Kapitel 8

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,,Menschen hassen mich!", rief ich frustriert auf, als ich Jonathans Büro betrat. Er schaute erschrocken auf, während er sich ein Telefonhörer ans Ohr hielt.

Ich blieb mitten im Raum stehen, als er ein Finger hob, um mir zu signalisieren, dass ich leise sein sollte. ,,Nein... Nein... Bitte lass uns später reden... Ja... Nein, ich lege jetzt auf... Ja, ist okay... Gut... Tschüss." Verwirrt versuchte ich das Gespräch mit zu verfolgen, doch aus diesen kleinen Gesprächsfetzen konnte ich nichts entnehmen.

Als er dann auflegte rieb er sich die Augen und sah irgendwie... Er sah aufgelöst aus. Seine Augen waren glasig und er kam mir recht blass vor. Das letzte mal hatte ich ihn so erlebt, als sein Vater nach einem Autounfall eingeliefert wurde.

,,Alles okay?", fragte ich vorsichtig und näherte mich dem monströsen Schreibtisch, der sehr präsent in diesem Raum war. Er winkte meine Frage ab und rieb sich noch einmal kurz über sein Gesicht, bevor er wieder eine Fassade aufsetzte. ,,Kaffee?" Dankbar nahm er mir den Becher ab und lehnte sich zurück. Ich machte mich auf der kleinen Couch breit und entledigte mich meiner Jacke und Tasche. Ich fing wieder an regelmäßig normale Klamotten zu tragen und nicht wie ein Penner rauszugehen. Es schreckte doch einige Menschen ab.

,, Wieso hassen dich jetzt Menschen?", fragte nun Jonathan, während sich ein Schmunzeln auf seinem Mund breit machte. Stöhnend ließ ich mich nach hinten fallen und schlug mir meine Hand gegen die Stirn. Der Tag war eine reine Katastrophe gewesen.

,,Es kann doch nicht sein, dass niemand mir ein Job geben will. Egal ob sie eine Aushilfe suchen oder nicht. Diese Zeitlücke stört die Leute irgendwie." Ich spielte auf LA an. Wollte es doch nicht wirklich ansprechen. Das Thema Harry versuchte ich so gut wie möglich zu umgehen. ,,Die Leute denken bestimmt ich wäre in einer Entzugsklinik gewesen."

"Naja, verübeln kann ich es ihnen nicht", lachte Jonathan, ,,So siehst du schließlich auch aus." Entrüstet schaute ich ihn an. Er räusperte sich: ,,Aber jetzt mal ehrlich: Du weißt, dass du hier auch immer einen Job bekommen könntest."

Jonathan machte mir seit Tagen dieses Angebot. Nein. Er machte es mir​ seit Jahren. Schon seit wir kleine Kinder waren versuchte er mich groß rauszubringen. Neben meiner Mum war er mein Fan Nummer eins. Ich fühlte mich unglaublich geschmeichelt, dass er so hinter mir stand und mich immer unterstützen würde und so an mich glaubte, doch ich wollte kein Star sein.

Ich liebte die Musik, keine Frage. Ich liebte es auf der Bühne zu stehen und Leute mitreißen zu können. Es war ein berauschendes Gefühl. Genauso war es unglaublich einen Song zu schreiben. Der Prozess etwas eigenes wachsen zu sehen war etwas, was man nicht beschreiben konnte. Man konnte Geschichten erzählen, Gefühle hineinbringen und das so etwas Menschen zum weinen bringen konnte machte es nur noch interessanter.

Aber jeden Kameras im Gesicht zu haben und diese sieben Sekunden Ruhm zu haben, wenn man auf irgendeinem roten Teppich war reizte mich nicht. Ich wollte ich sein und nicht irgendeine aufgestellte Puppe, die man jederzeit auswechseln konnte.

Bei Harry hatte ich oft genug miterlebt, wie es war im Rampenlicht zu stehen. Man musste eine Person dafür sein. Man musste dafür leben und hart sein. Nichts durfte an einen rankommen. Doch egal wie hart man war; irgendwann brach diese Fassade. Ich hatte es ein mal bei ihm mitbekommen und ich wollte nicht, dass das selbe mit mir passierte. Darauf wollte ich es nicht ankommen lassen.

,,Jonathan, du kennst meine Antwort." Diese Worte würden jedoch niemals bei ihm ankommen werden. Er war zu stur.

,,Du kannst doch auch hinter den Kulissen arbeiten. Du kannst coachen. Du weißt, dass deine Stimme atemberaubend ist und so viele junge Künstler können von dir lernen. Du kannst Songs schreiben. Du kannst dich entfalten, ich würde dich niemals einschränken. Und ich bezahle dich für etwas, was du liebst.", versuchte er mich zu überreden. "Ich würde es auch nicht verhindern, wenn du doch irgendwann mal etwas eigenes rausbringen wollen würdest, aber-"

Ich sprang von meinem Platz auf und begab mich Richtung Tür. ,,Ich bringe Davis seinen Kaffee!", rief ich über meine Schulter und hob den anderen Becher in die Höhe, den ich die ganze Zeit in der Hand balanciert hatte. Von Jonathan kam nur noch ein schallendes Lachen.

Bis ich den Raum fand, in dem Davis sich verschanzt hatte, vergingen einige Minuten. Ich fand ihn schließlich in Studio vier, wo er es sich auf einem breiten Ledersofa gemütlich gemacht hat. Neben ihm lagen viele Blätter und auf seinem Schoß ein ganzer Block, der ziemlich ranzig aussah. Auf dem Boden lag eine Gitarre, die ihm wohl von den Beinen gerutscht war. Er döste vor sich hin und seine Haare waren unglaublich wirr. Das erinnerte mich an einige unserer Sessions, die wir früher immer hatten.

Manchmal schaute er plötzlich in meiner Wohnung vorbei. Mitten in der Nacht, wenn er eine Vision von einem Song in einem seiner Träume hatte oder wenn er gerade frisch von der Afterhour am frühen Morgen kam um mir von einer Frau zu erzählen, die so unfassbar getanzt hatte und die nun eine Muse für einen seiner neuen Lieder ist.

Davis lebte für die Musik. Er konnte in allem eine Inspiration finden, sogar in einem Thunfisch Sandwich, dass er vergötterte. Er war dafür geboren worden, auch wenn seine Eltern es nicht wirklich wahr haben wollten, dass ihr Sohn ein waschechter Musiker war.

Ich lernte Davis durch Jonathan kennen, denn sie belegten damals das selbe Studienfach. Irgendetwas mit Management. Davis quälte sich durch das erste Semester. Er wollte nie studieren, doch sein Vater schrieb ihn ein. Oftmals versuchte Davis seine Eltern zu überreden das Studium zu schmeißen, doch sie erwarteten, dass er etwas Vernünftiges machte. Als dann das Studio eröffnet wurde und die zwei eigentlich nur noch zwei Semester zu bewältigen hatten, brach Davis es doch ab und widmete sein gesamtes Leben diesem Projekt, was sich offensichtlich ausgezahlt hatte.

Vorsichtig schob ich einige der Zettel zur Seite und setzte mich neben ihn. Mit sanfter Hand strich ich ihm übe die Wange und flüsterte leise: ,,Davis, aufwachen. Ich hab Kaffee."

Er zuckte zusammen und öffnete seine Augen wehmütig. Müde drehte er sein Gesicht zu mir und kniff seine Augen zusammen. ,,Wie viel Uhr isses?", murmelte er und griff nach dem, immer noch warmen, Kaffee. Ich hielt ihm mein Handy vor das Gesicht und er nickte kurz, als er die Uhrzeit sah.

,,Wieso schläfst du hier?", fragte ich und trank ebenfalls etwas von meinem Getränk. Davis richtete sich langsam auf und rieb sich über die müden Augen.

,,Hab ein wenig gearbeitet, siehst du doch." Ich musste leicht schmunzeln. Verschlafen war er wirklich süß. ,,An was hast du denn gearbeitet?" Er sammelte einige der Blätter zusammen und sortierte sie. Immer mal wieder erhaschte ich einen Blick darauf, doch die meisten Sachen, die drauf geschrieben waren, waren durchgestrichen oder es machte keinen Sinn. ,,Kreatives tief, huh?"

,,Das ist doch alles scheiße!", regte Davis sich daraufhin auf und pfefferte die ganzen Blätter in eine Ecke des Raumes. Er vergrub sein Gesicht in seine Hände, bis er mich ansah. ,,Dabei hab ich so einen geilen Beat ausgearbeitet." Ich lehnte mich nach hinten und grinste: ,,Dann lass doch mal hören."

Ich wusste, dass es jetzt keinen Ausweg mehr gab und Davis mich wieder in den Bann gezogen hatte. Die nächsten Stunden würde ich definitiv nicht mehr aus diesem Studio rauskommen, ohne einen Song geschrieben zu haben.

11.03.2017 (1233 Wörter)

Song:
UGH!
The 1975

The Story of my broken heart I German Harry Styles FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt