ACHTUNDZWANZIGSTER AUGENBLICK

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Mittwoch.
Mitte der Woche.
Die Hälfte ist geschafft.

Im Grunde ist es ganz einfach, am leben zu bleiben. Man muss nur die Woche überstehen und es dann wiederholen.
Hört sich leider leichter an, als es ist.

Die Schule macht es mir nicht gerade leichter.

Manchmal sagen Jugendliche, sie würden gerne in die Schule gehen, weil sie dort Freunde sehen würden.
Ein weiterer Grund, wieso ich die Schule hasse.

Allerdings ist da jetzt Grace.
Sie sitzt neben mir auf der Mauer, wo wir eine gemeinsame Freistunde verbringen.

"Wieso sitzt du eigentlich hier mit mir?" rutscht es mir plötzlich heraus.
Sie sieht von dem Buch auf, in dem sie bis gerade noch gelesen hat und zuckt die Schultern.

"Warum nicht?"

Ich senke den Blick.
Weil du die Erste nach so langer Zeit bist, der es egal ist, wie ich bin.
Weil es so viele Andere gibt, die ein besserer Umgang für dich wären.
Weil sonst niemand etwas mit mir zu tun haben will.
Weil du die Erste bist, die mich endlich einmal sieht.

"Keine Ahnung", gebe ich schließlich leise zu, ohne sie anzusehen. Stattdessen spiele ich an einem Zipfel meiner Hose herum.

"Keine Ahnung. Vermutlich habe ich einfach so lange das Gefühl gehabt, unsichtbar zu sein, dass ich vergessen habe, dass ich es nicht bin..."

Ich spüre Grace's Blick für einige Sekunden auf mir, dann beugt sie sich vor und ergreift meine Hand, um sie leicht zu drücken.

"Sag mal, magst du Metaphern?" Ich sehe auf und grinse schief. "Gute Metaphern sind für mich wie Honig für Winnie the Pooh."

"Das war furchtbar schlecht."

Mein Grinsen wird breiter.

"Ich weiß."

Wenn wir sterben - oder wie man das Leben spieltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt