Twenty-Five

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Mr Horan erstarrte, als Niall anfing zu spielen. Er hatte seinen Sohn schon oft spielen hören, doch diese Klänge waren ihm neu. Als sein Sohn dann auch noch zu singen begann, war es um seine Fassung geschehen.
War das wirklich sein kleiner Niall, der dort sang? Er tauchte hinein in die Gefühlswelt eines anderen. Er wusste, dass sein Sohn ein eher verschlossener junger Mann war, aber dass es in seinem Inneren so aussah, davon hatte er keine Ahnung gehabt. Es war ein Berg von Gefühlen. Traurigkeit schwang mit, aber auch Hoffnung, Liebe und auch Angst.

Schauer überliefen den Vater. Bemitleidenswert, behindert, blind. Die drei großen B die er mit seinem Sohn verband, sie verschwanden mit jedem Ton und wurden ersetzt durch neue Worte. Blind blieb, doch Bewunderung und Begabung ersetzten mit einem Mal die anderen Worte. Trieben sie fort, als wären sie nie existent gewesen, als wären sie absurd im Zusammenhang mit Niall, verrückt, sie jemals mit ihm verbunden zu sehen.

Nichts von all den traurigen Gefühlen blieb. Nichts von all den Sorgen, von all den Grübeleien. Alles löste sich auf und ließ nur Platz für die Abfolge der Töne, die Harmonie der Schwingungen und der Poesie der Worte.

Mrs Horan beobachtete ihren Mann. Ihm schien es genauso zu gehen, wie ihr, als sie das Lied hörte. Noch immer übte es eine Magie auf sie aus, nahm sie gefangen, doch nun konnte sie nebenbei noch beobachten, analysieren.

In solch einem Zustand hatte sie ihren James bis jetzt nur sehr selten erlebt, und ob es jemals zu solch einer Intensität der Gefühle bei ihm kam, sie konnte es nicht sagen.

Sie wandte den Blick wieder ab von ihm und sah zu ihrem Sohn. Die Augen geschlossen, spielte er und sang. Aber warum hatte er die Augen geschlossen? Sie dachte immer, Musiker machten dies, um sich besser konzentrieren zu können, doch Niall hätte das nicht nötig. Warum also? Sah er in seinem Inneren den Text vorüberziehen, oder die Bilder dessen, was er besang? Sie wusste es nicht, doch das Gesicht ihres Jungen war eine interessante Mischung aus Gefühl, Konzentration und einem weit weg sein von aller Realität, von Alltag und Problemen. Es war, als sänge und spiele er alles weg, was ihn an seinem Leben störte. Gab den Dingen ein neues Gesicht, ein neues Aussehen und brachte Ordnung in das Chaos.

Sie wollte wieder zu ihrem Mann sehen, als sie bemerkte, dass die Jungen wieder gekommen waren, um der Musik zu lauschen und sie hatten Freunde mitgebracht. Sie zählte fünfzehn auf die Schnelle. Jungen, wie Mädchen. Alle in Nialls Alter, oder sogar etwas älter.

Da stand ein Mädchen – vielleicht fünfzehn – sie sah wie in Trance zu Niall. Das Glitzern ihrer Augen verriet die Tränen, die sich dort gesammelt hatten, doch sie selbst schien sie nicht wahrzunehmen. Sie blinzelte nicht einmal. Sie starrte einfach nur auf den Jungen mit der Gitarre und konnte anscheinend nicht genug von seiner Stimme bekommen.

Dann war das Lied vorbei und sie zuckte zusammen, wie jemand, der im Schlaf gewandelt hatte, nun erwachte und nicht wusste, wo er sich befand. Sie sah sich verstohlen um, ob jemand ihr nasses Gesicht bemerkt hatte. Doch niemand achtete auf sie.

Mit dem Zeigefinger, den sie gekrümmt hatte, wischte sie die Tränen aus den Augen. In diesem Moment sah sie zu Nialls Mutter und erschrak sichtbar. Dann drehte sie sich um und lief schnell weg. Mrs Horan sandte ihr noch ein Lächeln hinterher, doch das bekam das Mädchen nicht mehr mit.

Die andren Kinder standen mucksmäuschenstill und warteten, ob Niall noch etwas spielen würde, doch der bemerkte es nicht und fragte nur leise in Richtung seines Vaters.

„Und? Hat es dir gefallen?“

„Er fragt, ob es mir gefallen hat! Niall, es hat mir nicht nur gefallen, ich war... begeistert, obwohl dies nicht ganz das richtige Wort ist. Es war, als hättest du mich auf eine Reise zu deiner Seele mitgenommen.“

„Das war auch meine Absicht!“

Der Junge flüsterte fast.

„Und bekommen wir heute noch ein Lied zu hören?“

Sein Vater klang, als ginge es um eine Nebensächlichkeit, doch Mrs Horan kannte ihren Mann besser und wusste, dass die Ruhe nur vorgetäuscht war.

„Tut mir leid, aber ich habe nur dieses eine Lied. Morgen vielleicht?“

„Dann morgen. Spielst du uns noch so etwas auf der Gitarre?“

Statt einer Antwort mit Worten, brachte Niall sein Instrument wieder in Stellung und begann zu spielen.

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