Kapitel 17

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Schwärze. Stille. Einsamkeit.
Ich kann nichts spüren, kann nichts sehen. Höre nichts. Es ist, als hätte man mir alle meine Sinne genommen. Als würde ich gar nichts mehr können, nur stumm, taub, bewegungsunfähig irgendwo rumliegen. Wobei ich noch nicht mal weiß, ob ich überhaupt liege. Ich könnte genauso gut stehen, hocken oder sitzen. Ich könnte auch einfach durch die Luft segeln, wobei das eher unvorstellbar ist.

Das einzige, was mir bleibt, sind meine Gedanken. Mein Gedächtnis, das nicht gut genug ausgeprägt ist, um mich an die Menschen zu erinnern, die das letzte mal bei mir waren, bevor ich umgekippt bin. Ich kann mit mir in Gedanken sprechen, kann innerlich schreien, heulen, lachen. Nichts gelangt nach draußen. Vollkommen ruhig bin ich an irgendeinem Ort, starre mit geschlossenen Augen in die Dunkelheit hinein.

Ich weiß, ich kann mich nicht bewegen.

Ich weiß, ich kann nichts sehen.

Ich weiß, ich kann nichts hören.

Ich weiß, ich kann nichts sagen.

Ich weiß, die Luft wird langsam knapp.

Ich weiß, ich werde immer erschöpfter.

Ich weiß...meine Gedanken machen mich müde.

Ich weiß...ich...muss aufwachen...

-

Das Piepen ist unerträglich. Kann das nicht jemand mal bitte abstellen? Wieso muss der Wecker immer dann klingeln, wenn ich total müde bin? Macht das aus! Ich versuche doch zu schlafen! Oder?

Leicht verunsichert suche ich mit der Hand nach dem nervigen Gerät, halte die Augen aber fest geschlossen. Zu groß ist die Angst, etwas zu sehen, was mich erschrecken könnte. So habe ich mich als Kind immer vor den Monstern unter meinem Bett versteckt. Bis ich dann mitbekommen habe, dass es keine Monster gibt und ich begonnen habe, meine Augen vor anderen Dingen zu verschließen.

Meine Fingerkuppen ertasten etwas. Aber es zu groß, als das es der Wecker sein könnte. Das bemerke ich sogar, auch wenn ich nur aus weiter Entfernung dagegen stoße. Ich fange leicht an zu zittern. Was ist das? Ich muss doch wissen, was in meinem Zimmer ist! Noch dazu neben meinem Bett steht! Aber gestern Abend war da noch kein großer, metallener Kasten. Da stand nur mein Nachtschrank. Verzweifelt kneife ich meine Augen noch mehr zusammen, fange an zu schluchzen vor Angst. Schützend halte ich mir meine Arme über den Kopf. Was immer es ist, es könnte mich angreifen! Das Piepen wird lauter, erfolgt in kleineren Abständen, wird immer schneller. Ich habe das Gefühl, jemand würde mich erwürgen. Nicht mal der kleinste Hauch an Luft gelangt in meine Luftröhre. Panisch winde ich mich in meinem Bett. Es ist härter als gestern Abend. Die Bettwäsche fühlt sich auch so komisch an. Wo, zum Henker, bin ich!? Irgendetwas greift nach mir, hält mich am Bein fest, bindet mich ans Bett. Ich beginne zu kreischen, sie sollen mich loslassen. Sollen mich gehen lassen! Ich versuche mich mit meinem anderen Bein zu währen, komme gegen etwas hartes, was mich schmerzerfüllt aufschreien lässt. Immer wieder trete ich um mich, versuche gegen das stabile Seil anzukommen. Es lässt nicht locker, schnürt meinem Fuß das Blut ab, windet sich schmerzhaft um mein Gelenk.

Ein lauter Knall lässt mich zusammenzucken. Noch total panisch beginne ich wieder laut zu schreien. Haben sie geschossen? Ist etwas explodiert? Was machen sie!? Ich höre laute Stimmen, die meinen Puls immer höher treiben. Das Piepen beschleunigt sich ums zehnfache. Ein Schwindel befällt mich, lässt mich nur noch unruhiger werden. Wenn ich ohnmächtig werde, werden sie mich foltern! Ich beginne lauter zu schreien, winsele um Gnade, während man mich an den Handgelenken packt und gewaltsam nach oben zieht. Ich höre es laut klirren, was nichts im Vergleich zu diesem nervtötenden Geräusch ist. Die Stimmen kommen näher, somit werden sie auch lauter. Zitternd reiße ich meine Hände los, halte sie mir an die Ohren, um nichts hören zu müssen. Gedämpft höre ich einige Leuten, die miteinander sprechen. Ich verstehe kein einziges Wort. Das Bett senkt sich neben mir, weshalb ich erneut laut zu heulen beginne. Warum lassen die mich nicht einfach in Ruhe!? Ich habe doch nichts gemacht!
„Tim! Mach deine Augen auf!" Dies sind die einzigen Worte, die zu mir durchdringen. „Mach sie auf, Junge! Hör auf! Bleib ruhig!" Die Stimme...Sie ist keineswegs brutal. Eher aufgebracht, traurig und... sanft? Immer mehr Tränen kullern über meine Wangen, mein Schluchzen lässt meinen kompletten Körper erbeben. „TIM!" Ein stechender Schmerz durchfährt mich. Jemand hat mir eine Ohrfeige verpasst! Vermutlich die Person vor mir. Wieder entsteht diese Panik. Ich habe Angst, dass sie mich nochmal schlagen! Ich habe doch nichts gemacht!
Schluchzend lehne ich mich nach vorne, habe Angst, in Berührung mit den Leuten zu kommen. Sie werden mich nur schlagen! Doch ehe ich etwas machen kann, spüre ich etwas warmes an meiner Stirn. Zwei Arme schlingen sich um mich, weshalb ich erschrocken zusammenzucke. Ein Zittern befällt mich, mein Herz rast noch immer. „Lass mich los!", schreie ich, versuche mich wegzudrücken. Aber ich werde nur noch mehr an den Körper gedrückt. Ich schlage wild um mich, schreie wie verrückt rum. Als das nichts bringt, halte ich einfach still. Hoffe, dass der Typ mich einfach loslässt. Ich bin so angespannt, wie sonst was, kann mich kaum rühren.

Eine Hand streichelt über meinen Rücken, während die Arme mich noch immer stark umschließen. Irgendwie beruhigt mich das. Mein Herz schlägt nicht mehr so schnell. Auch das Piepen wird nun langsamer, ist nicht mehr ganz so laut.

„Tim, öffne deine Augen", flüstert die Stimme der Person, die mich so sehr umklammert. Da er mich so beruhigt, gehe ich seinem Wunsch nach. Vorsichtig öffne ich die Augen, sehe aber wieder nur Dunkelheit. Wieder überfällt mich diese Panik. Doch der Typ drückt mich nur leicht von sich. Sofort strahlt mir helles Licht entgegen. Ich brauche einen Moment, bis das Verschwommene verschwindet. Sofort bemerke ich, dass ich nicht bei mir Zuhause bin. Ich liege im Krankenhaus. Die Erinnerungen kommen sofort zurück.
„Ich hatte einen Unfall", flüstere ich, starre auf die Bettdecke. „Meine Eltern sind tot. Ich komme aus Essen...Ich...Ich habe mein Gedächtnis ver-verloren!"

„Schsch, alles gut!" Der Mann, den ich als Rafi identifiziere, zieht mich wieder in seine Arme, als er bemerkt, dass ich wieder anfange zu weinen. Schluchzend klammere ich mich an ihn.

Die Worte, die ich gesagt habe, tun so weh. So unglaublich weh! Wie konnte ich in den letzten Tagen damit so normal umgehen? Ich hatte einen beschissenen Unfall. Habe mein Gedächtnis verloren! Kann mich nicht an meine Freunde erinnern. Habe keine Eltern mehr, die ich zu mir nach Hause einladen könnte. Ich habe nichts mehr! Nur noch Leute, von denen ich paar Dinge weiß, aber immer noch zu wenig, als das ich sie wirklich als vertraute Personen ansehen kann.

„Es tut so weh!", jammere ich, kralle mich in seine Arme, während er mir sanft über den Rücken streicht. „Wir sind für dich da", flüstert Rafi leise. Ich kann ganz genau die Tränen in seiner Stimme hören. Ich weiß, wie sehr es ihn mitnimmt. Er war einer meiner besten Freunde. Er kennt meine Schwächen, meine Stärken, er kennt mich! Ich wusste, wer er war.

Doch jetzt ist das vorbei! Ich kenne ihn nicht mehr. Brauche wahrscheinlich Jahre, um alle Erinnerungen zurückzubekommen. So wird das bei jeder Person sein.
Und wahrscheinlich werden sich die meisten von mir abwenden, weil sie kein Bock darauf haben.

Diese Erkenntnis lässt mich zusammenzucken. Ich will doch nicht, dass die drei mich alleine lassen! Jeder andere, aber nicht die drei! Bitte nicht!
„Tim, du musst ganz ruhig bleiben!", flüstert Rafi. „Ansonsten kriegst du Beruhigungsmittel. Und dann drehst du wieder durch." Also entspanne ich mich, höre auf meinen besten Freund. Ich muss einfach machen, was sie sagen. Dann werden sie nicht gehen. Aber...wo sind die anderen beiden? Vor allem: WO IST STEGI!? „Veni, wo ist Stegi?" Hektisch stoße ich ihn von mir weg. Hätte ich das mal nicht gemacht... Ungefähr zehn Augenpaar, Veni nicht mitgezählt, starren mich an. Fünf Schwestern, drei Ärzte, Tobi und... „STEGI!" Wie erstarrt steht er da, Tobis Arme sind um ihn geschlungen. Leichte Eifersucht macht sich in mir breit, wird aber versiegt, als er auf mich zugerannt kommt und sich auf mich schmeißt. Keinen von uns beiden stört es, dass er komplett auf mir liegt, seine Gesicht in meiner Halsbeuge vergräbt. Er weint, macht sich selber Vorwürfe, dass es wohl zu viel für mich gewesen sei, dort draußen. Ich habe meine Augen verschlossen. Für mich zählt jetzt nur Stegi, weshalb ich auch nur am Rande mitbekomme, wie alles ärztliche, bis auf meinem Arzt, das Zimmer verlässt. Ich schlinge meine Arme um Stegis Körper, drücke ihn dicht an mich. Atme seinen Geruch ein. Mir ist alles andere egal. Nur Stegi nicht.

Langsam aber sicher legt sich die Müdigkeit wieder über mich. Trotz dem, was eben gerade passiert ist, heiße ich die kommende Dunkelheit willkommen und gleite in einen traumlosen Schlaf...


~Was ist los mit ihr?
~Wieso hat sie ein Kapitel mit 1500 Wörtern hochgeladen?
~Stimmt was mit ihr nicht?


Mit mir ist alles okay, Leute xD
Ich wollte das Kapi nur nicht zerteilen, weil sonst die ganze Stimmung zerstört worden wäre...Und ich wollte endlich mal ein Kapitel hochladen, was ich echt toll finde (jaja, Eigenlob ist sch*iße, bla bla xD)
Wie fandet ihr es so? (:
Fandet ihr Tims Reaktionen komisch oder dämlich o.A.? :o

Leuteeee! Wir sehen uns beim nächsten Kapitel, was am Sonntag kommen wird! (:
Ich wünsche euch noch einen schönen Abend.
Liebe Grüße,
Eure Lucyyyyy :)

Wer Bist Du? - Stexpert FF || PAUSIERTWo Geschichten leben. Entdecke jetzt