Der Frühling schreitet immer weiter voran und es wird wärmer. Die Wintermäntel werden abgelegt und für nächstes Jahr gut verpackt. Der Schnee ist nun komplett geschmolzen und der Boden ordentlich nass und schlammig. Es ist richtiges Aprilwetter. Regen, Sonne, Sturm, 20 Grad, wieder Regen, 5 Grad. Es ist schrecklich. Ich hasse dieses Wetter. Man weiß nie was man anziehen soll, oder ob man eine Jacke mit raus nehmen muss. Und trotzdem hat Winnetou beschlossen, schon morgen zurück in die offene Prärie zukehren. Na gut wenn er meint. Er muss es schließlich am besten wissen. Alle sind am Abbauen und Einpacken. Alle außer ich. Ich darf nicht. Anordnung vom Häuptling hochstpersönlich. Ich erwarte ja ein Kind, nicht dass mir etwas passiert, wenn ich beim Zusammenpacken helfe. Also sitze ich an der Felswand und beobachte alles.
,,Was macht Mira hier? Sie soll helfen anstatt sich vor der harten Arbeit zu drücken." Dibe steht wütend vor mir. Was will die denn jetzt? Ich erhebe mich.
,,Nun ja Dibe, ich würde furchtbar gerne helfen, aber Winnetou meinte, ich soll mich schonen. Du kannst ihn ja gerne fragen. Sonst noch was?", frage ich und lächel unschuldig.
,,Nur weil Mira jetzt an Winnetous Seite ist, hält sie sich für etwas besseres. Ich sollte an ihrer Stelle stehen." Ich gehe einen Schritt zurück und pralle gegen die Wand. Dieses Mädel kommt mir eindeutig zu nahe. Aber ich kann es einfach nicht lassen sie zu provozieren, das ist zu witzig um es jetzt abzubrechen. ,,Tja scheinbar hat Winnetou nicht viel von dir gehalten." Ihre Augen verengen sich. ,,Du bist ein weißes Mädchen. Mira hat keine Recht auf ein Leben, wie es die Apachen haben." Sie starrt auf meine Kette. ,,Ich sollte diesen Stein um meinen Hals tragen." Ihre Stimme ist bedrohlich und irgendwie macht mir das gerade Angst. Mit voller Wucht stoße ich sie weg, woraufhin sie gegen Winnetou knallt, der hinter hier aufgetaucht ist. ,,Winnetou", haucht sie übertrieben hoch und lässt sich in eine Arme fallen.
,,Dibe soll Mira im Ruhe lassen. Es wäre besser, sie geht jetzt den anderen Frauen helfen." Seine Stimme duldet keinen Widerspruch und sofort verschwindet Dibe im Getümmel. ,,Hat sie dir etwas getan?" ,,Nein alles gut." ,,Wenn Dibe Mira ein weiteres Mal zu nahe kommt, verlangt Winnetou dies zu wissen. Sie wird dann eine angemessene Strafe erhalten." Er ist wütend, dass merkt man, obwohl nichts passiert ist. Trotzdem sollte ich ihn nicht weiter treiben, also nicke ich brav. Er beugt sich leicht vor und gibt mir einen Kuss. ,,Winnetou, ist es in Ordnung wenn ich zu meinen Eltern gehe?", frage ich vorsichtig. Zu meiner Überraschung nickt er. ,,Hat Mira ihr Messer?" ,,Ja." ,,Dann geh. Winnetou wird kommen, sobald er hier nichts mehr tun muss." Diesmal stelle ich mich auf die Zehen und drücke ihm einen Kuss auf die Lippen, bevor ich an ihm vorbei schlüpfe und das Lager verlasse.Noch vor Sonnenaufgang sind alle Zelte abgebaut und die Apachen sind bereit aufzubrechen. Anders wie beim letzten Mal bilde ich nicht das Schlusslicht, sondern reite mit Winnetou ganz vorne. Genau genommen bin ich die Erste, da ich vor Winnetou auf Silver sitze und in Richtung Sonnenaufgang reite. Der junge Häuptling hat schützend seine Arme um meinen Bauch gelegt. Direkt hinter uns sind Amatok und Naira mit ihrem Mann. Dahinter laufen unsere Lastpferde. Direkt neben uns läuft eine fast hochschwangere Aponi und Sani läuft ohne Last zwischen den Lastpferden rum. Er hat sich gut gemacht und wieder einiges zugenommen. Er ist zwar immer noch sehr dünn, aber er wird diesen Sommer auf alle Fälle noch erleben. ,,Winnetou kann ich was trinken?" Sofort löst er den Wasserbeutel von seinem Gürtel und gibt ihn mir.
,,Möchte Mira etwas essen?" Ich schüttel den Kopf und gebe ihm den Beutel zurück. Die meiste Zeit des Ritts verbringe ich damit, in der Gegend rumzugucken und Silver das Winterfell vom Hals und der Schulter zu rupfen. Warscheinlich ist meine Hose voller Pferdehaare, wenn ich absteige. Obwohl ich ihn schon so oft gebürstet habe, hängen immernoch lose Haare in seinem Fell. Es ist schrecklich wenn Pferde ihr Winterfell verlieren.Wir haben die Berge fast verlassen, es sind schon weite Teile der offenen Prärie zu erkennen. Winnetou hebt seine Hand und hält Silver an. ,,Wir werden hier die Nacht verbringen", verkündet er laut. Die Information wird nach hinten weitergegeben. Winnetou steigt ab, ich ebenfalls. Ein stechender Schmerz durchfährt meine Knöchel und ich kralle mich in Silvers Mähne, um nicht umzukippen. Ich hasse das nach einem langen Ritt. Jedes mal. Jedes verdammte mal passiert mir das und trotzdem denke ich nie dran, vorsichtig abzusteigen. Ich laufe ein paar Schritte und das unangenehme Kribbeln wird weniger. Die letzten Apachen kommen gerade an und das große Aufbauen fängt an. Sobald das Häuptlingszelt fertig ist, vobei ich natürlich nicht helfen durfte, grabe ich in der Mitte des Zelts eine Kuhle und verteile mit Naira ein paar Felle. Die Nacht werde ich mit ihr, Winnetou, Nairas Mann und Amatok verbringen. Immerhin schlafen wir nicht im Gemeinschaftszelt. Das wäre noch schlimmer gewesen. Naira kommt mit zwei Holzschalen rein und gesellt sich zu mir. Sie packt einen kleinen Lederbeutel mit Fleisch und Brot aus und gibt mir eine Schale. Es ist das übliche, ein Zusammenmix aus verschiedenem Gemüse, Beeren, etwas Obst, zerstampfter Mais und zerkochtem Fleisch. Damit es nicht so fest ist, ist etwas Wasser dabei. Ich nehme ein Stück Brot und tunke es in die Suppe. Da das Brot null Geschmack hat, ist es dann immerhin nicht so trocken. Aufgrund der fehlenden Hefe ähnelt das Ganze ziemlich dem Knäckebrot aus meiner Zeit. Auf Dauer nicht sehr Appetit anregend.
Wir sind gerade fertig, als Winnetou und Mingan reinkommen. Die beiden begrüßen uns mit einem Kuss auf die Stirn und setzen sich dann ans Feuer. ,,Mira soll mit rauskommen", sagt Naira leise uns zieht mich mit raus. Kurz nachdem wir das Zelt verlassen haben, geht Amatok rein.
,,Jetzt müssen wir warten, bis sie fertig gesprochen haben."
,,Warum?" Naira stellt die Schalen weg und wir setzten uns auf einen Holzbalken, da der Boden immer noch nass ist. Sie zuckt mit den Schultern.
,,Naira weiß es selber nicht. Das ist Tradition." Ich nicke nur. Das muss als Antwort genügen. Das Lager leert sich langsam und immer mehr verschwinden im Gemeinschaftszelt. ,,Komm, sie sind fertig", sagt Naira auf einmal. Ich schaue zu dem Zelteingang, wo Mingan steht. Durch den feuchten Boden bahnen wir uns einen Weg um die Ganzen herumliegenden Sachen. Jedes Mal, wenn ich meinen Fuß vom Boden löse, ergibt das ein schmazendes Geräusch und Wasser sammelt sich in den Abdruck an. Hoffen wir, dass es morgen nicht regnet. Im Zelt liegt Amatok schon mit einer Decke über sich, etwas abgelegen da und sieht aus, als ob er schlafen würde. Naira geht zu Mingan und ich setze mich neben Winnetou. Dann lege ich meine Kette ab und kämme meine Haare durch. ,,Mira soll jetzt schlafen. Es war ein anstrengender Tag." Naja, ich saß den ganzen Tag auf einem Pferd, das ist jetzt nicht so anstrengend. Ohne etwas zu sagen lege ich mich hin, Winnetou tut es mir gleich und zieht mich in seine Arme. Obwohl ich eigentlich nicht müde bin, schlafe ich dennoch schnell ein.
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Das weiße Mädchen
AdventureMira kommt, nach dem Tod ihrer Mutter, durch unerklärliche Weise nach Amerika. In die Zeit der Indianer. Nach Tagen, in denen sie alleine rumgeirrt ist, trifft sie auf einen Apachenstamm, der sie aufnimmt. Sie lernt die Indianische Sprache Lakota un...