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Zuerst kam die Prügelstrafe. Beinahe hatte ich es geschafft zu verdrängen, wie schlimm der Schmerz werden konnte, wenn mein Vater seinen Gürtel benutzte wie eine Peitsche. Ich hatte mich zusammengekrümmt und sogar um Gnade gefleht, aber wie früher war ich nur auf eine Wand aus Granit gestoßen. Erst als sich mein Rücken anfühlte wie rohes Hackfleisch, durfte ich mich gehen. Auf mein Zimmer, für den Rest des Tages, ohne Essen oder Trinken.

Bis auf mein Bett stand jetzt gar nichts mehr an Möbeln in dem Raum unter der Dachschräge. Meine Klamotten lagen auf einem unordentlichen Stapel in einer Ecke, das wars. Weinend fiel ich auf die harte Matratze, die sich wie blanker Stein unter meinem Bauch anfühlte und nicht so schön nachgab wie die von Tim und die nach nichts duftete, nicht einmal nach dem süßlichen Parfümgeruch, der über dem restlichen Haus lag. Träne um Träne sog sich in das Laken ein, während ich mein Gesicht darin vergrub, schluchzte, gedämpft meinen Selbsthass hinausschrie. Mit den Händen trommelte immer wieder auf das Bett, krallte sie in meine Haare und riss in meinem Strudel aus Gefühlen versehentlich auch mehrere Strähnen heraus. Was hatte alles jetzt noch für einen Sinn? Es war hoffnungslos, noch einmal zu entkommen!

Langsam wurde ich ruhiger aus Angst vor meinen Eltern und was sie mir antun könnten, wenn ich weiter so einen Lärm veranstaltete. Stattdessen spürte ich meinen Rücken wieder im vollen Maße rebellieren, mit zusammengebissenen Zähnen wollte ich meine Haut betasten und zuckte augenblicklich zusammen vor Schmerz. Zitternd sah ich meine Finger an. Es klebte Blut an ihnen. Vielleicht würde ich Tim bald ähnlicher sehen, als mir lieb war. Mit einer riesigen Narbe gekennzeichnet, damit jeder sehen konnte, dass meine Familie mich aus ihrem Kreis verstoßen hatte.


POV Tim

"Bitte stell das wieder hin. Tim, reiß dich zusammen, auch wenn es schwer fällt!" Doch ich hörte nicht auf Molly. Ein Buch nach dem anderen schmiss ich schwungvoll vom Regal auf den Boden und sah zu, wie sich einzelne alte Seiten aus ihnen lösten und über das allgemeine Chaos flatterten. Mutter stand am Eingang und schaute mir bei meinem Zerstörungswahn zu. Als ich jedoch keine Wälzer mehr übrig hatte und stattdessen zum Computer griff, um ihn mit aller Kraft zerschellen zu lassen, trat sie rasch an mich heran und hielt meine Unterarme fest. "Tim, beruhige dich. Wenn du das tust, haben wir kein Geld um den zu ersetzen. Dann wars das mit dem Hof!"

"Du hast ja keine Ahnung", brüllte ich gedankenlos, "Ich hab ihn geliebt und er hat uns verraten und im Stich gelassen!" Ich versuchte mich gegen ihren Griff zu wehren, doch es war aussichtslos. Sie mochte alt aussehen, aber auch sie hatte früher ausgemistet, gemelkt, Pferde zugeritten und eine unglaubliche Kraft in ihren Armen, selbst nach all den Jahren.

"Oh doch junger Mann, ich habe sehr wohl eine Ahnung wie sich Verlust anfühlt. Ich habe Tiere verloren, mehr als ich zählen möchte, meine Eltern, meine Schwester und meinen Ehegatten! Ich habe Stegi auch wie einen Sohn geliebt und kann noch nicht fassen, dass er weg ist. Aber das hier ist leider größer als nur wir selbst. Hier geht es um unsere Zukunft. Trauer so viel wie du musst und dann komm wieder, um mir zu helfen. Aber so kannst du nicht arbeiten. Ich verstehe dich. Es wird irgendwann wieder besser werden...!"

Langsam ließ ich meine Arme sinken. Unbeschadet kam der Computer wieder auf seinem angestammten Platz. Dann wandte ich mich wortlos um. "Wohin gehst du?", erkundigte Molly sich jetzt wieder ruhiger.

"Mich anders abregen", antwortete ich verdrießlich.

"Meinst du damit Sättel putzen? Ich habe das Zeug nämlich weggekippt!"

"Was? Warum?!", fauchte ich sie zornig an.

"Ich habe herausgefunden, dass du es nicht ausschließlich fürs Putzen genutzt hast. Und ich kann dir kaum sagen, wie enttäuscht ich von dir war. Das Zeug ist so teuer und du hast damit deiner Gesundheit geschadet und das Leder dünn gescheuert. Jetzt bist du endlich wieder clean, also fang nicht noch ein drittes Mal damit an!"

"Dann geh ich halt ausreiten!" Den Tränen nahe stürmte ich an Molly vorbei, riss Rexis Box auf, zog mich ohne Sattel und Zaumzeug auf ihren Rücken und ließ sie aus dem Stall heraus antraben. Was Mutter mir nachrief, hörte ich schon gar nicht mehr durch das Blut, das heiß durch meine Ohren rauschte. Es tat weh, es tat so sehr weh! Der Kleine, dieser süße unschuldige Junge hatte uns vom ersten Tag an angelogen und Glauben gemacht, außer uns niemanden mehr zu haben. Schlecht behandelt worden zu sein bei der Familie, für die er zuvor gearbeitet hatte. Und ich Vollidiot hatte ihm jedes Wort aus der Hand gefressen wie ein naives Hündchen. Ich wollte Stegi hassen für das, was er uns vorgemacht und wie sehr er mich verletzt hatte. Aber ich konnte nicht. Es tat noch zu sehr weh und ich wusste nicht, wie ich den Schmerz stoppen konnte...

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