Es ist nicht einfach den Weg zu finden, da eine Wolkendecke die Sterne verdeckt. Nach einiger Zeit lasse ich mich jedoch endlich vor dem Grab nieder. ,,Ich hab euch auch etwas mitgebracht", sage ich leise und lege ein kleines Bündel mit Gräsern und ein paar kleinen Blumen hin. ,,Es ist zwar nicht viel, aber um diese Zeit gibt es nicht so viel." Als ob ich eine Antwort bekomme würde kommt leichter Wind auf. ,,Ich wünschte ihr könntet mir eine Antwort geben. Mama, du weißt doch bestimmt was es mit dem Amulett auf sich hat. Ich weiß wirklich nicht wie lange ich diese Unwissenheit noch ertrage." Meine Augen suchen den behangenen Himmel nach einer Lichtquelle ab und leicht unscheinbar strahlt der fast runde Mond auf den glitzernden See, welcher ein paar hundert Meter unter mir liegt. Werde ich jemals wieder nach Hause kommen? Will ich eigentlich wieder zurück? Ich mein, was hab ich da. Entweder komme ich in die Klapse weil mir niemand das Ganze glaubt oder in ein Heim. Auch wenn ich hier mit den Mädels in meinem Alter nicht klar komme, mit allen anderen schon. Lieber verbringe ich den Rest meines Lebens hier, als wieder nach Hause in die zerstörte Welt zurückzukehren. Leise Schritte nähern sich.
,,Winnetou hat sich Sorgen gemacht. Er konnte den Gedanken nicht ertragen, dass Mira hier alleine ist", sagt Winnetou entschuldigend und setzt sich neben mich. ,,Kein Problem. Ist schon gut." Er legt einen Arm um mich und zieht mich näher zu sich. ,,Was hat Mira auf den Stein gelegt?", fragt er und deutet auf die Blumen.
,,So macht man das bei uns. Man schmückt das Grab mit Blumen, damit es schön aussieht." Ich lege meinen Kopf auf seine Schulter.
,,Winnetou hat noch etwas für Mira." Er zieht etwas aus seiner Tasche und hält es mir hin. Schemenhaft erkenne ich in der Dunkelheit einen Stein, welcher an einem Lederband hängt.
,,Was ist das für ein Stein." ,,Er ist sehr selten. Wenn man ihn trägt, können böse Mächte einem nichts anhaben." Lächelnd nehme ich die Kette aus seiner Handfläche. Der Stein schimmert leicht bläulich im Mondlicht.
,,Sie ist wunderschön. Danke." Er drückt mir als Antwort einen Kuss auf die Schläfe.Lange Zeit sitzen wir einfach nur da und schweigen. Öfters holt Winnetou Luft, als ob er etwas sagen will, lässt es dann aber. Irgendwann fängt er dann doch an zu reden. ,,Da Mira keine Eltern mehr hat, muss Winnetou sie selber fragen. Winnetou hat lange darüber nachgedacht. Er möchte sein restliches Leben mit Mira verbringen." Ich schlucke. Wird das gerade so was wie ein Heiratsantrag? Winnetou dreht seinen Kopf etwas und guckt mir in die Augen. ,,Was sagt Mira dazu, Winnetous Squaw zu werden." Ich merke wie viel Überwindung es ihn gekostet hat mich das zu fragen. Ich löse mich von seinen Augen und schaue auf den Boden. ,,Weißt du Winnetou, es gibt keinen mit dem ich lieber mein Leben verbringen würde, als mit dir. Aber ich hab Angst."
Sanft drückt er mein Kinn hoch und zwingt mich, ihn wieder anzusehen. ,,Wovor hat Mira Angst?" ,,Ich hab schon so viele Menschen in meinem Leben verloren. Ich hab Angst, dass wenn ich eine Person lieben lerne, sie mich ebenfalls wieder verlässt. Außerdem..." Ich stocke kurz. ,,Außerdem weiß ich was nach der Zeremonie kommen wird. Und dazu bin ich noch nicht bereit. Du weißt schon wegen den Comanchen und so." ,,Der große Geist wird Winnetou und Mira verzeihen. Er weiß, was sie durchgemacht hat. Winnetou wird warten, bis Mira bereit ist und wenn es Jahre dauert. Und Mira braucht auch keine Angst zu haben, Winnetou hat es nicht eilig in die ewigen Jagdgründe zukommen."
,,Aber..." weiter komme ich jedoch nicht, denn Winnetou küsst mich einfach.
,,Na schön. Jetzt kann ich sowieso nicht mehr nein sagen", murmel ich leise gegen seine Lippen. Er fängt an zu lächeln. ,,Winnetou wird seinem Vater gleich morgen davon berichten. Und Mira geht morgen zu Naira, sie wird ihr die Kleidung nähen." Seine Finger hinterlassen eine kribbelnde Spur auf meiner Haut.
,,Möchte Mira noch bleiben?" ,,Nein ist ok. Wir können zurück." Einen Moment lang schaut Winnetou mich verwirrt an, bis ich checke, dass er das Wort ok gar nicht kennt.
,,Ich meinte, ich hab kein Problem damit zurück zu gehen. Er nickt und wir stehen auf.
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Das weiße Mädchen
AdventureMira kommt, nach dem Tod ihrer Mutter, durch unerklärliche Weise nach Amerika. In die Zeit der Indianer. Nach Tagen, in denen sie alleine rumgeirrt ist, trifft sie auf einen Apachenstamm, der sie aufnimmt. Sie lernt die Indianische Sprache Lakota un...