Mein Nacken ist verspannt, als ich aufwache und mein Unterleib fühlt sich an, als wären dort Messer reingebohrt worden. Winnetou dagegen sieht besser aus, seine Wunden haben sich geschlossen und er ist wieder zu Kraft gekommen. Nachdem sich meine Augen vollständig an das Dämmerlicht gewöhnt haben, versuche ich aufzustehen.
,,Wo will Mira hin?" ,,Wir müssen weiter. Zurück zum Dorf." Er schüttelt nur den Kopf. ,,Zu gefährlich. Heute Abend, wenn alle schlafen, holen wir uns ein Pferd und reiten weg. Sonst sind wir zu langsam." Ich nicke nur, da ich gegen ihn eh keine Chance habe. ,,Ich hole Essen und gehe zum Fluss. Du bleibst hier", weist er mich mit strenger Stimme an. Ich sehe ihn nur aus müden Augen an und mache sie dann zu. Mit meinen Schmerzen komme ich sowieso nicht weit. Ein Wunder, dass ich es gestern so weit geschafft hab. Immerhin sind wir bis zu einer kleinen Höhle gekommen. Winnetou nimmt sich mein Messer und verschwindet. Es dauert nicht lange bis ich wieder ins Land der Träume drifte.Ich wache von Fingern auf die mir über die Wange streifen. Sofort schlage ich die Hand weg und rutsche an die Wand. Erschrocken über meine Reaktion geht Winnetou etwas zurück. ,,Was haben sie dir nur angetan", murmelt er traurig.
,,Es tut mir so leid", bringe ich flüsternd aus meinem Mund.
,,Nein. Niemand kann etwas dafür." Auch wenn diese Worte ernst klingen kann ich ihnen keinen Glauben schenken, denn ich war diejenige, die raus gegangen ist. ,,Wo hast du Schmerzen", fragt er sanft und kommt wieder einen Schritt näher. Ich lege meine Hand auf meinen Bauch. ,,Er hat dir die Unschuld genommen hab ich Recht? Er hat dir deine Ehre genommen." Ich schweige nur und starre in die Luft. Da ich nicht antworte, ist die Sache für ihn klar. ,,Dafür wird er büßen", knurrt der Apache und hockt sich hin. ,,Du hast keine Chance. Bitte mach nichts unüberlegtes." Er nickt und hält mir ein paar Beeren hin, aber ich weise ab. Essen ist das letzte was ich will. Doch Winnetou lässt nicht locker und schließlich schlucke ich ein paar Beeren runter und trinke etwas. Schließlich dämmer ich wieder weg.Die Sonne geht unter und wirft goldenes Licht in die Höhle. Endlich ist Winnetou bereit loszugehen. Jeder einzelne Schritt tut weh, doch ich reiße mich zusammen. Das letzte was ich will, ist von meinem Begleiter getragen zu werden. Ich will momentan von niemandem angefasst werden. In der aufkommenden Dunkelheit nähern wir uns wieder den Comanchen. Nur eine Wache ist aufgestellt. Er wird von Winnetou überwältigt und schnell haben wir uns einen Fuchshengst ausgesucht. Brav folgt er uns in den Wald. Das ganze Adrenalin, was durch meinen Körper strömt, macht die Schmerzen unsichtbar. Gegen meinen Willen hilft Winnetou mir aufs Pferd und nimmt hinter mir Platz. Ich fühle mich bedrängt, doch was soll ich machen. Schützend legt er seine Arme um mich und bringt das Pferd direkt zum galoppieren, damit ich nicht unnötig belastet werde. Stück für Stück tauchen die Schmerzen wieder auf und mitten in der Nacht, kurz vor dem Apachendorf, habe ich das Gefühl zu sterben. Sobald ich auf dem Boden stehe, knicken meine Beine weg. Sofort werde ich von Winnetou aufgefangen. Das Pferd übergibt er einem anderem Apachen. Wiederstandslos lasse ich mich in sein Zelt bringen. Wenige Minuten später, die mir wie Stunden vorkommen kommt Naira. Benommen trinke ich einfach das was sie mir gibt und versuche einfach nur einzuschlafen, um die Schmerzen nicht mehr zu spüren. Ich hätte niemals gedacht, dass es so unglaublich weh tut. Die ganze Zeit versuche ich wieder einzuschlafen, was mir nach ein paar Stunden gelingt.
Leises Gemurmel lässt mich langsam aufwachen. Winnetou und Naira sitzen am Feuer und reden miteinander. Schwerfällig setze ich mich auf. Die Schmerzen sind besser geworden. Winnetou springt auf und kommt zu mir. Etwas nervös rutsche ich weg. ,,Wie geht's dir?", fragt er und ignoriert die Tatsache, dass ich nach hinten gewichen bin. ,,Kann ich raus? Ich brauch frische Luft." Winnetou zögert, stimmt dann aber zu. Draußen herrscht normales Treiben, es sind zwar ein paar mehr Wachen postiert, aber scheinbar haben wir nichts mehr zu befürchten. Mit straffen Schultern gehe ich an allen vorbei und bekomme von den Kindern ungläubige Blicke, von den älteren Frauen zumutende und von den gleichaltrigen mal wieder abwertende Blicke. Ohne jemanden anzugucken gehe ich zu Silver und sofort kommt er wiehernd zum Zaun. Ich öffne schnell das Gatter. Silver schnaubt einmal kurz Aponi an und kommt dann zu mir. Lächelnd streiche ich ihm durchs weiche Fell. ,,Na komm mein großer, lass uns etwas weg gehen", murmel ich und kraule seine Ohren. Silver folgt mir und in Sichtweite von den andern setze ich mich auf setze ich mich auf einen Stein und lass die Sonne auf meinen Rücken scheinen. Silver legt sich neben mich und legt seinen Kopf auf meinen Schoß. ,,Wer hätte gedacht, dass es mal so kommen wird. Ich frag mich ja, was passiert wäre, wenn ich gar nicht hier her gekommen wäre." Seufzend spiele ich mit Silvers schwarzer Mähne. ,,Immerhin bist du mit Aponi glücklich." Ein leises Schnauben geht durch seine Nüstern. Den ganzen Tag sitze ich mit Silver da und gucke durch die Gegend. Als die Sonne untergeht, kommt mir der Gedanke, ein Grab für meine Eltern anzuschaffen. Dann hab ich was, wo ich hingehen kann.
,,Wir sollten zurück gehen oder? Aponi vermisst dich bestimmt." Bei ihre Namen spitzt Silver die Ohren und steht auf. Ich folge ihm und gehe die kurze Strecke zu dem Gatter lang. Es dauert nicht lange bis Aponi kommt und mit aufgeregtem Kopfnicken auf Silver wartet. Lächelnd sehe ich zu wie die beiden anfangen am Mähnenkamm des anderen zu knabbern. ,,Mira?" Ich drehe mich um und versuche nicht so abgeneigt gegenüber Winnetou zu gucken. Er stellt sich neben mich an den Zaun. ,,Mira soll etwas essen kommen. Naira erwartet sie." Er streichelt Aponi einmal über die Nüstern. Unauffällig gehe ich einen Schritt zuseite. Irgendwie fühle ich mich etwas unwohl in seiner Nähe. Schweigend stehen wir einige Minuten nebeneinander, bis ich mich endlich umdrehe und zu Nairas Zelt gehe. Sie lächelt, als sie mich sieht. ,,Geht es Mira besser?" ,,Ja, die Schmerzen sind fast weg." Ich setze mich zu ihr ans Feuer und sie schiebt mir eine Schale mit einer Art Milchreis hin. Viel Hunger hab ich aber nicht. Sobald mir der Geruch von Essen in die Nase steigt, macht mein Magen dicht. Ich stelle die Schale wieder weg und trinke heißes Wasser mit Kräutern gegen die Schmerzen.
,,Darf ich heute alleine schlafen?", frage ich leise. Ich hab wirklich keine Lust mit irgendwem die Nacht zu verbringen. Zu meinen Erstaunen nickt sie. ,,Aber wir werden eine Wache vor deinem Zelt aufstellen." Naja besser als nichts. Unauffällig schiebe ich die volle Schale weg und stehe dann auf. Schnell gehe ich zu meinem Zelt. Ich will einfach nur noch schlafen. Ich lege etwas Holz nach und fülle eine Flasche Wasser für die Nacht auf. Dann setze ich mich hin. Der Eingang öffnet sich und Winnetou kommt rein. Genervt fahre ich mit durchs Haar. ,,Es tut Winnetou leid. Er hätte besser aufpassen sollen." Irritiert sehe ich hin an.
,,Wenn dann bin ich ja wohl schuld. Ich bin rausgegangen."
Schweigen. Er holt Luft, doch vorher schneide ich ihm das Wort ab. ,,Sag nichts. Das macht es auch nicht besser. Und jetzt lass mich bitte allein." Verständnisvoll dreht er sich um und verschwindet wieder. Wie ich es hasse. Immer diese Gefühlsgeschichte. Ich bin ein gefühlskalter Mensch. Das hat meine Mutter immer gesagt. Aber ich fand es ok. Und seit ihrem Tod hab ich mir geschworen, dass nur noch besondere Menschen meine Tränen verdienen. Seit ich hier bin, hab ich noch keine einzige verloren.
DU LIEST GERADE
Das weiße Mädchen
AventuraMira kommt, nach dem Tod ihrer Mutter, durch unerklärliche Weise nach Amerika. In die Zeit der Indianer. Nach Tagen, in denen sie alleine rumgeirrt ist, trifft sie auf einen Apachenstamm, der sie aufnimmt. Sie lernt die Indianische Sprache Lakota un...