Der Sommer war heiß und lang, weswegen die Arbeit nicht wirklich Spaß gemacht hatte. Frauen haben hier echt den schlechten Part erwischt. Nodin ist zu einem beachtlichen jungen Hengst herangewachsen. Auch wenn er noch nicht ganz ausgewachsen ist sieht man jetzt schon, dass er ein stolzes Pferd ist. Er hat eine dunkelbraune Färbung bekommen und wenn er in der Sonne steht, glänzt sein Fell wunderschön. Die Wochen vergehen weiterhin und mein Bauch wird immer dicker. Die Temperaturen kühlen immer mehr ab und die Blätter färben sich wieder bunt. Wie schnell es geht, wenn man kein Zeitgefühl mehr hat. Das ist das, was mich hier am meisten nervt. Vor knapp einer Woche sind wir in den Bergen angekommen, wo wir den Winter verbringen. Es ist wieder eine andere Stelle, doch auch sie ist sehr schön gelegen. Naja eigentlich ist es hier überall schön. Wenn man aus der Stadt kommt, dann ist es das reinste Glück hier leben zu dürfen. Das werden die Apachen niemals verstehen.
,,Mira, kannst du das Winnetou bringen?", fragt mich Naira gestresst und nimmt ihre weinende kleine Tochter in den Arm. Ihr Name ist Sihu, ein wunderbarer Name, wie ich finde. Wie ich mein Kind nenne weiß ich noch nicht. Wir haben beschlossen es kurzfristig zu entscheiden. Es wird auf jeden Fall ein indianischer. Was soll ein Halbapache auch mit einem Namen, aus einer Welt die komplett unbekannt ist? Immer noch in Gedanken schiebe ich das Leder vor dem Eingang zurück und trete schwerfällig ein. Mit einem dicken Bauch ist das alles andere als einfach. Ich übergebe Winnetou die Pfeile. ,,Naira hat mich geschickt." Er nickt, dann vertieft er sich wieder in seine Schnitzarbeit. Ich will wieder gehen, um den Frauen zu helfen, als ein unerträglicher Schmerz durch meinen Bauch geht. Das habe ich in letzter Zeit öfter, so weit ich weiß müssten das warscheinlich Wehen sein. Stöhnend bohre ich meine Nägel in meine Handflächen. Besorgt hört Winnetou mit seiner Arbeit auf. ,,Alles gut", sage ich, als der Schmerz wieder vorbei ist. Etwas skeptisch schaut er mich an, lässt mich dann aber rausgehen.
Erschöpft vom heutigen Tag lasse ich mich auf die Felle sinken. Ein neuer Schmerz zieht sich durch meinen Unterleib. Scheiße tut das weh. Jetzt weiß ich endlich, was die ganzen Mütter durchmachen mussten. Immer öfter schmerzt mein Bauch und in immer kürzeren Abständen. Wann kommt Winnetou endlich, ich brauch etwas zum festhalten. Mit flacher Atmung liege ich auf dem Rücken. Einige Minuten ist alles ruhig und die Schmerzen sind weg, bis es wieder anfängt. Nur am Rande nehme ich war, wie Winnetou reinkommt. Sofort greife ich nach seiner Hand, als er sich neben mich hockt. ,,Ich bringe dich zu Naira." Der Schmerz lässt wieder etwas nach. Er streicht mir ein paar Strähnen aus dem Gesicht und hebt mich dann hoch. Die kalte Luft tut gut, von den ganzen Schmerzen ist mir extrem heiß. Ich schließe meine Augen und lehne mich an Winnetou. ,,Ich hab Angst", flüster ich leise. ,,Winnetou wird die ganze Zeit bei Mira bleiben." Er geht in Nairas Zelt, während ich schon wieder Schmerzen bekomme. ,,Leg sie dort hinten hin. Mingan bitte gehe mit Sihu raus, das dauert etwas länger." Nairas Stimme hallt laut durch das Zelt. ,,Winnetou beruhig sie. Ich komme sofort." Ich höre wie sie anfängt nach Sachen zu suchen. ,,Mira, schau mich an." Ich öffne meine tränenverschmierten Augen. ,,Es tut so weh", sage ich mit zitternder Stimme. Er lächelt mich aufmunternd an und wischt die Tränen weg. ,,Es wird bald vorbei sein." Ich bohre ihm erneut meine Nägel in den Arm, es tut mir leid für ihn, doch ich brauche etwas zum festhalten.
Ewig liege ich so rum, bekomme eine Schmerzenswelle nach der anderen. Winnetou hockt geduldig neben mir und lässt widerstandslos zu, dass ich ihm fast die Hand breche. Mein Unterleib ist total gelähmt, ich spüre fast gar nichts mehr. Unter starken Schmerzen spannen ich so fest es geht meinen Bauch an. Und dann geht alles ganz schnell. Ein erfreuter Aufschrei von Naira, ein kurzer Schnitt und das erlösende Schreien eines Babys. Meines Babys. Meine Muskulatur lockert sich wieder und wenig später bekomme ich kein kleines Lederbündel in dem Arm gelegt.
,,Ihr habt einen wunderschönen Jungen bekommen", lächelt Naira und man kann einen Tränenfilm auf ihren Augen erkennen. Heulend betrachte ich meinen Sohn. ,,Winnetou sieh ihn dir an." ,,Winnetou ist stolz auf Mira." Ich höre wie seine Stimme abbricht und ihm ebenfalls ein paar Tränen runterlaufen. Langsam beruhigt sich der Kleine und schaut sich alles mit großen Augen an. Winnetou hält ihm seinen Finger hin und sofort greift er mit seinen winzigen Händen zu. ,,Er soll Jacy heißen", bestimme ich. Heute ist Vollmond. Das passt perfekt. Lächelnd küsst Winnetou meinen Handrücken. ,,Er wird Jacy heißen." Naira kommt wieder rein. ,,Habt ihr euch entschieden?" ,,Mein Sohn wird Jacy heißen", verkündet Winnetou und man kann den Stolz aus seiner Stimmer hören.
,,Ein gut gewählter Name. Wie geht es Mira?" ,,Mir gehts gut." Ich lächel einmal schwach. Meine Tränen finden immer noch kein Ende. Ich kann es nicht glauben, dass ich die Mutter dieses wunderschönem Kind bin. Mit Winnetous Hilfe setzte ich mich auf. Naira drückt ihm ein Bündel Felle und Leder in die Hand.
,,Geht zurück in euer Tipi und verbringt Zeit miteinander. Wenn etwas ist werde ich für Mira und Winnetou da sein." Auf den frischen Vater gestützt verlasse ich das Zelt. Wir schicken Mingan zurück zu Naira. Es ist schon sehr spät, bestimmt geht bald schon wieder die Sonne auf. Ich muss dringend schlafen. Mein Kind fest umklammert setze ich mich aud die Felle. Jacy schläft bereits, fragt sich nur wie lange. Das sollten wir ausnutzen, um selber etwas zu schlafen.
,,Winnetou war noch nie so glücklich." Ich stimme ihm mit einem Nicken zu und kuschel mich bei ihm ein. Jacy liegt zwischen uns. Seine Händchen sind zu winzigen Fäusten geballt. Er sieht so unglaublich süß aus.
Danke Mum, dass du mich hierher gebracht hast. Wie auch immer du das geschafft hast.
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Das weiße Mädchen
AventuraMira kommt, nach dem Tod ihrer Mutter, durch unerklärliche Weise nach Amerika. In die Zeit der Indianer. Nach Tagen, in denen sie alleine rumgeirrt ist, trifft sie auf einen Apachenstamm, der sie aufnimmt. Sie lernt die Indianische Sprache Lakota un...