,,Mira wach auf", rüttelt Naira mich unsanft wach. Verschlafen wache ich auf und blicke in ihre Augen. ,,Was denn?", murmel ich und ziehe die Decke enger um mich. Ich will nicht aufstehen.
,,Mira muss unbedingt mitkommen." ,,Warum denn? Was soll das? Es ist noch total früh." ,,Es ist schon nach Sonnenaufgang", kichert sie und zieht mir die Decke weg. Seufzend richte ich mich auf, trinke etwas und mache meine Haare zurecht. ,,Ist Mira endlich fertig?" Ich nicke und werde sofort von ihr aus dem Zelt gezogen. Komischerweise ist keiner am arbeiten. Alle stehen um den Pfal rum, an den immer die Gefangenen gebunden werden. Als ich hinzukomme bildet sich eine Gasse und ich erblicke Winnetou, der mit erhobenem Messer vor einem gefesselten Mann am Pfal steht. Doch der Gefangene ist kein Indianer eines anderen Stamm, er sieht genauso aus wie ich. Helle Haare, blasse Haut und Kleidung, die komplett aus Stoff besteht. Langsam gehe ich durch die Gasse nach vorne und bleibe vor Winnetou und dem Fremden stehen. Ein paar Schritte weiter steht Amatok und guckt sich das Ganze an. Der Mann mustert mich und fängt an dreckig zu grinsen. Er öffnet den Mund, um etwas zu sagen, doch Winnetou ist schneller und gibt ihm eine Ohrfeige. ,,Winnetou, was ist passiert?" ,,Der weiße Mann hat zwei Kinder und eine junge Frau ohne Grund angegriffen und verletzt. Sie sind im Krankenzelt. Der Fremde spricht unsere Sprache nicht, Mira soll etwas aus ihm heraus bekommen." Ich schlucke und sehe mir den Typen an. Sehr sympathisch scheint er nicht zu sein. Ungepflegte Haare, Bartstoppeln und gierige Augen. Also schön, dann versuche ich mal mein Glück. ,,Sprichst du deutsch?", frage ich ihn kalt in meiner Muttersprache. Er antwortet nicht. ,,Kannst du Englisch?", frage ich ungeduldig auf besagter Sprache. Seine Augen weiten sich. ,,Du sprichst meine Sprache?!", erwidert er mit unangenehmer Stimme. Ich nicke. ,,Ich kann mit ihm reden. Was willst du wissen?", wende ich mich in Lakota an Winnetou.
,,Seinen Namen, wo er her kommt und was er möchte."
,,Wie heißt du?", frage ich ihn kalt. Auch wenn ich ihn nicht kenne er ist mir unsympathisch und er hat drei Mitglieder der Apachen verletzt, dazu auch noch wehrlose. ,,Warum sollte ich dir das sagen süße?", grinst er. Ich hole mein Messer raus und lasse es aufspringen. Hinter mir ist es komplett still. Winnetou sieht aus als ob er den Kerl gleich töten will. ,,Winnetou wenn er unverschämt wird sage ich dir Bescheid. Lass mich das alleine machen." Nicht ohne seinem Gefangenen einen Todesblick zuzuwerfen, steckt er sein Messer weg. Ich gehe näher an den Typ ran, bis ich direkt vor ihm stehe. Ein unangenehmer Geruch steigt mir in die Nase. Eklig. ,,Also nochmal, wie heißt du?", frage ich ungeduldig.
,,Ich weiß immer noch nicht warum ich dir das sagen sollte." Ich lege mein Messer an seine Wange. ,,Weil du sonst eine ziemlich hässliche Narbe in deinem Gesicht hast." ,,Du bist ein Mädchen. Das traust du dich nicht." Ohne zu zögern drücke ich das Messer in seine Haut und ziehe es einmal durch sein Gesicht. Die Apachen fangen alle an zu flüstern. ,,Also?" ,,Konrad",
sagt er mit zusammen gebissenen Zähnen. ,,Weiter."
,,Von Lewenstein." ,,Na also geht doch. Wo kommst du her?" Er stößt hörbar die Luft aus.
,,Das könnte ich dich auch fragen." Drohend hebe ich mein Messer. ,,England." ,,Rede gefälligst lauter. Und woher aus England?" ,,London." ,,Was hast du hier zu suchen. Und wieso verdammt noch mal hast du Kinder von den Apachen verletzt", schreie ich ihn an. Ich wusste gar nicht, dass ich so gut englisch kann. Irgendwie macht das Spaß ihn anzuschreien.
,,Ich lasse mir doch von einem Weib nichts sagen", spuckt er mir ins Gesicht. ,,Schön. Dann werden wir mal sehen wie lamge du es hier aushältst." Ich winke Winnetou zu mir. ,,Lass ihn bewachen. Kein Essen, wenig Wasser, ich will noch ein paar Infos von ihm. Hatte er noch Sachen dabei?" Winnetou nickt und gibt seinen Leuten Anweisungen.Die Gruppe löst sich wieder auf. Ich folge Winnetou durch das Zeltlager. ,,Er hatte dieses Pferd bei sich." Ich erblicke ein hellbraunes Pferd mit einem schweren Sattel und etlichen Taschen. Sofort locker ich den Sattelgurt, damit das Pferd wieder durchatmen kann.
,,Hilf mir bitte die Sachen runter zu machen." Ohne Zeit zu verlieren fangen wir an, das Pferd von seinen Lasten zu befreien. Es scheint schon alt zu sein, es sieht aus, als ob es gleich zusammen bricht. ,,Was hat er Mira gesagt?" ,,Erzähle ich dir später, wenn wir bei deinem Vater sind." Vorsichtig ziehe ich dem Pferd die Trense vom Kopf.
,,Warum hat Mira ihn verletzt?"
Ich zucke mit den Schultern.
,,Er hat mich aufgeregt und wollte nicht reden. Die Möglichkeit erscheint mir ganz passend." ,,Winnetou hofft, Mira tut ihm nichts, wenn er nervt", grinst er. ,,Wie könnte ich dich jemals verletzten?" Ich hebe den Sattel vom Rücken des Pferdes.
,,Wir sollten ihm einen Namen geben." ,,Was ist mit Sani? Winnetou findet er sieht alt aus."
,,Gute Wahl." Wir binden Sani mit langer Leine fest, damit er sich bewegen und hinlegen kann. Dazu einen großen Wasserkrug. Zusammen mit Winnetou trage ich die Sachen in sein Zelt.
,,Lass uns zu meinem Vater gehen." Ich nicke und folge ihm.Nachdem ich den beiden alles gesagt und erklärt habe, gehe ich mit Winnetou wieder zurück.
,,Durchsuchen wir seine Sachen zusammen?" Er nickt und wir setzten und vor das Gepäck. Den Sattel und die Trense lege ich erstmal auf Seite. Wahllos greife ich nach einem kleinem Beutel und öffne ihn. Raus fallen ein kleines Buch, Feder und Tinte. Sofort öffne ich das Buch und beginne zu lesen. Die Schrift ist sehr altmodisch und nur schwer zu entziffern, trotzdem kann ich das Datum erkennen. 10. 1. 1516.
Der Typ kommt aus dem fucking Mittelalter. Ich bin im Mittelalter gelandet? Wie kann das bitte sein? Wie zum Teufel hat das Amulett mich 500 Jahre in der Zeit zurückgebracht? Mit zitternden Händen lese ich die ersten Wörter.Heute beginnt meine Reise. Endlich kann ich die Welt sehen. Es werden zwar harte Wochen auf dem Schiff, die ich vielleicht nicht überleben werde, aber niemand weiß, ob ich zurück komme.
Ich klappe das Buch zu. Das reicht für heute. ,,Hat Mira etwas gefunden?", frage Winnetou während er interessiert das Tintenfass inspiziert. ,,Nichts wichtiges. Winnetou ich muss mal grad alleine sein." Er nickt.
,,Wenn Mira bei der Rotfärbung des Himmels nicht zurück ist, wird Winnetou sie suchen."
,,In Ordnung." Heimlich nehme ich mir zwei Äpfel und verschwinde einfach in irgendeine Richtung.
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Das weiße Mädchen
AvventuraMira kommt, nach dem Tod ihrer Mutter, durch unerklärliche Weise nach Amerika. In die Zeit der Indianer. Nach Tagen, in denen sie alleine rumgeirrt ist, trifft sie auf einen Apachenstamm, der sie aufnimmt. Sie lernt die Indianische Sprache Lakota un...