als die Pfiffe. Die beiden Polizisten sahen sich an. Der Ältere von beiden nickte dem Jüngeren zu und dieser griff gerade nach dem Funkgerät, als eine leise Stimme aus dem Hintergrund zu vernehmen war.

„Freunde, ihr habt es gehört. Es macht mich zwar traurig, aber wir sollten tun, was die Polizei verlangt. Ich will nicht, dass es hier zu Gewalt kommt – das ist niemals mein Weg. Ich bitte euch, geht nach Hause. Wir finden einen anderen Weg. Es gibt immer eine Lösung und wir werden sie finden.“

Niall war aufgestanden. Er drehte den Kopf von einer Seite zur anderen, so dass es aussah, als blicke er alle Anwesenden an. Schon früh hatte er gelernt, dass Menschen, mit denen er sprach, sich wohler fühlten, wenn man sie ansah, ob man sie nun wirklich sehen konnte oder nicht.
Die ersten begannen abzurücken und binnen zehn Minuten waren fast alle Zuhörer verschwunden.

„Das hätte ich jetzt nicht geglaubt. Ich hatte schon befürchtet...“

Der ältere Polizist war sichtlich beeindruckt.

„Ihr Sohn scheint seine Zuhörer ja voll im Griff zu haben.“

„Ich verstehe es selbst nicht ganz.“

Der Polizist ignorierte den letzten Satz und fuhr fort.

„Wir bräuchten da noch ein paar Angaben für das Protokoll. Dürfen wir kurz mit reinkommen?“

„Wenn es sich nicht vermeiden lässt.“

Es klang vielleicht unhöflicher, als es gemeint war, doch Mr Horan war weder von der Störung erfreut, noch hatte er verstanden, was da eigentlich geschehen war. Sein Sohn hatte eine Gruppe von einigen hundert Menschen einfach aufgelöst. Sie hatten ihm gehorcht, wie einem Guru, einem Anführer. Er hatte keine Ahnung gehabt, was in seinem Sohn so alles steckte.

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