Immer wieder drehe ich den Stock an einem größerem Holzstück. Doch es klappt einfach nicht. Warum kriege ich das nicht mehr hin? Vor ein paar Wochen hat es noch geklappt. Als mir das Holz erneut aus den Händen fällt, trete ich wütend in den Holzhaufen und mein so schön aufgestapeltes Holz liegt überall verteilt. Ich hasse mich dafür, dass ich keine Geduld habe. Mein Blick geht zur Sonne. Sie ist zwar nicht mehr stark, aber teoretisch müsste es doch reichen um... Von meiner Idee begeistert, sammel ich das Holz wieder ein. Dann klappe ich mein Messer auf und leite über das glatte Metall, den Strahl auf das Holz. Nach kurzer Zeit verfärbt es sich schwarz und fängt an zu rauchen. Mit der einen Hand lege ich etwas trockenes Gras auf den Stock. Sofort fängt es an zu glühen und eine kleine Flamme flackert auf. Schnell lege ich mehr Gras und dünne Zweige drauf. Die Flamme wird größer und greift auf das Holz über. Endlich. Entspannt lehne ich mich zurück und schaue dem Feuer zu wie es größer wird. So langsam kriege ich Hunger, Winnetou soll sich mal beeilen.
Nach endloser Zeit taucht er zwischen den Bäumen auf. In seiner linken Hand befinden sich zwei Kaninchen und in der rechten ein undefinierbares Tier. ,,Mira hat es geschafft Feuer zu machen", sagt Winnetou etwas belustigt und setzt sich neben mich. ,,Ja wie du sieht bin ich auch zu etwas in der Lage."
Dann sehe ich zu den drei toten Tieren. Das dritte scheint ein kleines Raubtier zu sein, aber ich kenne es nicht. ,,Du hast die Ehre sie auszunehmen", sage ich grinsend und entferne mich vom Feuer. Das muss ich mir nicht antun. Mit dem Rücken zum Feuer setze ich mich neben Aponi, die immernoch gemütlich im Gras liegt. Eine eklige Gänsehaut übersät mich, als ich höre wie Winnetou das erste Tier aufschneidet. Leise fange ich an zu summen. Und tatsächlich, ich höre nichts mehr vom ausnehmen. Wie können Leute so etwas nur machen. Mir würde sich da jedes mal der Magen umdrehen. Immer wieder wiederhole ich die Melodie. Eine der wenigen Sachen, die mir aus meinem alten Leben geblieben sind. Die Sonne ist schon längst untergegangen, aber ich bin momentan zu faul aufzustehen, auch wenn Winnetou schon längst fertig sein müsste.
,,Mira muss auch etwas essen." Dankend nehme ich das Stück Fleisch an. ,,Was hat Mira da eben gesungen?", fragt Winnetou und setzt sich neben mich.
,,Ein Lied aus meine Welt. Es hat mir oft Kraft geschenkt, als ich noch klein war", murmel ich während ich das magere Fleisch vom Knochen ankratze.
,,Hat es auch Text?" Ich nicke.
,,Winnetou möchte es lernen, das Lied ist schön." Ich lache kurz auf. ,,Ich bezweifle, dass du es aussprechen kannst", sage ich und schaue ihn an. ,,Zeig es mir trotzdem."
,,When tomorrow comes
I'll be on my own
Feeling frightened of
The things that I don't know
When tomorrow comes
Tomorrow comes
Tomorrow comes
And though the road is long
I look up to the sky
And in the dark I found, lost hope that I won't fly
And I sing along, I sing along, and I sing along
I got all I need when I got you
and I
I look around me and see a sweet life
I'm stuck in the dark but you're my flashlight
You're getting me, getting me, through the night
Kick start my heart when you shine it in my eyes
Can't lie, it's a sweet life
Stuck in the dark but you're my flashlight
You're getting me, getting me, through the night." ,,Mira hat recht, es ist schwer. Aber schön." ,,Ja das ist es." ,,In meinem Stamm wird nicht viel gesungen. Rufe und Trommeln sind bei uns wichtig."
Da ich nicht weiß was ich darauf antworten soll esse ich einfach weiter. ,,Erzählst du mir noch etwas aus deiner Heimat?", bittet er. ,,Was möchtest du denn wissen?" ,,Ich weiß nicht. Habt ihr viele Regeln?" Ich verziehe mein Gesicht. ,,Mehr als du Sterne am Himmel sehen kannst. Es gibt für alles Regeln, manche werden aufgeschrieben, andere sind in den Köpfen der Menschen drin. Es gibt zum Beispiel Regeln, was man vor anderen Leuten machen darf und was nicht."
,,Und was passiert wenn man das nicht macht?" ,,Es kommt drauf an was du machst. Je nach dem wie schlimm das ist, muss man extra arbeiten oder wird eingesperrt." ,,Winnetou wird Miras Welt niemals verstehen."
,,Ich habe sie auch oft nicht verstanden." Ich betrachte die abgesessenen Knochen in meiner Hand. Winnetou nimmt sie mir ab und geht damit zum Feuer zurück um die unverwertbaren Reste weit vom Lager wegzubringen, damit kein Tier angelockt wird.Aufgeschreckt reiße ich die Augen auf und schaue mich panisch um. Irgendwas hat mich geweckt. Unwohl ziehe ich mein Messer und schaue auf Winnetou, der scheinbar nichts mitbekommen hat. Leise stehe ich auf und versuche in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Ein lautes Fauchen dringt zu mir. Das ist nicht gut. Gar nicht gut. Mittlerweile erkennen meine Augen etwas. Laut bäumt Silver sich auf und versucht sich gegen das Raubtier zu wehren. Ohne nachzudenken greife ich den Stein neben mir und schmeiße ihn in Richtung des Tieres.
,,Komm hier rüber. Los komm her", brülle ich laut und erreiche mein Ziel. Was auch immer es ist, es dreht sich um und kommt auf mich zu. Das Adrenalin schießt durch meinen Körper, als das Tier zum Sprung ansetzt. Mein Messer halte ich kampfbereit vor mir. Doch zum Kampf kommt es nicht, da ein Pfeil sich in den Körper des Tieres bohrt. Mit einem Jaulen wird es zur Seite geschleudert, wo es reglos liegen bleibt. Starke Arme umgreifen mich und ich lasse mich in Winnetous Schutz ziehen. Wie hypnotisiert starre ich auf das Tier. ,,Winnetou ist glücklich, dass es Mira gut geht." Ich will antworten, aber kein Laut kommt durch meine Kehle. ,,Hat Mira sich verletzt?" Ich schüttel den Kopf und schaffe es endlich meinen Blick abzuwenden. Gerade will ich Winnetou danken, als ein klägliches Wiehern ertönt. ,,Die Pferde", flüster ich und entreiße mich der Umarmung. Ohne zu warten renne ich zu den dreien. Sofort hocke ich mich neben das liegende Pferd. Es ist Catori, weswegen ich trotz des schwachen Mondlicht, die Wunde ausmachen kann. Lange Kratz- und Bissspuren bluten aus dem Hals. Entsetzt setze ich mich hin. ,,Nein", hauche ich und streiche ihr über das Gesicht.
,,Es tut mir so leid", bringe ich zitternd hervor. Hätten wir Wache gehalten, wäre das gar nicht passiert. Und jetzt muss Catori dafür büßen. Die Stute schnaubt einmal leise und hört dann auf zu atmen. ,,Nein, nein, nein", murmel ich panisch und klopfe auf ihren Kieferknochen.
,,Komm schon, du darfst nicht nicht sterben." Ein erstickter Laut kommt aus meiner Kehle. Erneut schließen sich beruhigend Arme um mich. Zum Glück sagt er nichts. Für so einen Moment gibt es keine richtigen Worte. Kraftlos sinke ich in Winnetous Armen zusammen. Das letzte was ich mitbekomme, ist ein liebevoller Kuss auf meine Haare, bevor ich in seinem Schoß völlig übermüdet einschlafe.
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Das weiße Mädchen
AdventureMira kommt, nach dem Tod ihrer Mutter, durch unerklärliche Weise nach Amerika. In die Zeit der Indianer. Nach Tagen, in denen sie alleine rumgeirrt ist, trifft sie auf einen Apachenstamm, der sie aufnimmt. Sie lernt die Indianische Sprache Lakota un...