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Ein Jahr. Ein ganzes Jahr war vergangen, seit ich das letzte Mal mit den Jungs geredet hatte. Ein Jahr, in dem ich gelernt hatte, meine Fähigkeiten zu verbessern. Ein Jahr, in dem ich einsam über die Dächer gezogen war. Ein Jahr, in dem ich mehr Verbrechen begangen hatte, als jemals zuvor. Ein Jahr, in dem ich mir einen eigenen Namen gemacht hatte. Ein Jahr, in dem ich so gut wie jeden Job angenommen hatte und kein einziges Mal erwischt wurde. Alle kannten mich und doch kannte mich niemand wirklich. Das Einzige, dass man von mir an Orten fand, an denen ich einen Job erledigt hatte, war mein Symbol. Eine Rose mit einem „S" in der Mitte. Die Idee mit der Blume kam mir, da Zelo mich öfters mit dem Namen „Blümchen" geärgert hatte. Gelegentlich war es passiert, dass wir denselben Auftrag angenommen hatten, doch ich hatte stets genau darauf geschaut, dass sie mich nicht sahen. Tag täglich versuchte ich mir ein zu reden, dass ich die Jungs nicht brauchte und, dass sie mir egal waren, doch mein Herz strafte meine Gedanken Lügen. Ich lag abends oft Stundenlang wach und dachte an diesen Nachmittag vor sechzehn Jahren zurück. Anfangs hatte ich außer Wut, Trauer, Einsamkeit und Enttäuschung nichts empfunden. Mit der Zeit jedoch, hatte ich begonnen zu verstehen, wieso Bang damals so gehandelt hatte. Daehyun war sein Freund. Ein Teil seiner Familie. Und wer würde schon einen Teil seiner Familie opfern, nur um jemand anderen zu retten? Je öfter ich daran zurück dachte, desto mehr verstand ich seine Entscheidung. Natürlich schmerzte es noch immer unglaublich, aber nicht mehr so sehr wie am Anfang. Vielleicht war es Einbildung, vielleicht auch nicht, doch ich meinte mich zu erinnern, dass mein Dad sogar leicht genickt hatte, bevor er für immer die Augen geschlossen hatte.

Es spendete mir einen gewissen Trost zu denken, dass mein Dad bereit dafür war. Und es machte mich unglaublich stolz. Er hat sich geopfert, damit sein Schüler nicht die Qual der Wahl hatte, auch wenn er uns, oder besser gesagt mich, damit im Stich gelassen hat. Jetzt, nach einem Jahr war ich bereit ihnen zu vergeben und mich mit ihnen zu treffen. Ich wollte ihnen nicht selbst sagen, dass ich einen Job für sie hatte, daher beschloss ich, ihnen diese Information irgendwie anders zu kommen zu lassen. Mein Plan war es, Zico bei einem Spaziergang ab zu passen und ihm einen Zettel ans Halsband zu hängen. Doch dafür musste ich erstmal aufstehen, worauf ich überhaupt keine Lust hatte. Es war Mitte Januar und ich bevorzugte es mein Bett nicht zu verlassen. Nachdem ich einige Minuten lang in meinem Kopf an Papier gedacht hatte und noch immer keins angeflogen gekommen war, musste ich wohl einsehen, dass Telekinese nicht zu meinen Fähigkeiten zählte. Mit einem theatralischen Seufzen schwang ich die Beine über die Kannte, schlüpfte in meine Hausschuhe, zog mir die Decke eng um den Leib und stand auf. Mit schlürfenden Schritten bewegte ich mich auf die Küche zu, um mir erst mal eine heiße Schokolade zu machen. Anschließend holte ich mir aus dem Wohnzimmer Zettel und Papier und schlürfte wieder zurück zu meinem Bett. Nachdem ich wieder komplett von meiner Daunenbettwäsche umhüllt war begann ich zu schreiben.

14. Februar um 20 Uhr. Anwesen des jungen Kwon. Grund: Lesedi La Rona. Ich erwarte eure Antwort in zwei Tagen. Montagabend um 18 Uhr in der Bar La Roche. –S

Zufrieden rollte ich den Brief zusammen und schnürte ihn zu. „Jetzt gönn ich mir erst einmal eine schöne Dusche!" Stolz betrachtete ich, wenig später, mein kleines Badezimmer. Vor drei Monaten hatte ich mir mein eigenes Haus gekauft. Es war ziemlich alt und hatte zuvor einem Rentnerpaar gehört, doch diese waren in ein Altenheim gezogen und hatten mir ihr Haus ziemlich günstig verkauft. Was mir am meisten daran gefiel war, dass es ein typisch koreanisches Haus war. So eins, wie man es in Filmen immer sehen konnte. Während ich unter der Dusche stand musste ich an Lesedi La Rona denken. Das war ein Rohdiamant von der Größe eines Tennisballs. Er hatte 1.111 Karat und galt mit seinem Wert von 70 Millionen Euro, als der teuerste Rohdiamant, den es momentan gab. Ich träumte schon lange davon, dieses Prachtexemplar zu meinem zu machen. Nach langem Warten war es nun endlich so weit. Der Besitzer gab in ein paar Wochen eine Party, auf die fast alle reichen Personen der Stadt eingeladen waren. Wenn die Jungs zustimmen würden, hatte ich vor unsere Namen auf die Gästeliste zu bekommen, damit wir uns den Stein holen konnten. Und falls sie nicht zustimmten. Tja, dann musste ich eben allein mein Glück versuchen. Fertig geduscht und angezogen, fand ich mich eine Stunde später in der Küche wieder, wo ich genüsslich von meinem Toast abbiss. Ich brauch unbedingt noch ein Kleid. Welche Farbe will ich? Rot? Nein, das ist glaube ich zu auffällig. Grün? Nein, das letzte grüne Kleid, das ich hatte war grässlich. Blau? Nur wenn ich ein schönes in Königsblau finde. Weiß? Das ist wahrscheinlich auch zu auffällig. Ach ich schau einfach mal, was ich finde. Ich räumte mein Geschirr in die Spülmaschine, holte meine Handtasche, zog Mantel und Schuhe an und machte mich auf den Weg.

Da es um die Mittagszeit war, befanden sich nicht so viele Menschen wie sonst in den Straßen Seouls. Ich betrat ein Geschäft nach dem anderen und suchte nach dem perfekten Kleid. Stundenlang irrte ich umher, bis ich schließlich vor meinem kleinen Lieblingsladen landete. Mit einem Déjà-Vu-Gefühl und einem Lächeln auf den Lippen betrat ich das Geschäft und wurde prompt von der wundervollen Atmosphäre begrüßt. „Ich bin gleich bei ihnen", ertönte die Stimme von Miss Lee hinter irgendeinem Ständer. Ich sah ihren Haarschopf hinter den Stangen auf und ab hüpfen, bis sie letztendlich nach vorne kam. Als sie mich erkannte, trat ein freudiger Gesichtsausdruck auf ihr altes Gesicht: „Kindchen, bist du's wirklich? Wo warst du denn so lange, warum hast du dich denn nicht sehen lassen?" „Tut mir Leid Miss Lee, aber es ist einfach so viel passiert, dass ich sie total verdrängt hab. Tut mir wirklich sehr Leid." Verlegen rieb ich mir über den linken Oberarm. „Naja, da kann man nichts machen. Es gibt eben wichtigeres, als eine alte Dame zu besuchen." Ich wollte gerade protestieren, da unterbrach sie mich. „Mach dir keinen Kopf, ich versteh dich schon. Als ich jung war hatte ich auch andere Dinge im Kopf. Ich gehe mal davon aus, dass du nicht nur zum Plaudern da bist. Wie kann ich dir helfen?" Dankbar lächelte ich sie an und sagte ihr, dass ich ein schickes Kleid bräuchte. Während sie nach dem passenden Kleid suchte erzählte ich ihr von der Party die dort steigen sollte. Jedoch ließ ich die Tatsache, dass ich den Gastgeber berauben wollte, aus.

Sie suchte geschlagenen fünf Minuten, bis sie mit einem breiten Grinsen zu mir kam, mir ein blaues Stoffbündel in die Hand drückte und mich in eine Umkleidekabine schob. Während ich mich umzog, erzählte sie mir alle möglichen Dinge, die in den letzten Monaten passiert waren. Als ich schließlich aus der Umkleide kam, fühlte ich mich wie eine Prinzessin. Das dunkelblaue Kleid hatte keine Träger, war bis zur Hüfte eng geschnitten und fiel dann in vier Schichten nach Unten, bis auf den Boden. An der Hüfte waren mehrere silberne Ranken, die sich wie Eiskristalle etwa bis zur Hälfte nach oben zogen. Ich war verzaubert von dem Kleid, Miss Lee jedoch zog nur die Augenbrauen zusammen und schüttelte den Kopf. Ratlos sah ich ihn nach, wie sie verschwand. „Zieh das Kleid aus, Liebes", rief sie nach ein paar Minuten. Schweren Herzens schlüpfte ich aus dem Prinzessinnen-Kleid. Doch ich hätte gar nicht traurig sein müssen, wie ich kurz darauf feststellte. Denn meine nette Personalberaterin hatte mir mein Traumkleid gebracht, von dem ich nicht mal wusste, dass ich es hatte. Es verlieh mir, wie Miss Lee es ausdrückte, das Aussehen einer Königin. Das Kleid war schneeweiß, hatte Träger und war ebenfalls bodenlang. Der obere Teil war größtenteils durchsichtig, jedoch waren da wo die Brüste waren, eine Art weiße Schneeflocken, die vereinzelt bis zur Taille gingen. Nach unten war der Stoff so genäht, dass beim Laufen mein linkes Bein raus schaute. Wenn ich jedoch stand, konnte man nicht erkennen, dass das Kleid offen war. Dazu trug ich noch weiße Hohe Schuhe, die am Gelenk ein weißes Band hatte. Auch wenn das selbstverliebt klang, musste ich Miss Lee Recht geben. Ich sah aus wie eine Königin. „Wie viel würde das Kleid zusammen mit den Schuhen kosten?", fragte ich überglücklich. Sie überlegte kurz. „Neunhundert Euro." Als sie mein etwas verunsichertes Gesicht sah grinste sie. „Wenn du mich fragst, ist das das beste Angebot, dass du für dieses Kleid bekommen kannst. Aber weil es so kalt ist und ich dich so gerne hab habe ich beschlossen, dir noch einen weißen Wintermantel dazu zu schenken und dir wenn du möchtest die Haare zu machen." Jetzt fiel mir die Kinnlade runter. Sie flitzte davon um den Mantel zu holen und mir fielen fast die Augen aus dem Kopf, als ich sah, was sie mir da schenken wollte. Es war so ein Mantel, wie man ihn oft bei reichen Familien sah. Einer von der Art, der keine Ärmel hatte und ausschließlich dafür gedacht war über Kleidern getragen zu werden. Wie mein Kleid war er schneeweiß und war innen mit weißem Fell gefüttert, dass man am Rand auch von außen sehen konnte.

Nach langer Diskussion hatten wir uns darauf geeinigt, dass ich die neunhundert Euro zahlte, auch wenn es mich schlecht fühlen ließ, so wenig für das hochwertige Kleid, die Schuhe und den Fellmantel zu zahlen. „Okey, dann komm ich am 14. so gegen 16:30 Uhr bei ihnen vorbei wegen der Frisur und dem Kleid!" Bester Laune verließ ich den Laden und stellte erschrocken fest, dass es schon dunkel war. Eilig schlug ich den Kragen meines Mantels nach oben und eilte mit eingezogenem Kopf nach Hause.


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Bedankt euch bei meiner lieben Besten Freundin (sweetpimpf), dass ihr jetzt schon ein neues Kapitel bekommt, ich hatte eigentlich nicht vor, eins vor dem Wochenende hoch zu laden, aber naja...

Here we Go :D

Würde mich wirklich freuen, wenn ihr ein Kommi da lasst, das ist jedes Mal ein kleines Feedback für mich :)

LG,

Love_Aura


Gerettet - Fluch oder Segen? [B.A.P]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt