Kapitel 50

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Die Tage ziehen vorbei, ohne das etwas spannendes passiert. Den Tag über unterhalte und arbeite ich mit den Frauen, abends verbringe ich meine Zeit mit Winnetou. Wann immer er es vorschlägt gehen wir zu dem Wasserfall, alleine lässt er mich nicht mehr raus und an den Wachen komme ich nach meiner Aktion nicht mehr vorbei. Jeden Tag brennt die Sonne mehr auf den Boden und erhitzt die Luft. Mein Bauch ist ein kleines bisschen gewachsen, mittlerweile bin ich mir sicher, dass ich ein Kind bekomme und nicht zu viel gegessen habe. Was auch mit einer der Gründe ist warum Winnetou so überfürsorglich geworden ist. Wenn er meint, soll er machen. Adain kann mittlerweile wieder fliegen, doch er trennt sich nie lange vom Lager und kehrt immer wieder zurück. Pati freut sich dann immer total, wer besitzt denn auch schon einen gezähmten Adler?

Die Sonne ist schon wieder untergegangen und ich habe das Gefühl, nichts geschafft zu haben, obwohl ich die ganze Zeit Leder bearbeitet habe. Ich schaue gerade Winnetou beim Werkzeugherstellen zu, als Mingan mit besorgter Miene zu uns kommt. ,,Winnetous Pferd geht es nicht gut. Er sollte besser mitkommen." Sofort werde ich hellhörig. Aponi. Bestimmt ist sie soweit. Ich stehe nach Winnetou auf und gehe hinter den beiden her. Schon von weitem sehe ich, wie sie rumtänzelt und schwitzt. Eindeutig fohlt sie heute Abend oder Nacht ab. Ich hoffe es geht alles gut. Mit Winnetou zusammen beruhige ich sie. Dunkle Schweißflecken überziehen ihren Hals und Bauch. Irgendwann schafft sie es nicht mehr zu stehen und legt sich mühsam hin. Qualvoll wiehert sie immer wieder auf. Sie muss unglaubliche Schmerzen erleiden. Naira stößt zu uns und schaut sich alles an.
,,Winnetou, beruhig sie weiterhin. Mira, pass auf, dass nichts passiert. Sie wird es ohne Hilfe schaffen. Ich komme später noch mal." Sie steht auf und geht wieder. Silver steht wie ein Beschützer vor Aponi und stupst sie immer mal wieder mit seinen Nüstern an. Winnetou krault die ganze Zeit ihre Ohren. Viel mehr können wir auch nicht machen.

Mit dem Schwund der Sonne wird es Augenblicklich kühler. Ein paar Wolken ziehen auf und ein starker Wind fängt an zu wehen. Für Aponi macht es das alles etwas erträglicher. Das Lager ist leer, nur vereinzelt laufen noch Leute rum, als die Geburt endlich beginnt. So gut es geht unterstützen Winnetou und ich sie, doch das ist schwer, in der Natur müssen sie es ja auch alleine machen. Mit einem letzten Stoß bringt sie ihr kleines Fohlen zur Welt. Ich nehme mein Messer, schneide die Nabelschnur durch und entferne die restliche Fruchtblase. Ein kleines dunkles Fohlen liegt mit verklebtem Fell auf dem Boden und macht seine ersten Atemzüge. Mit einem lauten Schnauben betrachtet die Stute ihr Fohlen und fängt an es abzulecken. ,,Es ist wunderschön", flüstert Winnetou und küsst mich auf die Haare.
,,Wir brauchen einen Namen", murmel ich zurück. Er sieht kurz hoch in den Himmel und überlegt. ,,Nodin", beschließt er. Es passt gut. Ein kleines Hengstfohlen, geboren im Wind, es wird stark wie sein Vater und schön wie seine Mutter. Lächelnd beobachte ich, wie der Kleine versucht aufzustehen. Immer wieder, bis er einigermaßen steht. Vorsichtig sucht er die Nähe seiner Mutter und fängt an zu trinken. Langsam kommt Silver an und beschnuppert ebenfalls das Neugeborene. Das Fell wird langsam trocken und es kommt schwarzes Fell zum vorscheinen. Auf seiner Stirn ist ein weißer Stern und direkt darunter zieht sich ein weißer Strich seine Nase runter. Nodin hat riesige Ohren und lange staksige Beine, so wie eigentlich jedes Fohlen. Das alles sieht einfach so unglaublich süß aus. ,,Bleiben wir noch etwas?",  frage ich hoffnungsvoll. ,,In Ordnung." Wir setzen uns an den Zaun. Gemütlich lehne ich mich an Winnetou. ,,Bald sind wir genauso stolze Eltern", murmelt Winnetou leise und küsst sanft meine Schläfe. Ein wärmendes Gefühl strömt durch mich und ich merke wie ich langsam Mutter Gefühle entwickel.

,,Aufwachen. Die Sonne ist schon am Himmel. Oder möchte Mira nicht zu Nodin." Ich öffne meine Augen und blicke direkt in Winnetous. ,,Winnetou liebt Miras Augen. Sie sind so klar wie das weiter Wasser." Er lächelt mich an. Warscheinlich sehe ich gerade total hässlich unausgeschlafen aus und meine Haare liegen wild rum. Aber hey, er liebt mich, also kann es mir echt scheißegal sein. Der Apache beugt sich weiter zu mir runter umd streift meine Lippen mit seinen. ,,Bin gleich wach", murmel ich immer noch verschlafen. Vorsichtig richte ich mich auf und schaue zum Eingang. Ein paar Sonnenflecken scheinen auf den Boden. Winnetou ist schon komplett fertig angezogen und hat mir etwas zuessen gebracht. Wie lange habe ich bitte geschlafen?
,,Ich will nicht aufstehen. Es ist so schön warm." Mit einem Ruck zieht er meine Decke weg. Genervt verdrehe ich die Augen und raffe mich auf. Eigentlich will ich den Kleinen ja auch sehen, aber wir haben ihn gestern noch lange beobachtet und Schlafmangel bekommt mir überhaupt nicht.

Den ganzen Tag verbringe ich bei den Pferden, es ist einfach zu schön das alles mit anzusehen. Nodin durchstöbert und sich vor den lächerlichsten Sachen erschreckt. Dann gibt er immer ein Quietschen von sich und springt wie ein Reh in die Luft. Manchmal kommen Kinder oder andere Apachen dazu, um sich den Zuwachs anzuschauen. Für die wenige Arbeit, welche ich erledigen muss, verlasse ich die Pferde schweren Herzens. Leider macht sich diesen Abend die Müdigkeit recht schnell bemerkbar. Widerwillig verabschiede ich mich von Nodin, welcher bereits ein ganz kleines bisschen Vertrauen zu mir hat. Im Zelt sitzt Winnetou noch mit Neheyma am Feuer und sie reden amüsiert miteinander. Beide nicken mir zu und widmem sich dann wieder ihrem Gespräch. Toll, da hätte ich auch noch bei Nodin bleiben können. Ich ziehe mich in die Schlafecke zurück und höre dem Gespräch zu. Wichtiges ist nicht dabei. Nur belanglose Themen. Ich bin kurz davor einzuschlafen, als Neheyma sich endlich verabschiedet. Mit einer abmühenden Bewegung, welcher eines Fischs auf dem Trockenen gleicht, drehe ich mich um und beobachte Winnetou.
,,Winnetou?", sage ich fragend und stütze mich auf meinen Unterarm. Sofort dreht er sich um. ,,Was hat Mira?" In wenigen Schritten ist er bei mir. Ich fange an zu grinsen. ,,Du liebst mich doch, oder?" Etwas verwirrt nickt er. ,,Holst du mir was zuessen?", frage ich und lächel ihn unschuldig an. ,,Hatte Mira heute Abend nichts?" Er hockt sich neben mich. ,,Doch. Aber da wo ich herkomme, tut der Mann alles für die Frau, wenn sie ein Kind erwartet. Und irgendwie hab ich wieder Hunger bekommen." Ich schaue ihn bittend an. Etwas unbeholfen geht er sich durch die Haare.
,,Winnetou ist gleich wieder da", murmelt er, gibt mir kurz einen Kuss und lässt mich alleine. Natürlich hätte ich mir auch selber was holen können, aber Winnetou ist sonst immer so besorgt um mich. Richtigen Hunger hab ich eigentlich nicht nur Appetit, dass habe ich öfter, doch sonst hab ich nie was gesagt, weil ich nicht so verfressen rüber kommen wollte.  Hoffentlich werde ich nicht so emotional, wenn ich hochschwanger bin. Dann wird Winnetou richtig abgefuckt sein.

Das weiße MädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt