„Hallo, ich bin wieder da", hörte Moon die dunkle Stimme ihres Vaters aus dem Hausflur hallen. Augenblicklich schreckte Moon aus ihrem Buch auf, welches sie bis eben gelesen hatte und setzte sich auf. „Papa! Endlich!", rief sie dann glücklich, legte das Buch auf ihr Kopfkissen und stürmte dann aus ihrem Zimmer in Richtung Flur, um ihren breit grinsenden Vater in Empfang zu nehmen. Sie umarmte ihren Vater stürmisch und als dieser ihre Umarmung warm grinsend erwiderte, spürte sie einen kleinen Stich in ihrer Brust. „Womit habe ich die Ehre so herzlich begrüßt zu werden?", lächelte er dann und trennte sich wieder von ihr, um ihr, aus funkelnd braunen Augen, in die ihren zu sehen. Urplötzlich kam alles wieder zu Moon zurück, was sie heute Mittag im Walde noch versucht hatte zu verstehen und sie spürte, wie ihr wieder die Tränen hochkamen. „Schatz? Alles okay?", sorgenvoll, strich ihr Vater Moon eine Strähne aus dem Gesicht und Moon schluchzte auf, ehe sie ihrem Vater von dem Brief und dem Verschwinden ihrer Mutter berichtete. Dabei hatte sie den Zettel wieder aus ihrer Hosentasche geholt, wo sie ihn nach der Suchaktion mit dem Atlas wieder hingesteckt hatte.
„Beachte nicht den Abdruck, das ist eine andere Geschichte, aber siehst du den Fleck hier auch? Denkst du, das ist Blut?", ihre kratzige Stimme klang unsicher und in der Hoffnung, dass ihr Vater sie gleich beruhigen würde, streckte sie ihm zitternd den Brief entgegen. Ihr Vater, der ihrer Geschichte mit verunsichertem Blick geduldig zugehört hatte, nahm diesen zur Hand und seine Augen flogen schnell über die paar geschriebenen Zeilen. Ungeduldig verlagerte Moon ihr Gewicht auf den anderen Fuß und schaute immer wieder auf zu ihrem Vater, dessen Gesichtsausdruck sich schlagartig veränderte. Das Funkeln aus seinen Augen verschwand und wurde ersetzt durch Sorge und zugleich von einem wütenden, beinahe hasserfüllten Glitzern. Die Mundwinkel zogen sich ernst zusammen und Moon machte überrascht einen Schritt zurück. Sie hätte nie gedacht, dass sie einmal an einen Punkt kommen würde, an dem sie Angst vor ihrem eigenen Vater haben würde, doch als dieser wieder aufschaute und abwesend den Brief in seiner Hand zu einem kleinen Ball zerknüllte, schluckte sie dann doch extrem verunsichert. „Papa?", fragte sie mit zitternder Stimme nach und holte diesen somit wieder zurück in die Realität. So langsam bekam sie es doch mit der Angst zu tun. Was, wenn sie sich ihr Bauchgefühl heute Mittag schließlich doch bewahrheiten würde?
„Hör zu, Moon...", fing ihr Vater dann lauter, als beabsichtigt an und räusperte sich kurz, um seine Stimme wieder einigermaßen ruhig klingen zu lassen. „Ich muss noch einmal weg. Versprich mir, so lange auf dich aufzupassen, ja? Ich weiß nicht, wie lange ich brauchen werde, aber ich bitte dich ruhig zu bleiben.", die Stimme ihres Vaters schien immer mehr zu beben und als ihr Vater kurz die Augen schloss und sie dann wieder öffnete, um in das verängstigte Gesicht seiner Tochter zu blicken, brach es ihm das Herz sie alleine lassen zu müssen. Moon hatte keine Ahnung warum zuerst ihre Mutter und dann er so plötzlich verschwinden mussten und auch er hoffte, dass er mit seiner Vermutung falsch lag. Er wusste, dass er nicht länger dazu in der Lage war, seine eigene Angst vor seiner Tochter zu verbergen, doch er hoffte, dass Moon seine Ratschläge ernst nehmen würde. „Warum? Bitte geh du nicht auch noch!", versuchte Moon ihren Vater zum Bleiben zu bewegen, doch scheiterte kläglich, als er ihr dann entschuldigend eine Hand auf die Schulter legte. „Ich verspreche nicht lange wegzubleiben, ja? Ich weiß, dass du solange ohne mich auskommen wirst.".
Was er sagte, stimmte. Er wusste um seine Tochters Kräfte Bescheid und er wusste auch, dass Moon sich alleine wohlmöglich besser beschützen könne, als mit ihm an ihrer Seite. Doch als er dann in die glasigen Augen seiner Tochter blickte, fiel es ihm schwer bei diesem Entschluss zu bleiben.
„Papa!", „Moon! Bitte pass auf dich auf! Versprich es mir, ja?", eindringlich bohrten sich die Augen ihres Vaters in die smaragdgrünen Augen des schwarzhaarigen Mädchens und mit einem zögerlichen Nicken sagte Moon schließlich leise und nur für ihren Vater hörbar: „Ja, natürlich.". Erleichtert zog er Moon ein weiteres Mal in eine feste Umarmung und Moon klammerte sich an ihren Vater, sich weigernd ihn wieder loszulassen. „Ich habe dich lieb, kleine Wölfin...", flüsterte ihr Vater ihr dann ins Ohr, ehe er sich wieder von seiner verwirrten Tochter trennte und sich schnell umdrehte, um ohne sich ein weiteres Mal umzudrehen, in den blauen Käfer zu steigen und wieder zurück in die Stadt zu fahren. Seine einzige Tochter zurücklassend, wohlwissend, dass sie seine Tränen nicht mehr bemerkt hatte.
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Wolf und Drache
FantasíaZwei Menschen, einer unbeliebt der andere der Coolste der Schule, ein Mädchen und ein Junge, sie hat eine Bestimmung, er hat ein Geheimnis, völlige Gegenteile, doch eines haben sie gemeinsam, sie sind Gestaltswandler! Moon ist auf ihrer Schule das u...