Lost

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Kai

„Sag mir in meinem Zimmer was du sagen wolltest.", murmelte ich Riko leise zu während wir der Neuen folgten. Doch er schüttelte nur den Kopf. „Ist nicht wichtig.", flüsterte er zurück, „Kümmern wir uns erst um die Proben. Danach sage ich, was ich sagen wollte." Ich seufzte. Er hat wirklich ausgesehen als wäre es wichtig gewesen. „Warum sollst du dir eigentlich ne Predigt von Jack anhören?", fragte Nala, an Markus gewandt. Der wollte, dass ich mich ihr annähere, damit er sie kennenlernen kann nur weil er zu schüchtern ist. Oder zu schüchtern war. „Ich hab vergessen dass Jack auf manche Pflanzen allergisch reagiert und habe ihm wohl die falsche ins Zimmer gestellt.", meinte Markus. Er hat sich extrem in die neue verguckt. Und sie in ihn. Ich bin mir zu hundert Prozent sicher, dass er es auch gemerkt hat. Ihre Augenfarbe hatte sich nämlich geändert. In einen hässlichen Lachs-ton. Die Farbe die ich in den Augen der Engel am meisten verabscheute. Mir wurde beigebracht, dass Liebe und Bindungen nur Schmerzen und Probleme mit sich bringen und irgendwann habe ich von ganz allein angefangen Liebe zu hassen. Weil ich Angst vor ihr hatte. Weil ich Angst habe mich an jemanden zu binden und von dieser Person verletzt zu werden. Und ich hasse Dinge vor denen ich Angst habe. So wie bei meinem Vater. Riko wusste immer noch nicht, an was ich gestorben bin. Genauso wenig wie ich es von ihm wusste, niemand von uns hat es dem anderen erzählt weil darin unsere Ängste liegen. Irgendwie wollte ich trotzdem rausfinden, vor was er sich am meisten fürchtete. Abgesehen von Gewittern natürlich. Ja, er hat Angst vor Gewittern, deshalb leiste ich ihm bei jedem Gewitter seelischen Beistand indem ich die ganze Zeit bei ihm im Zimmer bleibe. Manchmal verstecke ich mich mit ihm unter seiner Decke, wenn es ganz schlimm ist. Aber nur, wenn es ihm auch recht ist. In manchen Momenten will er es nicht und ich lasse ihn dann auch in Ruhe. Im Hauptraum angekommen, suchten Riko und ich den Rest der Band zusammen und fingen sofort mit den Proben an.

( Ende der Proben )

„Kai du gehst morgen doch zu Diego oder?", Lucy wandte sich an mich und auch der Rest der Band hatte das Gesicht zu mir gedreht. „Ja schon... und?", ich drehte planlos an den Stimmmechaniken meiner Gitarre, da ich nicht wusste wo ich hinsehen soll. „Wie wär's wenn du ihn fragst ob er was französisches singen kann? Das Publikum hat sich ihn schon länger gewünscht.", fuhr sie fort. Das stimmt. Er ist unser einziger französischer Sänger. „Ja ich frage ihn.", brummte ich. „Gut dann ist das hier geregelt. Gute Arbeit Leute.", lobte sie die Band. Es war mittlerweile 14:56 Uhr also fast drei Uhr Nachmittags. „Ich hab Hunger, essen wir was?", fragte Riko mich und ich stimmte ihm zu. Da der Rest meiner Freunde sich bei Nala niedergelassen hatte, setzte ich mich etwas widerstrebend auch zu ihnen.

Nach dem Essen hielt ich es nicht mehr aus und wollte endlich mit Riko sprechen. Ich nahm seine Hand und zog ihn die Gänge hinter mir her ohne auch nur ein Wort zu sagen, aber er sagte auch nichts. In unserem Zimmer angekommen legte ich sofort los: „Also, was wolltest du mir sagen?" „Ich wollte mich für mein Verhalten vorhin entschuldigen... tut mir leid, dass ich dir nicht sagen kann warum ich so reagiert habe. Du musst warten. Bitte."„Nein Riko entschuldige dich nicht. Ich sollte mich entschuldigen. Ich habe dich nicht behandelt wie man einen Freund eigentlich behandelt.", unterbrach ich ihn. Bei meinen Worten sah er für einen Moment enttäuscht aus. Warum? Warum nur kann er seine Augenfarbe unter Kontrolle halten? Ich würde so gerne wissen, wie es ihm jetzt geht. Da fiel mir der Lila-schimmer von vorhin wieder ein. Nein, das war doch nur Einbildung. Oder? „Schon okay. Ich kenne dich ja gut genug, um zu wissen, dass du nicht immer alles so meinst.", er lächelte wie immer ganz leicht, „Ich gehe ein wenig nach draußen." „Ich komm mit.", wollte ich schon sagen. Doch er hob den Zeigefinger. „Alleine.", murmelte er mit einem wieder ernsten Gesichtsausdruck. Ich will ihn aber nicht alleine lassen. Irgendwas in mir wollte das nicht. Doch vor ihm gab ich mich natürlich geschlagen. „Na gut.", brummte ich etwas beleidigt. Riko lächelte wieder und ging nach draußen. Ich seufzte. Ich würde ihm jetzt so gerne einfach folgen. Aber ich bin doch kein Lügner und breche mein Wort. Pfff... darauf kann man bei mir lange warten.

Ich ging lieber zu Sasha und Sergey, die wieder irgendwelche Outfits für unsere Band designten. Was ich ziemlich sinnlos fand, aber es war ein netter Zeitvertreib. Sie wollten, dass wir alle einigermaßen gleich auf der Bühne aussahen. Ich sah aus dem Fenster ihres Zimmers, das ziemlich weit oben lag. Der Himmel war stark Bewölkt und sah sehr dunkel aus. Ob Riko bald wieder kommen wird? Ich denke schon, er hält es bei einem Gewitter nur bei uns im Zimmer aus. Ich hoffe nur, dass er es schafft bevor der Sturm beginnt. Um 18:00 Uhr war er immer noch nicht da und es regnete wie aus Eimern. Wo bleibt er nur? „Kaichen? Hast du irgendwo Rikolein gesehen?", ich vernahm Hacks vertraute Stimme. Als ich mich umdrehte, stand er im Türrahmen des Zimmers der Zwillinge. „Kaichen? Rikolein? Was soll der –" „Hast du oder nicht?", unterbrach er mich. Ich schüttelte den Kopf. „Suchen wir ihn? Bei so einem Gewitter sollte er nicht draußen sein. Es hat angefangen zu schütten.", er sah ein wenig besorgt aus. Ich nickte und stand sofort auf um aus dem Raum zu laufen. Vielleicht ist er ja schon da? Ich sehe in unserem Zimmer nach.

Doch dort fand ich ihn nicht. Mit Hack liefen wir in die Küche und fragten nach, doch auch dort hat ihn niemand gesehen. Im Hauptraum hatten wir genauso wenig Erfolg. Wir müssen ihn doch irgendwo finden können, er kann nicht einfach verschwunden sein. „Rikolein kann bei diesem Wetter doch niemals draußen sein!", meinte Hack. „Such weiter.", wies ich ihn an. Mein Herz begann zu rasen. Riko wo bist du? Was ist, wenn ihm was passiert ist? „Geh bei den Mädchen nachsehen, ich guck draußen an den Seiten der Ruinen nach!", kommandierte ich Hack schon wieder herum, doch ihm machte es zum Glück nichts aus. Er nickte nur und verschwand in die Richtung der Mädchenzimmer. Ich lief den Gang entlang und kam am Wächter vorbei. Ich konnte es nicht glauben, er schlief doch tatsächlich. „HEY DU. Wach auf! Hast du Riko gesehen?", ich schüttelte ihn grob an den Schultern. Er riss erschrocken die Augen auf und schüttelte dann den Kopf. Verdammt. Ich riss die Tür auf und lief nach draußen. Sofort peitschte mir Wasser gegen das Gesicht. „RIKO!", ich versuchte den Wind zu übertönen, doch anscheinend ohne Erfolg. Ich hörte nichts. Ich lief die Wände entlang, suchte die gesamte Ruine ab.

Nichts. Ich fand keine Spur von ihm. Ich bekam es wirklich mit der Angst zu tun. Warum pocht mein Herz so stark? Vielleicht hatte Hack ja Glück. Ich rannte wieder rein. Klatschnass lief ich durch die Gänge, bis ich auf Hack traf. „Nirgends. Bei den Mädchen ist er nicht.", informierte mich Hack. Auch ich erläuterte ihm meine Suchergebnisse. „Scheiße.", murmelte Hack. So schnell ich konnte lief ich tropfend durch die Gänge bis ich vor unseremRaum stand. Vielleicht sind wir einfach aneinander vorbeigelaufen? Mein Puls wollte sich nicht beruhigen. Hoffnungsvoll und mit zitternden Händen drückte ich die Türklinke runter.

Downed AngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt