Twenty-Eight

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Nialls Mutter war tief in Gedanken versunken, als sie durch die Reihen des Supermarktes ging. Natürlich hatte sie mal wieder ihren Einkaufszettel zu Hause liegen lassen. Sie wusste genau, irgendetwas fehlte noch, etwas Wichtiges. Doch so sehr sie auch grübelte, es fiel ihr nicht ein. Sie seufzte.

„Na, da werde ich wohl nachher noch einmal gehen müssen.“

Entschlossen wendete sie den Einkaufswagen und strebte der Kasse zu, vorbei an Marmelade und Frühstücksflocken. Auf einmal machte es klick in ihrem Kopf. Cornflakes! Niall hatte die Packung leer gemacht und sie dringend gebeten, neue zu beschaffen. Ein Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Nun hatte sie alles, zumindest war sie sich sicher, dass es so war. Sie lud eine große Packung in ihren Wagen und setzte ihren Weg fort.

„Entschuldigen Sie bitte, sind Sie nicht Nialls Mutter?“

Ein junges Mädchen hatte sich ihr in den Weg gestellt. Sie hatte langes, blondes Haar und trug eine Spange, um die langen Strähnen an Ort und Stelle zu halten. Ihr luftiges Kleid endete kurz vor dem Knie und ihre Ballerinas mochten nicht ganz in die heutige Zeit passen, dennoch kleideten sie sie ganz hervorragend.

Sie sah sehr schüchtern aus und es hatte ihr sichtlich Mühe gekostet, Nialls Mutter anzusprechen. Mrs Horan hatte nicht viel Erfahrung mit weiblichen Jugendlichen, aber sie musste etwa das Alter ihres Sohnes haben.

„Ja, bin ich. Und du, wer bist du – oder muss ich schon Sie sagen?“

„Nein, nein. Du ist ganz okay. Mein Name ist Lini, Lini Green.”

Mrs Horan runzelte die Stirn.

„Also gut, Lini Green. Woher kennst du meinen Sohn?“

„Ich kenne ihn nicht wirklich. Aber ich bin seit einigen Tagen dabei, wenn er abends seine Lieder singt. Leider immer von recht weit hinten.“

„Warum wechselst du nicht mit? Ich habe doch beobachtet, dass die Leute freiwillig ihren Platz vorne aufgeben und die, die weiter hinten stehen, vorlassen.“

„Ich habe mich nicht getraut. Ich mag auch keine Menschenmassen.“

„Das ist ein bisschen von Nachteil bei solch einem Auflauf.“

Mrs Horan hatte wieder die Stirn in Falten gelegt, aber sie lächelte gleichzeitig.

„Ich weiß, aber ich komme schon zurecht. Ich kann nicht alles verstehen, aber das, was ich verstehe, ist schon etwas ganz Besonderes. Ich liebe das Lied ‚Schattental‘, und da kenne ich den Text schon auswendig.“

„Das ist ein trauriges Lied!“

„Nur beim ersten Mal. Wenn man den Text genau verfolgt, erkennt man den Trost, der darin liegt.

‚...und trägt meine Seele schwebend empor. Ich fühl‘ mich leicht und fühl‘ mich froh. Mit mir singt ein Engelschor, vergessen ist´s, wovor ich floh...‘

Zuerst dachte ich, es wäre eine Sterbeszene, doch dann erkannte ich, dass es die Musik beschrieb, die einen emporträgt. Und dort, ganz für sich alleine, kann man mit diesem Chor singen und alles bleibt zurück; alles, was einen bedrückt und traurig macht. Man ist frei. Frei von Sorgen, Mühe, Lasten. Man gibt sich der Musik hin und fängt an zu leben, richtig zu leben.“

„So habe ich das Lied noch nie gesehen, doch jetzt wo du es sagst... Ich glaube, du hast Recht. Ja, es ist eine tröstliche Zeile.“

„Deswegen möchte ich eine Bitte an Sie richten. Sagen Sie Niall bitte einen herzlichen Dank von mir. Ohne dieses Lied wäre ich wohl heute nicht mehr hier.“

Nialls Mutter hörte die Traurigkeit in diesen Worten und sie verstand, was Lini sagen wollte – oder gesagt hatte. Sie fragte nicht nach, schließlich kannte sie das Mädchen ja gar nicht. Dann kam ihr eine Idee.

„Wirst du heute wieder zuhören?“

„Ja, ich bin jeden Abend da.“

„Dann lade ich dich hiermit zum Essen ein und anschließend kannst du bei uns sitzen und Niall in Ruhe zuhören.“

„Ist das Ihr Ernst?“

„Natürlich, sonst hätte ich es nicht angeboten. Wir essen um 18:30 Uhr. Wenn möglich, sei bitte pünktlich.“

Lini sah die Frau, die vor ihr stand, mit großen Augen an und bald hatten sich die blauen Augen mit Wasser gefüllt. Sie blinzelte die Tränen weg und versuchte, ihre Stimme unter Kontrolle zu halten.

„Aber, das kann ich doch nicht annehmen.“

„Doch du kannst. Vorausgesetzt, deine Eltern haben nichts dagegen.“

„Die sind bestimmt einverstanden. Aber was soll ich anziehen?“

„Komme einfach, wie du bist. Es ist keine Gala, es ist nur ein einfaches Abendessen. Du magst Frikadellen?“

„Ich liebe Frikadellen.“

„Dann ist doch alles klar. 18:30 Uhr, vergiss es nicht.“

„Niemals! Danke, danke, danke! Ich kann es nicht glauben.“

Sie nahm ein Taschentuch zur Hand und putzte sich die Nase.

„Soll ich etwas mitbringen?“

„Nur dich und einen gesunden Appetit.“

„Das kann ich nicht versprechen. Ich glaube, ich werde viel zu aufgeregt sein.“

„Na, na! Es ist kein Essen mit Bruce Springsteen.“

„Nein, aber mit Niall Horan!“

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