12-Besorgte Brüder

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Die Eingangshalle sah noch genauso aus,wie ich sie in Erinnerung hatte, riesig, eine enorme Treppe aus dunklem Holz, Blumen, Gemälde und ein Spiegel mit goldenen Rahmen, der direkt neben dem Eingang hing.

Für ein paar Sekunden vergaß ich, dass ich die 17 jährige Tiana war und sah in dem Spiegel mein neun jähriges Ich. Es schaute mich mit großen verweinten Augen an, die Angst ins Gesicht geschrieben und unfähig das Geschehene zu verarbeiten. Das Spiegelbild veränderte sich und plötzlich stand da mein 13 jähriges Ich. Diesmal wirkte da Spiegelbild etwas gefasster, doch der Schock und die Fassungslosigkeit waren nicht zu verstecken. Ihr Gesicht war mit Ruß verschmiert und man konnte deutlich sehen, dass sie vor kurzem noch geweint hatte, da die Spüren der Tränen auf den rußverschmierten Wangen deutlich zu sehen waren.

Um das Bild loszuwerden kniff ich meine Augen so fest zusammen, wie ich konnte und schüttelte leicht den Kopf, um schließlich mein derzeitiges Ich im Spiegel zu sehen. Es blickte mich abschätzend an, musterte mich, als wäre ich eine Fremde. Sie legte ihren Kopf schief und blinzelte ein paar Mal bevor sie zu lächeln begann und kaum merklich nickte. Als sie sich anschließend im Raum umschaute sah sie mit ihrem zufriedenen Lächeln aus, als würde sie sich wohl fühlen, als würde sie sich in Sicherheit fühlen. Verwirrt runzelte ich die Stirn, wie konnte sie sich hier wohl, oder sogar sicher fühlen? Sie war hier im Haus des Feindes, es ergab keinen Sinn.

Anscheinend befand ich mich in einer Art Trance, denn ich hatte meine Umgebung komplett vergessen und nahm sie erst wieder war, als jemand vor meinem Gesicht mit seinen Fingern schnippte. Neben mir erschien Brandon im Spiegel. Er sah verwirrt aus. Wie lange hatte ich in diesen Spiegel gestarrt?

„Sorry.", es war mir unangenehm, dass er das mitbekommen hatte, obwohl ich mir nicht sicher war, ob er überhaupt ahnte was da gerade passiert war. Es schien so, da er es nicht ansprach, oder er wollte das hier einfach so schnell wie möglich hinter sich bringen. Das konnte ich sogar nachvollziehen, auch wenn es bei mir wahrscheinlich an etwas anderem lag. Ich hab ihm zwar wegen Freitag verschont, aber das hieß noch lange nicht, dass ich es vergessen hatte, oder gar verziehen hätte. Brandon zu sehen war gerade nicht auf meiner Wunschliste, geschweige denn auf oberster Stelle besagter Liste. Aber was tut man nicht alles für seine beste Freundin?

Bis auf die Sache mit meinem Spiegelbild schien das Haus keine Wirkung auf mich zu haben, aber ich sollte den Morgen nicht vor dem Abend loben.

Von irgendwo im Haus ertönte Klaviermusik und ich erinnerte mich, warum ich eigentlich hier war. Das Stück klang traurig und gleichzeitig wunderschön. Es kam mir bekannt vor, doch ich konnte es nicht zuordnen.

„Wie geht es ihr?", Nathan reichte mir meine Geige wieder und zu dritt machten wir uns auf in die Richtung von der die Musik kam.

Ich weiß nicht warum, aber Brandon schien über die Sorge in meiner Stimmer überrascht zu sein. Dieser Überraschung war aber nur kurz zu sehen und wieder völlig verschwunden, als er mir antwortete.

„Sie sagt zwar, dass es ihr gut geht, aber ich bezweifle es. Ella versucht zu verstecken, aber es ist offensichtlich, dass sie kaum schläft. Sie isst nicht und redet weder mit Mom noch mit mir. Alles was sie tut ist entweder Klavier zu spielen oder sich in ihr Zimmer einzuschließen und so zu tun als wäre alles so wie immer. Ich weiß einfach nicht mehr was ich tun soll.", er klang ziemlich besorgt, womit auch geklärt wäre, warum Brandon seine Meinung geändert hatte.

Dass Ella versuchte zu versteckten wie schlecht es ihr wirklich ging war nichts neues für mich. Ich hab versucht sie darauf anzusprechen, aber sie hat mich jedes Mal abgeblockt und ich hab angefangen zu versuchen, dass ich sie ablenke, auch wenn das nicht so einfach ist, wenn wir kaum Zeit miteinander verbringen durften in den letzten Wochen, beziehungsweise konnten.

The not so Good GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt