Ein stetiges Tropfen brachte sie wieder zur Besinnung. Mühsam öffnete sie ihre geschwollenen Lider und reckte ihren Kopf, so gut es ihr in ihrem derzeitigen Zustand möglich war, nach oben.
Wohin sie auch sah, erblickte sie Dunkelheit. Ein Licht brannte sich in ihre empfindliche Netzhaut hinein, dass es schmerzte. Ein milchiger Film von Eiter bedeckte ihre Augen und machte es ihr somit unmöglich einen klaren Blick zu erhaschen. Doch sie erkannte eine Fackel, die an einer Höhlenwand in ihrer Nähe brannte. Sie sorgte für ein wenig Licht in der trostlosen Stille. Man hatte sie in einen alten Kerker gesperrt, der einen fiesen Gestank mit sich zog, ganz geschweige von der durchgehenden Nässe. Wie lange sie bereits hier unten verweilte, konnte sie nicht sagen. Es fühlte sich jedoch so an, als wären bereits Monate dahingezogen. Geschockt betrachtete sie ihre am Körper zugefügten Verletzungen. Große Fleischwunden an Bauch und Oberschenkel, aus denen sich das Blut seinen Weg nach draußen suchte. Nun konnte Sie auch das tropfende Geräusch zuordnen. Es war ihr eigenes Blut, dass durch die Dunkelheit in die Pfütze hinabfiel, in der sie derzeit zu sitzen schien. Ihr einmal so wunderschön seidiges Gewand, klebte durchnässt zwischen ihren Pobacken. Das unwohle Gefühl des Stofffetzens, ließ sie unbeholfen hin und her wiegen. Doch alles was sie hierbei erreichte, war, dass das Wasser der Pfütze aufschwappte, und sie leichte Kreise darin beobachten konnte.
Sie zerrte an den schweren Metallfesseln, die ihre beiden Handgelenke umschlungen hielten, wie zwei garstige Biester, die sie davon abhielten zu fliehen. Der ohrenbetäubende Lärm, den sie dabei verursachte, war vermutlich nicht gerade vorteilhaft, aber es war ihr in dem Moment egal. Sie wollte endlich wieder die frische Luft der Freiheit einatmen.
Was ist geschehen, versuchte sie sich zu erinnern.
Doch ihr Kopf ließ nicht zu, dass sie ihre übrige Energie an einen Gedanken verschwendete. Diese unfassbar brennenden Kopfschmerzen hinderten sie daran. Sie griff an die Stelle des Schmerzes, und ertastete eine schleimige Substanz. Ein Blick auf ihre Finger genügte, und sie wusste, dass man ihr die Schädeldecke geöffnet hatte.
"Ah, wir sind also wach?"
Sie sah in die beinah pechschwarzen Augen ihres Peinigers und mit einem Mal fiel ihr alles wieder ein.
"Du wirst damit niemals durchkommen."
Ein dreckiges Grinsen zeichnete sich auf seinem Gesicht ab und ließ seine gelben Zähne hervorblitzen.
"Nur, weil du mir die Informationen nicht geben willst, die ich gerne hätte, heißt das nicht, dass ich sie nicht bekommen werde."
"Er wird dich aufhalten."
"Wer?"
"Torben."
Ein schweres Husten überkam sie, und sie sah schockiert auf ihre blutbespuckte Handfläche.
"Denkst du ernsthaft, ich würde dich am Leben lassen?"
"Wenn Torben dahinterkommt, dann wird er nicht ruhen, bis du tot bist."
"Das ist mir durchaus bewusst, Schätzchen. Deshalb habe ich alles ganz genau durchdacht. Ich werde deinen Tod auf jemand anderen schieben, und zwar auf eine Person, die es redlich verdient hat. Die notwendigen Indizien sind bereits gestreut."
"Du Mistkerl."
Erneut musste sie husten. Die Schmerzen ihres Kopfes hämmerten ihr gegen die übrig gebliebene Schädeldecke.
"Du weißt, dass du einen Engel nicht töten kannst", kam es beinah in einem Flüsterton aus ihrer Kehle.
Ihr Atem stockte, dann setzte er wieder ein.
"Natürlich. Ich habe jedoch ein passendes Werkzeug besorgt, um dir deine Flügel zu entfernen, und dich endlich von deinem Leiden zu erlösen."
Ihre Augen weiteten sich, als sie auf die riesige speziell maßangefertigte Säge blickte. Diese Säge, ein Unikat und überall im Himmel bekannt und gefürchtet.
"Woher hast du sie?"
"Das spielt für dich keine Rolle mehr. Mein Gesicht wird das Letzte sein, das du sehen wirst, bevor du ..."
Er tippte nachdenklich amüsiert mit dem Zeigefinger an sein Kinn.
"Tja, wo gehen Engel wohl hin, wenn sie sterben? Im Himmel sind sie ja bereits."
Er näherte sich ihr langsam und zielstrebig mit der Säge. Hektisch zerrte sie an ihren Ketten, obwohl sie wusste, dass es nichts brachte.
"Wohin du auch immer gehen wirst, es ist mir scheißegal, eine lästige Fliege weniger."
Herabwürdigend spuckte sie ihm vor die Füße.
"Was denn? So lauten deine letzten Worte?"
"Du wirst dich noch wundern."
"Wie du meinst."
Wie ein Holzfäller schwang er die Säge von seiner Schulter, nahm einen ihrer Flügel unsanft in die Hände, und fing an ihr Todesurteil zu unterzeichnen. Das kratzende Geräusch, wie sich die Säge in die unheimlich feste Materie zwischen Flügel und Fleisch hineinbohrte, war nicht zu überhören, aber kein Vergleich zu dem markerschütternden Schrei, den sie von sich gab.
Ihr Peiniger genoss diesen Moment der Macht und ließ sich genügend Zeit für sie.
******************************************
Ich freu mich über eure Kommentare und Votes ; )
DU LIEST GERADE
BLACK FEATHER (Wird überarbeitet)
FantasySherins Leben gerät innerhalb weniger Stunden aus dem Gleichgewicht, als sie an dem Geburtstagsabend ihres Bruders Alan eine Feder findet. Eine äußerst eigenartige Feder, die sie als Ornithologin dringend untersuchen möchte. Doch die Ereignisse über...