Kapitel 12

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Lange liege ich wach neben Winnetou und kann einfach nicht schlafen. Schon seit einiger Zeit atmet er regelmäßig, also wird er es wohl kaum merken, wenn ich mal kurz rausgehe. Vorsichtig entferne ich mein Messer von seinem Gürtel und klappe es zu. Dann stecke ich es an den üblichen Platz. Leise schleiche ich zum Eingang. Ich muss irgendwie die Wachen ablenken. Also nehme ich einen Stein in die Hand und werfe ihn so weit es geht vom Wald weg. Sofort greifen die Männer nach ihren Waffen und nähern sich dem Geräusch. Diesen Moment nutze ich und renne hinter einen Busch, direkt am Waldrand. Mit pochendem Herz halte ich die Luft an. Als nichts passiert und die Männer sich wieder hinsetzten. Schaue ich mich um. Meine Augen haben sich mittlerweile an das dunkle gewöhnt. Ganz vorsichtig gehe ich den kleinen Pfad in Richtung Fluss lang. Dort angekommen gehe ich immer Flussabwärts. Gedankenlos und ohne auf meine Umgebung zu achten setze ich einen Fuß vor den anderen. Nach einiger Zeit fühle ich mich beobachtet. Unsicher bleibe ich stehen. Ich sollte langsam wieder zurück gehen. Auf einmal legt sich eine Hand auf meinen Mund und eine um meine Taille. Ein muskulöser Körper drückt sich an mich. ,,Willst du etwa schon gehen?", ertönt eine fremde Stimme neben meinem Ohr. Ich zucke zusammen. Ein Lachen ertönt und einige Krieger kommen aus Büschen gesprungen. Sie sehen nicht aus wie Apachen. Dann sind es bestimmt Comanchen. Auf jeden Fall keine Freunde. Der Mann dreht unsanft meine Arme auf den Rücken und bindet sie fest. Ich keuche vor Schmerzen auf.
,,Nicht traurig sein. Gewöhn dich schon mal an den Schmerz. Und glaub ja nicht, dass dich dein Häuptlingssohn retten kommt", höhnt der scheinbare Anführer. Trotzig schaue ich ihm in die Augen und trotz der Dunkelheit sehe ich ein belustigtes Blitzen in seiner Iris. Unachtsam werde ich zu den Pferden gezogen und auf einem verfrachtet.

Die Sonne geht gerade auf, als wir das Lager der Comanchen erreichen. Die ganze Zeit über musste ich mir dumme Sprüche anhören und gerne hätte ich ihnen meine Meinung gesagt, aber ich hielt lieber meinen Mund. Ich war schon fast erleichtert, als ich vom Pferd gezogen werde und durch die Zelte gezogen werde. Schließlich werde ich an einen einfachen Holzpfal gebunden. Anscheinend wollen sie mich nicht töten, sonst würde ich jetzt am Marterpfal hängen, den man nur zu gut etwas weiter entfernt sehen kann. Ein Mann mit bunter Farbe im Gesicht tritt aus einem Zelt und kommt auf mich zu. Grinsend betrachtet er mich.
,,Jetzt wo wir dich haben, ist es leicht, Winnetou zu bekommen", sagt er mit einem Grinsen im Gesicht. ,,Lass Winnetou da raus. Töte mich wenn du es unbedingt willst", kommt es wütend von mir. ,,Es wäre doch doch schade so eine Schönheit einfach qualvoll sterben zu lassen. Doch an meiner Seite siehst du wundervoll aus." Fast schon sanft streicht er über meine Wange und meine Lippen. Angewiedert verziehe ich das Gesicht und drehe meinen Kopf weg.
,,Wir holen jetzt Winnetou", sagt er zu seinen Männern. ,,Er wird euch niemals glauben", zische ich. Ein ekliges Grinsen schleicht sich auf die Lippen meines Entführers. ,,Da irrst du dich aber." Mit einer schnellen Bewegung schneidet er eine Strähne aus meinen Haaren. Dann dreht er sich um und schwingt sich auf ein Pferd.

Ein paar Stunden später kommen die Comanchen mit einem gefesselten Winnetou zurück. Seine Haare fallen ihm wirr ins Gesicht und er sieht unglaublich kaputt aus. Kraftlos lässt er sich an den Pfal neben mir binden. Jetzt erst sehe ich seine aufgeplatzte Lippe und die leichten Messerschnitte an seinen Armen. Der Häuptling hockt sich vor Winnetou der Halbtot auf dem Boden hängt. Die Faust unseres Entführers landet in seinem seinem Magen. Kein Ton kommt über seine Lippen, aber seine Augen, Körperhaltung und der Gesichtsausdruck sagen alles. ,,Warte", rufe ich laut. Der Comanche, dessen Namen ich immer noch nicht weiß, kommt mit zwei Schritten zu mir.
,,Lass ihn inruhe. Er ist schwach. Tob dich an mir aus. Na los, schlag mich", sage ich laut.
,,Schlag mich endlich", schreie ich ihn an. ,,Ich hab es verdient. Nicht er, ich bin es Schuld", rufe ich in sein Gesicht. Aus dem Augenwinkel sehe ich wie Winnetou den Kopf hebt. Seine Hände umfassen meinen Kiefer.
,,Dieses Gesicht ist zu schön zum verletzten. Heute lasse ich von ihm ab. Dafür wirst du die Nacht mit mir verbringen." Ich versuche mir nichts anmerken zu lassen, obwohl ich weiß, was das bedeutet. Winnetou will was sagen, hat aber keine Kraft und lässt den Kopf wieder sinken. Meine Seile werden durchgeschnitten und unsanft werde ich zum Häuptlingszelt gezogen. Der Mond ist mittlerweile schon aufgegangen. Um es hier raus zu schaffen, muss ich erst die Nacht über mich ergehen lassen. Schon die abgestandene Luft erzeugt einen leichten Würgreiz bei mir. Kraftlos lasse ich mich auf die Felle drücken. Nervös schaue ich mich um. Überall hängen Skalps, tote Tiere und ekliges, undefinierbares Zeug. Ich spüre Übelkeit in meinem Magen und bin froh, nicht viel gegessen zu haben. Sobald er auf mich zu kommt rutsche ich bis hinten an die Wand. Auch wenn mir das nichts bringt. Dann schließe ich die Augen und warte einfach ab.

Kein einziger Schrei kam über meine Lippen, ich wollte Winnetou nicht quälen. Mit schrecklichen Schmerzen warte ich angspannt auf den richtigen Moment. Nach ein paar Stunden fühle ich mich sicher genug und stehe vorsichtig auf. Da bestimmt Wachen aufgestellt sein werden versuche ich wieder die Sache wie bei den Apachen. Ich suche mir einen geeigneten Stein und werfe ihn die Böschung runter. Sofort springen alle auf und rennen den Berg runter. Keuchend mache ich einen Schritt nach dem anderen. Mein Unterleib schmerzt höllisch, aber ich muss es zu Winnetou schaffen. Die Wachen durchsuchen immer noch die Büsche, als ich Winnetou losmache und mit ihm stützend in Deckung gehe. Jetzt hoffe ich auf die Dummheit der Comanchen. Und tatsächlich setzen sie sich wieder hin und bemerken Winnetous verschwinden nichtmal. Müde schleppen wir beide uns Stück für Stück vom Lager weg, in den rettenden Wald. An einem Fluss ziehe ich meine Hemd aus und fange vorsichtig an die Wunden von Winnetou zu säubern.

Das weiße MädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt