Kapitel 15

5.8K 233 10
                                    

,,Wir sollten an einem Fluss halten", sage ich, als wir nebeneinander herreiten. ,,Das wird nicht nötig sein", kommt es zurück. Winnetou legt den Kopf in den Nacken und schaut sich den Himmel an. Ich tue es ihm gleich und entdecke, eine Wolkenwand. Nicht so schlimm, dass es Gewittern wird, aber es wird auf alle Fälle regnen. Es dauert nicht lange, bis die Wolken die Sonne verdecken und der erste Tropfen in meinen Nacken fällt. Immer mehr Wasser plascht auf dem Boden auf. Nach wenigen Minuten hängen meine Haare nass ins Gesicht, doch ich bin froh, dass es endlich regnet. Und die Pferde anscheinden auch. Immer wieder wiehern sie glücklich auf und stampfen mit ihren Hufen durch Schlammpfützen. Das Wasser läuft mir bereits den Rücken runter und meine Kleidung klebt an meinen Körper. Doch Winnetou geht es nicht anders. Durch die lange Trockenheit, kann der Boden das Wasser nicht aufnehmen und die Landschaft hat sich in ein Matschfeld verwandelt. Schritt für Schritt bahnen die Pferde sich sicher einen Weg. Auf einmal höre ich ein lautes wiehern und sehe Winnetou der von Aponi springt und Aponi, die humpelt. Sofort rutsche ich auch von Silver. Es dauert einen Moment, bis ich halt im Schlamm gefunden habe. Das Wasser saugt sich in meine Schuhe macht sie schwer.
,,Was ist passiert?", frage ich Winnetou, der ihr rechtes Vorderbein untersucht.
,,Sie ist umgeknickt." Kein Wunder bei diesem Boden. Schnaubend lässt sie den Kopf hängen. Ich hocke mich auch hin und taste ihr Bein ab. Die Fessel ist leicht geschwollen. Also ziehe ich mein Hemd aus, entferne so gut es geht den Dreck und mache einen festen Verband. ,,Ich werde laufen", bestimmt Winnetou und guckt sich Aponis Bein an.
,,Du wirst mit auf Silver kommen. Er ist stark genug für uns beide." Silver schnaubt zustimmend. Der Apache nickt und wir gehen zu Silver. So wie immer will ich mich hochziehen, was aber nicht klappt, da sein Fell rutschig ist und ich auch nicht die größte bin. Ich bin zwar 1,70 groß, aber Silver ist dafür auch ein ziemlich großer Mustang. ,,Winnetou, kannst du mir mal helfen?" Grinsend kommt Winnetou auf mich zu.
,,Das ist nicht lustig", protestiere ich. ,,Findet Winnetou schon. Kleine Mira kommt nicht auf ihren stolzen Mustang", lacht er und streicht mir durch die Haare. ,,Aber Winnetou, großer Apache, hilft ihr." Ich verdrehe die Augen.
,,Bist du fertig, großer Apache?" Er nickt grinsend. ,,Warte. Du hast das was." Mit seinem Finger wischt er über meine Wange. Silver stampft ungeduldig neben uns auf, sodass der Schlamm hoch spritzt. ,,Wir sollten los", sage ich und lege meine Hände auf Silvers Rücken. Winnetou umfasst meine Hüfte und hebt mich hoch. Als ich sicher sitze, treibe ich Silver an. ,,Wir sehen uns", sage ich noch und reite ein Stück weg. Dann drehe ich Silver und sehe einen komplett verwirrten Winnetou im Regen stehen. Lachend wende ich mein Pferd und reite zurück. ,,Rache muss sein", lache ich. Silver schüttelt verärgert den Kopf.
,,Ist ja gut wir gehen gleich zurück." Ich streiche ihm über den Hals. ,,Na komm großer Apache. Oder kommst du nicht auf Miras stolzen Mustang?", höhne ich. Winnetou nimmt Anlauf und will auf Silver springen. Doch sobald er hoch genug ist schubse ich ihn zurück, sodass er wieder auf dem Boden landet. ,,Ich laufe", kommt es von ihm. Grinsend biete ich ihm meine Hand an. ,,Jetzt komm endlich. Silver hat keine Lust mehr und Aponi sollte auch bald ihre Ruhe bekommen." Zögernd hält sich Winnetou fest und lässt sich von mir aufs Pferd ziehen.
,,Können wir?" Als Antwort setzt Silver sich in Bewegung und Aponi folgt ihm. Winnetou rückt nah an mich ran und legt seine Arme um meine Hüfte. Ich muss sagen, es tut irgendwie gut seine Wärme zu spüren und von seinem Geruch eingehüllt zu werden. Ich hab es vermisst, aber trotzdem die Zeit alleine gebraucht.

Wir kommen nur langsam voran, doch trotzdem kommt bald das Lager in Sicht. Es ist wie ausgestorben. Niemand läuft rum, es stehen nur jede Menge Schüsseln rum, um Wasser aufzufangen. Wir stellen die Pferde auf die Wiese und sofort gehen die beiden zum Rest der Herde in den Schutz der Bäume. Dann stapfen Winnetou und ich durch den matschigen Boden zu dem Gemeinschaftszelt. Der Regen peitscht uns ins Gesicht und langsam kühle ich aus. Mit einem Ruck öffnet Winnetou das Zelt und wir treten ein. Alle Gespräche verstummen und viele Augen richten sich auf uns. Naira steht eilig auf und fällt ihrem Bruder in die Arme. Auch Amatok und die anderen Apachen sind sichtlich erleichtert über unser Erscheinen. Beziehungsweise über Winnetous, ich bin ihnen warscheinlich egal. Ob ich zurück komme oder nicht, macht warscheinlich keinen großen Unterschied. Dennoch freuen sich die Kinder wenigstens über mich und bringen uns sofort warme Decken. Wir setzen uns an Feuer dazu und bekommen direkt etwas warmes Zuessen. Winnetou erzählt in Kurzform, was passiert ist, war ja auch nicht so viel.

Nachdem ich gegessen habe, verabschiede ich mich. Ich will einfach nur noch schlafen. In meinem Zelt schäle ich mich aus den nassen Klamotten und ziehe trockene Sachen an. Danach lege ich Holz nach und kuschel mich in die Felle ein. Ich bin kurz davor einzudämmern, als sich das Zelt öffnet. Ein Schwall kalter Luft strömt rein. Unbeweglich bleibe ich liegen, da ich keine Lust habe, noch mit irgendwem zu reden. Jemand setzt sich neben mich. ,,Es tut Winnetou leid. Er ist unüberlegt aufgebrochen. Er ist glücklich, dass nichts passiert ist", murmelt Winnetou. Seine Finger fangen an mit einer Haarsträhne von mir zu spielen, worauf ich schließe, dass er direkt neben meinem Kopf sitzt. Ich bemühe mich so gleichmäßig wie möglich zu atmen und scheinbar schöpft er keinen Verdacht. ,,Aber trotzdem wird Winnetou Mira rächen. Er wird Krieger zusammenrufen und in den nächsten Tagen losreiten. Die Comanchen haben es nicht anders verdient." Seine Stimme bekommt einen gefährlichen Unterton. Immerhin hat er eingesehen, dass er alleine keine Chance hat. ,,Schlaf gut, Mädchen mit goldenem Haar", flüstert er und gibt mir einen Kuss auf die Haare. Etwas schockiert halte ich die Luft an. Als die Schritte verklingen, stoße ich die angehaltende Luft aus. Was war das denn bitte? Hoffentlich hat er es nur beschützterisch gemeint.

Das weiße MädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt