Idiot

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Total kaputt, öffnete ich meine Augen. Ich schaute mich um und realisierte recht spät, dass das nicht mein Zimmer, geschweige denn mein Haus war.
Ich versuchte, mich an irgendwas zu erinnern.
Gedankenblitz! Der Mann hatte mich entführt!

Ich sprang auf und bereute es sofort wieder, da mir schwarz vor Augen wurde. Ich taumelte und fiel schließlich um. Ich blieb sitzen. Ich nahm mein Gesicht in die Hände, fuhr mir durch die Haare und versuchte mich zu beruhigen.

Plötzlich ging die Zimmertür auf, worauf ich erstarrte und meinen Blick nicht erhob.

,,Hey, was ist passiert? Wieso sitzt du auf dem Boden?", fragte eine bekannte Stimme.

Ich schaute hoch und sah Ruggero. Erleichterung breitete sich in meinem Körper aus.

,,Du?! Wieso bin ich hier?", überspielte ich seine Fragen und versuchte aufzustehen, was nicht klappte.
Ich verlor das Gleichgewicht und schloss meine Augen, um mich auf den Boden vorzubereiten.

Anstatt auf den harten Boden zu knallen, spürte ich, wie mich zwei Arme auffingen. Ich öffnete meine Augen und schaute in sein Gesicht, welches nur wenige Zentimeter von meinem entfernt war.

Ohne irgendwas zu sagen, versuchte ich mich von ihm zu lösen, doch er ließ es nicht zu. Stattdessen legte er eine Hand unter meinen Rücken und die andere unter meine Kniekehle und legte mich zurück ins Bett.

Er setzte sich neben mich und beobachtete mich ruhig. Nach einer halben Ewigkeit, unterbrach er die Stille.

,,Wieso lässt du dir nicht helfen? Wieso erzählst du niemandem von deinen Problemen? Wärst du nicht so kaputt gewesen, hättest du noch nichtmal zugelassen, dass ich dir hoch helfe. Warum bist du nach der Schule alleine losgegangen, obwohl du weißt, dass irgendein Typ hinter dir her ist? Du bist den einen Abend, als der Kerl dich das erste mal verfolgte, auch einfach alleine weitergegangen. Ich hätte dich auch nach Hause bringen können. Ich weiß, dass du stark bist. Aber jeder braucht mal Hilfe oder ist kaputt. Egal, ob Mann oder Frau.", redete er auf mich ein.

Eigentlich hatte er recht. Aber das musste er ja nicht wissen.
Ehrlich gesagt, wusste ich in diesem Moment nicht, was ich sagen sollte. Somit hatte ich ihm theoretisch gezeigt, dass er recht hatte, da ich nicht widersprechen konnte.

,,Ich weiß, dass ich recht hab.", las er meine Gedanken und schmunzelte.

Daraufhin sagte ich nichts.
Er aber, schaute mich mit einem erwartungsvollem Blick an.

,,Ja, okay. Du hast recht. Zufrieden?", fragte ich, ohne eine Antwort zu erwarten.

Er nickte und grinste dabei.

,,Trotzdem. Männer werden immer besser dargestellt als Frauen.
Allein diese Vergleiche "Du läufst, wie ein Mädchen". Was soll das heißen? Und das war nur EIN Beispiel. Es gibt noch so viele mehr.
Mädchen hören immer, dass sie einen Jungen brauchen, der sie beschützt oder, dass sie allgemein beschützt werden müssen.
Wir werden als zerbrechlich dargestellt. Aber das sind wir nicht. Ganz und gar nicht.
Frauen sind ja sowieso zu nichts zu gebrauchen. Sie sind schwach und geben schnell auf. Nur für das eine sind sie gut.", flüsterte ich mittlerweile.

Ich schaute ihm die ganze Zeit über in die Augen. Er zeigte keinerlei Emotionen. Damit will ich nicht sagen, dass ich auf Mitleid oder sonstiges hoffte. Ich wollte nur schauen, ob man sehen konnte, wie er sich fühlte. Mir war schon, seit wir aufeinander gestoßen sind, aufgefallen, dass er seine Emotionen gut verstecken konnte. Klar, er grinste immer, wie ein Honigkuchenpferd, aber trotzdem wusste man nie richtig was in ihm vorging.
Er war total undurchsichtig.

,,Ich weiß nicht wer oder was dich dazu gebracht hat, so zu denken, aber eins kann ich sagen: Nicht jeder Mann denkt so. Glaub mir. Auch, wenn es dir so vorkommt.
Ich wollte dir den Abend helfen, weil ich mir Sorgen machte, nicht, weil ich dachte, dass du zu schwach bist oder es nicht alleine hinkriegst.", sagte er ruhig.

Stillte herrschte.

Ich merkte nicht, dass es schon dunkel war, also beschloss ich, nach Hause zu gehen. Gut, dass Ruggero meine Mutter anrief, um ihr zu sagen, dass ich später komme. Er hatte sich, während ich schlief, mein Handy genommen und suchte ihre Nummer raus. Da ich keinen Code drin hatte, konnte er ohne Probleme auf meine Kontakte zugreifen. Ich war zwar sauer, dass er einfach so an mein Handy ging, aber im Endeffekt, war es besser so. Meine Mamá hätte sich Sorgen gemacht.

Ruggero fragte mich, ob er mich nach Hause fahren soll. Ich habe "Nein" gesagt, aber er meinte, dass ich gar nicht wüsste, wo ich hier überhaupt war, also wüsste ich logischerweise auch nicht, wo ich lang müsste. Ich fuhr also mit ihm.

,,So, hier sind wir.", sagte er.

Ich bedankte mich und wollte gerade aus dem Auto steigen.

,,Warte! Dürfte ich jetzt wissen, wie du heißt?", grinste er.

,,Karol. Karol Sevilla.", antwortete ich kurz.

,,Ruggero Pasquarelli.", stellte er sich (nochmal) vor und wollte mir gerade einen Kuss auf die Wange geben.

Bevor er das tun konnte, drückte ich sein Gesicht weg.

,,In deinen Träumen, du Idiot.", grinste ich, worauf er schmunzelte.

Ich machte die Autotür zu und ging zur Haustür, die ich dann aufschloss.

Mamá schlief schon, also ging ich direkt in mein Zimmer und machte mich zum schlafen bereiten.

Als ich fertig war, legte ich mich in mein Bett und dachte nochmal an das Gespräch, was Ruggero und ich führten. Die ganze Zeit über, konnte ich nicht ein mal erkennen, was er fühlte. Als wäre er Emotionslos. Aber das ist er nicht. Das weiß ich.

Gefühlschaos || RuggarolWo Geschichten leben. Entdecke jetzt