"Siehst du die Sterne?" flüstert Grace, während sie ihren Helm auf dem Sitz ihres Motorrads ablegt.
Ich sehe nach oben.
"Sie leuchten nur für uns", fügt sie lächelnd hinzu.Wir stehen am Rande des Waldes auf dem kleinen Grasstück und blicken auf den See, der sich wunderschön und dunkel vor uns ausbreitet. Ich greife nach ihrer Hand und ziehe die näher zum dunklen Wasser, in dem sich die Sterne spiegeln.
Wie ein zweiter Himmel, der sich vor uns ausbreitet.Grace ergreift meine Hand und zieht mich zum Ufer, wo sie stehen bleibt und auf das leicht bewegte Wasser hinaussieht.
Dann lässt sie meine Hand los und zieht sich die Jacke aus, das T-Shirt folgt kurz darauf. Ich zwinge mich, ein wenig peinlich berührt, wegzusehen. Als ich wieder zu ihr sehe, ist sie gerade dabei, ihre Schuhe auszuziehen.
Bevor ich die fragen kann, was sie da tut, bemerkt sie meinen Blick. Offenbar ist es ihr kein bisschen unangenehm, beinahe nackt vor mir zu stehen.
"Komm schon, Jas!" Mit dem Kinn deutet sie zum See. "Es steht auf meiner Liste!"
"Wir werden uns erkälten!" Wende ich ein und Grace richtet sich nun vollkommen auf. Sie streicht sich eine ihrer roten Haarsträhnen aus den Gesicht. "Na und?" grinst sie, "Sterben tun wir sowieso irgendwann, früher oder später."Ihr freches Grinsen steckt mich an und auch ich beginne nun damit, mich auszuziehen. Grace ist schon dabei, ins Wasser zu rennen, während ich noch auf einem Bein herum hüpfe und versuche, meine Hose über die Schuhe hinweg auszuziehen.
Schließlich renne ich ihr lachend hinterher, in den See hinein.
Ein Schwall Wasser trifft mich, als Grace mich nass spritzt und ich gebe einen leisen Schrei von mir.
Das Wasser ist eiskalt und sickert langsam durch meine Stoffschuhe.
Wieder streckt Grace ihre Hand aus und zieht mich zu sich, dann geht sie rückwärts immer weiter in das vom Mond beleuchtete Wasser hinein.Unser Lachen tönt wie Musik durch die Nacht, als wir uns Wasser eintauchen. Ich spüre die Kälte kaum, so glücklich bin ich. Auch, wenn es beinahe Winter ist, ist es okay.
Wenn Grace bei mir ist, ist die Welt gut. Ich fühle mich stark und frei, als könnte ich alles schaffen.Grace taucht hinter mir aus dem Wasser auf und schlingt die Arme von hinten um mich. Ich lege meine Hände auf ihre, spüre ihren warmen Körper an meinem, ihren beruhigenden Herzschlag an meinem Rücken, ihren Atem, der sich meinem anpasst, auf meiner Haut.
Ich lege den Kopf in den Nacken, als ich ihre Lippen an meinem Schulterblatt spüre und sehe wieder hinauf in die Sterne, die nur für uns Leuchten.Und ich schwöre, in diesem Augenblick sind wir unendlich.
Ich kann nicht sagen, wie lange wir so im Wasser stehen, bis ich schließlich Graces Stimme höre.
"Jasper?"
"Mm?"
Ich weiß nicht, wieso wir flüstern. Vermurlich, weil jeder von uns Angst hat, ein zu lautes Wort könnte diesen Moment zerstören.
Ich will für immer in diesem einen Augenblick gefangen sein, in einem Augenblick, in dem die Welt gut ist."Würdest du mich küssen?" Sonderbarerweise überrascht mich ihre Frage kaum. Stattdessen breitet sich ein kleines Lächeln auf meinen Lippen aus.
Ich drehe mich zu ihr herum.
"Klar. Es steht doch auf deiner Liste und wir haben gesagt, wir machen das zusammen!"
Sie lächelt.
"Würdest du es jetzt tun?"Ich antworte nicht.
Stattdessen gebe ich eine Hand, um ihr mit vor Aufregung zitternden Fingern eine der nassen Haarsträhnen hinters Ohr zu streichen, die an ihrer sommersprossigen Wange klebt.
Dann beuge ich mich vor, plötzlich ziemlich unsicher.
Ich spüre ihren warmen Atem an meinen Wangen, ehe ich die Augen schließe und den letzten, winzigen Abstand zwischen überbrücke, der unsere Lippen noch voneinander trennt.
DU LIEST GERADE
Wenn wir sterben - oder wie man das Leben spielt
Teen Fiction"Sterben stelle ich mir vor, als wäre man high. Man kann all den Schmutz, der am eigenen Leben klebt, vergessen. Es kümmert einen einfach nicht mehr. Und man muss nicht mehr denken. Das ist wohl das Beste daran." Das Bild vom Cover dieses Buches ha...