Kapitel 28

5.2K 231 12
                                    

Gut ausgeschlafen, wache ich am nächsten Tag auf. Winnetou ist nicht mehr da, also wird es schon später sein. Schnell ziehe ich mir neue Sachen an und richte meine Haare. Ich sollte mich mal auf die Suche nach etwas zuessen machen. Gestern hab ich das irgendwie vergessen. Ungeduldig stelle ich mich zu den Frauen und warte, bis ich endlich etwas bekomme. Gerade als ich fertig bin, schmeißen ein paar Apachen Speere, Messer, Äxte und Pfeile auf einen Haufen. Sofort wird es voller und alle setzen sich abwartend hin. Planlos setze ich mich auch hin und warte, dass etwas passiert. Wenig später kommt Winnetou. Zusammen mit anderen fängt er an, die Waffen gerecht an die Männer zu verteilen. Die Frauen bekommen Messer zur Notverteidigung. Am beliebtesten sind die mit Metallklinge, die mit den anderen Stämmen getauscht wurden. Da ich schon mein Messer habe und es auch niemals abgeben werde, suche ich mir einen Stein und fange an die Klinge zu schärfen. Ein Kreischen bekommt meine Aufmerksamkeit und ich erblicke eine aufgeregte Dibe.
,,Wo ist es?", ruft sie und sucht nach irgendetwas. Die Szene erinnert mich an Herr der Ringe wo Gollum verzweifelt seinen Ring versucht zu bekommen. Automatisch ziehen sich bei dem Gedanken meine Mundwinkel nach oben. ,,Ich wette sie hat es", ruft sie jetzt und kommt genau auf mich zu. ,,Gib mir mein Messer, weißes Mädchen", keift sie. Es wird still. Geduldig lasse ich mein Messer zuschnellen. Das Klacken durchbricht die Stille und hallt leicht. ,,Ich hab keine Ahnung was du von mir willst. Warum sollte ich dein Messer nehmen wenn ich doch mein eigenes habe?", frage ich provokant und halte ihr meins vors Gesicht. Ihr Gesicht verfinstert sich, doch sie bleibt stumm. ,,Gibts noch was? Ich würde dann gerne gehen." ,,Nur weil Winnetou dich gern hat heißt es nicht, dass du dir alles erlauben kannst. Halt dich von ihm fern." ,,Arschloch", zische ich ihr ins Gesicht. Alle schauen verwirrt, außer Winnetou der als einziger weiß, was es bedeutet. Winnetou grinst mir kurz zu bevor er wieder ernst wird.
,,Übrigens liegt da ein Messer", sage ich grinsend und deute hinter sie. Sie dreht sich um und ich entferne mich schnell. Als sie merkt, dass ich sie nur verarscht habe höre ich sie laut aufstampfen. Ach ist das witzig. Da ich mich jetzt besser erstmal nicht blicken lassen, gehe ich aus dem Lager und erkunde weiter die Gegend. Viel zusehen gibt es nicht, viel Felsen ab und zu größere Wiesen und immer mal wieder ein paar Wälder. Ein Fluss plätschert ebenfalls nicht weit entfernt ins Tal runter und etwas versteckt hinter ein paar Felsen habe ich einen kleinen Bergsee gefunden. Ich setze mich an das Ufer und beobachte wie das Wasser in kleinen Wellen, die vom Wind entstehen, zum Ufer schwappt. Ab und zu glitzert eine Welle im schwachen Sonnenlicht.

,,Woher wusste ich bloß, dass du kommst", seufze ich, als Winnetou sich neben mich setzt.
,,Soll ich wieder gehen?", fragt er und grinst. ,,Bloß nicht."
,,Mira war heute nicht freundlich zu Dibe." ,,Na und sie hat es verdient. Ich muss mir ja nicht alles gefallen lassen oder?" Er lacht leise. ,,Winnetou weiß nicht was er machen soll. Dibe nervt ihn." ,,Und da fragst du mich? Ich hab keine Ahnung was in den Köpfen deines Stammes vorgeht." ,,Mira hat ihren eigenen kleinen Kopf", sagt Winnetou und im nächsten Moment zieht er mich am Kopf zu sich und verwuschelt meine Haare. ,,Winnetou lass das", sage ich dumpf gegen sein Oberteil. Wieder lacht er. ,,Winnetou hört Mira nicht." Das ist ja schlimmer als in meiner Zeit. Verzweifelt schlage ich um mich und treffe auf seine harten Bauchmuskeln. Der Griff lockert sich und das Lachen wird lauter.
,,Ist das alles was Mira drauf hat?" ,,Ich war halt in einer scheiß Lage", rechtfertige ich mich und ordne meine Haare.
,,Was ist das für ein Wort?" Ich überlege. Ich kann ihm ja schlecht die echte Übersetzung sagen. ,,Naja... also. Nicht so wichtig. Das ist schwer zu erklären." ,,Winnetou wird Miras Sprache nie verstehen." Ich nicke. ,,Aber eure ist auch nicht leicht." ,,Möchte Mira noch mal schießen?" Winnetou greift neben sich und hält mir seinen Bogen hin. ,,Das fragst du noch?", sage ich sarkastisch und nehme dem Bogen an mich. Ohne zu warten stehe ich auf und suche nach den Pfeilen. Winnetou steht ebenfalls auf. Er drückt mir ein paar Pfeile in die Hand und sieht sich um. ,,Wir sollten dort hingehen. Der Baum ist ein gutes Ziel." Ich nicke zustimmend und stapfe hinter Winnetou her.

So wie vor ein paar Tagen, lege ich den Pfeil ein und ziele. ,,So wird Mira nie treffen", sagt Winnetou tadelnd und spannt die Sehne weiter als ich es jemals schaffen werde. ,,Das ist unfair. Du hast viel mehr Kraft", motze ich. Der nächste Pfeil verfehlt sein Ziel. ,,Mira wird es nie schaffen", lacht Winnetou. Wütend trete ich ihm gegens Schienbein. Eine Sekunde später liege ich auf dem Rücken. Verzweifelt schnappe ich nach Luft und versuche mich zu orientieren. ,,Mira sollte wissen, dass Winnetou stärker als sie ist." Grinsend beugt er sich über mich. Ich richte mich wieder auf und schaue ihm in die Augen, welche vergnügt funkeln. Mit aller Kraft schubse ich ihn weg. Überraschend fällt er nach hinten. ,,Ich bin aber schlauer", sage ich grinsend, nehme mir den Bogen und sprinte los. Weg einfach nur weg. ,,Mira komm zurück", schreit Winnetou, man hört allerdings sein Grinsen raus. ,,Nein", rufe ich zurück und springe auf einen Stein. Ohne anzuhalten renne ich durch die Landschaft. Mein Puls rast und mein Atem sticht, doch ich will nicht anhalten. Immer wieder höre ich schwere Schritte hinter mir. Das Atemgeräusch wird immer lauter und aufeinmal werden mir die Beine weggezogen und ich lande unsanft auf dem Boden. Das gibt ordentliche blaue Flecken. Sofort dreht Winnetou mich auf den Rücken und fixiert meine Arme und Beine. ,,Mira wird ebenfalls niemals schneller als Winnetou sein", grinst er und nimmt seinen Bogen an sich. Wirr hängen ihm seine Haare im Gesicht. Sanft streicht er mir meine Haarsträhnen aus dem Gesicht. Ich will echt echt nicht wissen wie ich aussehen. Ist das hier normalerweise nicht die Szene wo das Paar sich liebvoll küsst? Tja dumm nur, dass Winnetou und ich weder ein Paar sind noch in einem verrückten und klischeehaften Film mitspielen. Das hier ist pure Realität und deswegen geht Winnetou ohne etwas zu machen von mir runter. Die spitzen, kleinen Steinchen drücken nun weniger in meinen Rücken, trotzdem ist der Untergrund nicht der bequemste. ,,Wenn ein Mädchen hinfällt, dann hilft man ihr, Häuptlingssohn", schreie ich hinter Winnetou her, der sich einfach aus dem Staub macht.
Er bleibt stehen und dreht sich um. Mühsam stehe ich auf. Die ganze Zeit während ich zu Winnetou laufe mustert er mich und steht unbeweglich mit verschränkten Armen da.
,,Bin ich etwa so hübsch, dass du die Augen nicht von mir lassen kannst?", frage ich in seinem spöttischem Ton. Er fängt an zu grinsen. ,,Das weiß nur der große Geist." Idiot. ,,Können wir los? Ich hab Hunger." ,,Mir scheint als hätte Mira immer Hunger."
Das Essen ist ja auch nicht wirklich nahrhaft und abwechslungsreich.

Das weiße MädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt