Ich bin unglaublich müde durch den ganzen Blutverlust, aber die starken Schmerzen halten mich vom schlafen ab. Naira hat mir nur etwas für die Wundheilung gegeben und nicht noch was gegen die Schmerzen. Scheinbar sind viele verletzt worden. Allmählich taue ich wieder etwas auf und zitter nicht mehr. Gelangweilt betrachte ich das Feuer. Warum wollen die Comanchen mich eigentlich haben? Die tun so als wäre ich eine Trophäe, denken ich würde freiwillig mit ihnen gehen. Das Zelt öffnet sich wieder und Winnetou kommt rein. ,,Hier, Mira soll das trinken. Es wird gegen die Schmerzen helfen." Er hält mir eine dampfende Schale mit einer Flüssigkeit hin. Gierig trinke ich das heiße, leicht bittere Getränk. Eine angenehme Hitze breitet sich in meinem Bauch aus. ,,Wie geht es deinem Vater", frage ich leise und lege meinen Kopf auf Winnetous Schoß.
,,Er ist noch nicht aufgewacht." Sorge schwingt in seiner Stimme mit. Ich weiß, dass Worte in so einer Situation nichts bringen, also halte ich den Mund und schaue wieder ins Feuer.
,,Winnetou möchte wissen warum Mira verletzt wurde."
,,Es war etwas weiter vom Lager weg. Ein junger Comanche hat mich angegriffen. Er wollte mich töten, aber er traf mich nur am Bein. Dann hab ich ihm dein Messer...", Ich stocke als mir klar wird, was ich getan hab.
,,Scheiße Winnetou ich hab ihn umgebracht", schluchze ich und vergrabe mein Gesicht in seiner Hose. Ich spüre wie mein Hals eng wird, meine Unterlippe anfängt zu zittern und sich meine Augen mit Tränen füllen.
,,Mira hat das Richtige getan", sagt Winnetou leise und fährt mit seinen Fingern durch meine Haare. ,,Er ist trotzdem wegen mir tot." Ich spüre wie mir die erste Träne runter läuft. Warum ich wegen jemandem heule, den ich nicht kenne, kann ich nicht sagen, aber das alles macht mich irgendwie total fertig. ,,Mira sollte jetzt schlafen. Es war ein schwerer Tag für alle." Langsam beruhige ich mich wieder und merke wie die Schmerzen verschwinden und die Müdigkeit siegt.Als ich wieder aufwache, hab ich erstmal keine Orientierung. Nach und nach kommen die Erinnerungen wieder. Ich muss hier raus. Vorsichtig schlage ich die Decke zurück und betrachte meine Wunde. Sie hat sich gut geschlossen und die Schmerzen sind auch noch nicht zurück. Mit leicht zitternden Beinen stehe ich auf und bahne mir Schritt für Schritt den Weg aus dem Zelt. Draußen ist es eiskalt und dunkel. Frierend schlinge ich mein dünnes Hemd enger um mich. Es ist nicht zu empfehlen bei solchen Temperaturen mit Lendenschurz und barfuß rumzulaufen. Aber in einer Hose würde meine Wunde wieder aufscheuern. Das Lager ist teilweise ziemlich zerstört. Überall liegen Waffen rum und es herrscht Chaos. Die Leichen sind scheinbar schon weggebracht worden. Ich hoffe es gab nicht zu viele Opfer. ,,Was macht Mira hier draußen? Sie muss sich ausruhen." Ich zucke zusammen und mein Blick trifft Winnetous leicht wütende Augen.
,,Ich...also..." Tja gute Frage eigentlich. Wieso gehe ich freiwillig in diese Kälte? Winnetou lässt seinen Blick an mir runtergleiten und bleibt bei meiner Wunde hängen. ,,Komm. Ich bringe dich zurück." Er legt seine Arme um mich und hebt mich hoch. ,,Kannst du mich zu Amatok bringen? Bitte."
,,Winnetou ist nicht sicher ob..." ,,Dann laufe ich halt selber", unterbreche ich ihn etwas zickig und versuche aus seinem Griff zu kommen. Er seufzt einmal, setzt sich dann aber doch in Bewegung. Im Zelt hockt Naira am Feuer und kocht irgendwas. Sie sieht nicht gut aus, tiefe Augenringe zieren ihr zartes Gesicht und der Glanz ist ebenfalls aus ihren Augen verschwunden. Aber Winnetou sieht nicht anders aus. Sanft setzt er mich auf dem Boden ab. ,,Wie geht es Mira?", fragt Naira leise und unterbricht ihre Arbeit. Ihre Stimme ist rau und sie klingt gebrochen. ,,Mir geht es gut. Aber du siehst nicht gut aus. Ihr beide nicht. Legt euch etwas hin und ruht euch aus. Ich werde hier bleiben." Dankbar lächelt sie mich an. Sie zeigt mir eine Schale. ,,Alle paar Stunden musst du seine Wunden damit einreiben. Ist es wirklich nicht zu viel?" ,,Du hast schon so viel getan. Schlaf etwas, damit du wieder Kraft bekommst." Sie nickt und verlässt das Zelt.
,,Winnetou du solltest auch schlafen. Du siehst schrecklich aus." Er setzt sich neben mich.
,,Winnetou wird nicht schlafen können. Er will seinen Vater nicht alleine lassen." ,,Dann versuch hier zu schlafen. Wenn etwas sein sollte, wecke ich dich." Ein kleines Lächeln schleicht sich auf seine Lippen. ,,Winnetou dankt Mira." Er beugt sich runter und küsst mich sanft. Dann geht er an eine geschützte Stelle, rollt sich etwas zusammen und nach kurzer Zeit höre ich sein gleichmäßiges Atmen. Leise ziehe ich mich ein Stück näher zu Amatok und betrachte ihn. Wenn man von der etwas bleicheren Gesichtsfarbe absieht, könnte man meinen, er schläft. Er hat eine üble Wunde an seine Schulter, warscheinlich von einem Pfeil. Den Rest kann ich auf Grund der Decke nicht erkennen aber vermutlich hat er noch einige Bauchverletzungen, sonst würde es nicht so schlimm um ihn stehen.Ein leises Husten macht mich hellhörig. Die Nacht ist schon weit fortgeschritten und Winnetou schläft immernoch tief und fest. Ich drehe mich um schaue auf Amatok, welcher schmerzvoll das Gesicht verzieht und die Augen ein kleines Stück öffnet. ,,Wasser", keucht er leise. Ich nehme einen Wasserbeutel und lasse ihm etwas Wasser in den Mund laufen. Er schluckt und öffnet die Augen noch ein Stück. ,,Mira?", murmelt er leise und versucht seinen Arm zu bewegen. Beruhigend lege ich meine Hand auf seine. ,,Ja ich bin es", antworte ich. ,,Wo sind Winnetou und..." ,,Es geht ihnen gut", unterbreche ich ihn. Er nickt kaum merklich. ,,Sie schlafen. Soll ich Winnetou holen?" Er atmet schwer und man merkt, wie sehr ihn das alles anstrengt. Er nickt wieder also stehe ich auf und ignoriere meine eigenen Schmerzen.
,,Winnetou", flüster ich leise und lege meine Hand auf seine Wange. Er öffnet schwerfällig die Augen. ,,Er ist wach." Sofort setzt Winnetou sich auf und blickt zu seinem Vater. Man hört erneut ein leises Husten. Ohne Zeit zu verlieren steht er auf und geht zu seinem Vater. Ich komme langsamer hinterher. Mit einem glücklichem Lächeln hält er die Hand von Amatok und ein nasser Film schimmert auf seinen Augen. ,,Winnetou, ich möchte, dass du mein Amt übernimmst", kommt es leise aus Amatoks Mund. ,,Was ist mit dir?", antwortet Winnetou irritiert. ,,Ich werde noch nicht gehen, aber mit meinen Verletzungen bin ich zu schwach den Stamm zu beschützen."
,,Winnetou wird seinen Vater nicht enttäuschen." ,,Ich geh Naira holen", melde ich mich leise dazwischen. Winnetous Blick gleitet zu mir und er nickt. Ich gehe aus dem Zelt. Nachdem ich Naira ebenfalls von den Neuigkeiten erzählt habe, gehe ich wieder zurück in Winnetous Zelt. Ich will die drei nicht stören. Hoffen wir mal, dass es Amatok tatsächlich bald wieder besser gehen wird.
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Das weiße Mädchen
AdventureMira kommt, nach dem Tod ihrer Mutter, durch unerklärliche Weise nach Amerika. In die Zeit der Indianer. Nach Tagen, in denen sie alleine rumgeirrt ist, trifft sie auf einen Apachenstamm, der sie aufnimmt. Sie lernt die Indianische Sprache Lakota un...