Teil 7

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Ich brauche eine ganze Weile, bis ich mich wieder soweit beruhigt habe, dass ich nach unten zum Essen gehen kann, doch eigentlich habe ich gar keinen Hunger. Trotzdem setzte ich mich an den Tisch und versuche nicht allzu verloren in die Runde zu schauen.

"Emely! Was machst du wieder für ein Gesicht. Schau nicht so dumm in der Gegend rum!" pisackt mich meine Stiefmutter kaum, dass ich sitze, doch ehe ich mich rechtfertigen kann, geht mein Vater dazwischen.

"Olivia! Nicht in dem Ton!" herrscht er sie an, was mich ihn erstaunt anschauen lässt, doch dann fährt er liebevoll an mich gerichtet fort. "Du musst nicht mit uns hier sitzen Schatz. Wenn du willst, kannst du auch oben essen."

"Nein! Kann sie...." beginnt meine Stiefmutter ungehalten, bricht bei dem finsteren Blick, den ihr mein Vater zuwirft aber eingeschnappt ab und presst die Lippen missbilligend aufeinander.

"Danke. Ich würde tatsächlich lieber nach oben gehen." nehme ich sein Angebot an. "Ich fühl mich nicht so gut." sage ich wahrheitsgemäß und stehe auf.

"Ist gut Liebes. Leg dich ein bisschen hin. Morgen sieht die Welt sicher schon wieder ganz anders aus." sagt er zuversichtlich, steht auf und nimmt mich tröstend in den Arm, bevor er mir sanft übers Haar streicht, mir einen Kuss auf die Wange gibt und flüstert. "Er liebt dich. Vergiss das nicht."

"Ich weiß." flüstere ich erstickt, obwohl ich mich vielleicht wundern sollte, woher mein Vater weiß, dass es um Alexander geht, doch so ist er halt...und so mache mich schnell von ihm los, bevor ich mich erneut in Tränen auflöse und stürme geradezu aus dem Salon, um nach oben zu gehen und mich in meinem Bett zu verkriechen.

Doch noch während ich die Treppe hinaufgehe, höre ich die schrille Stimme Olivias, die sich lautstark über mich beschwert.

"Kein benehmen das Kind..." beginnt sie kreischend, kommt aber nicht weiter, als die laute Stimme meines Vaters dazwischen fährt.

"Halt den Mund Olivia!" sagt er beherrscht, was mich über alle Maßen erstaunt, doch da ich gerade mehr als genug sorgen habe, ignoriere ich die Beiden und mache so schnell ich kann, dass ich nach oben komme, wo ich die Tür hinter mir schließe und mir die Decke über den Kopf ziehe um in Selbstmitleid zu versinken.

Ein oder zwei Mal höre ich noch, wie das Handy von Alexander vibriert, allerdings gehe ich nicht dran, sondern stecke den Kopf unter das Kissen und ersticke alle Geräusche, die von außen an mein Ohr dringen. Nur die Stimme in meinem Inneren lässt sich nicht so leicht zur Ruhe bringen.

Immer wieder sagt sie mir, ich soll ihm noch eine Chance geben. Sie sagt auch, dass ich ihn treffen soll um zu hören und zu sehen, was er zu sagen hat.

Aber ich habe Angst, wenn ich ihm zuhöre, dass er mir alles sagen würde, nur damit ich zu ihm zurückkomme.

Ich weiß, dass er meint sich geändert zu haben, oder zumindest, dass er versucht sich zu ändern, doch stimmt das auch und was, wenn er es nicht schafft? Was wenn er wieder so ausrastet, wie im letzten Jahr?

Oder schlimmer noch! Wenn er mich tatsächlich schlägt? Ich weiß, dass er kurz davor war, auch wenn er mir versichert, dass er mich niemals schlagen würde.

Schniefend schüttel ich den Kopf und wünschte, er würde endlich Ruhe geben. Ich habe mir schon so oft den Kopf zerbrochen, nur um immer auf das gleiche Ergebnis zu kommen.

Ich vertraue ihm nicht, dabei hat er mir nie wirklich einen Grund gegeben es nicht zu tun.

Vielleicht vertraue ich, aber auch mir nicht.

Keine Ahnung.

Erschöpft schließe ich die Augen, dabei ist es draußen auch so schon stock dunkel, dass ich die Augen gar nicht schließen müsste. Doch als es dann an meiner Tür klopft und die Stimme meines Vaters hereindringt, vergrabe ich das Gesicht zusätzlich im Kissen.

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