Kapitel 37

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Und das hatte ich. Ich hatte darüber nachgedacht. Mehr als nur ein wenig. Meine Gedanken hatten mich teils Nächte lang wachgehalten, immer und immer wieder versuchte ich es zu verstehen, aber ich schaffte es nicht. Schaffte es nicht zu verstehen, wie sich Lewy so schnell so oft verändern konnte. Letztendlich hatte ich das Gefühl gar nichts zu wissen. Ich wusste nicht, wer dieser Mensch war, ist und sein wird. Das tat ich wohl nie. Aber ich musste versuchen den jetzigen Robert Lewandowski kennen zu lernen, um mit ihm und dieser verdammten Situation umgehen zu können. Dafür bot sich dann auch heute beim Training gleich die erste Gelegenheit. Wir sollten mit Partnern Passübungen machen und wie es der Zufall wollte, teilte mich Pep Robert zu. Es kostete mich einiges an Überwindung die wenigen Meter auf ihn zu, zu überbrücken, aber ich schluckte all meine Befürchtungen runter und tat es einfach. Es würde mir schon nichts passieren. David hat bestimmt recht und ich wollte dem jetzigen Lewy ja immerhin eine Chance geben.
„Hey“, murmelte ich, als ich neben ihm stand und zu meiner Verwunderung antwortete er mehr als nur nett: „Hey Mario. Na, alles gut bei dir?“ Ich war verwirrt. War das der neue Lewy? Höflich, aber distanziert und für mich ungefährlich?
„Ganz…ganz gut, denke ich“ nuschelte ich und Lewy schenkte mir ein kleines Lächeln.
„Freut mich. Ich dachte schon, du hättest Angst vor mir oder so. Was natürlich absoluter Schwachsinn wäre“ sagte er und lache am Ende. Ich versuchte schwach mitzulachen. „Natürlich. Schwachsinn“ sagte ich mehr zu mir selber, aber er musste es wohl mitbekommen haben, denn er legte den Kopf schief und musterte mich einen Moment skeptische. Ich wurde immer nervöser und fing an, mit dem Saum meines Shirts zu spielen.
„Genau, Schwachsinn.“ Bestätigte er und wechselte dann schnell das Thema: „Sollen wir anfangen mit den Übungen, bevor Pep uns mit seinen Blicken umbringt und zurück nach Dortmund schickt?“ Und ich stimmt ihm einfach zu. Er hatte es selber gesagt. Es war schwachsinnig vor ihm Angst zu haben, aber die Erwähnung von Dortmund aus seinem Mund löste in mir unangenehme Erinnerungen aus und ich wollte einfach nur heim. Nach Hause, weinen und mich verstecken. Aber das ging nicht und ich musste es auch nicht. Lewy hatte selber gesagt, dass er mir nichts tun würde. Mats und Marco hatten gesagt, dass er einen neuen Freund hatte und mich deswegen in Ruhe lasse würde und David war ja die ganze Zeit mit hier auf dem Gelände und würde mir im Notfall helfen.
„Gerne“ sagte ich schnell und war dennoch froh, dem weiteren Gespräch zu entkommen. Ich war noch nie gut darin gewesen, mich selber zu beruhigen.
Wir absolvierten also in aller Ruhe die Übungen und irgendwie taute im Laufe des Trainings das letzte Eis, was ich Lewy gegenüber aufgebaut hatte. Am Ende konnte ich sogar wieder über ein paar seiner Witze lachen. Ich merkte, dass es zwar immer noch dauern würde, bis ich ihm wieder vertraute, aber wir waren auf einem guten Weg. Ich war auf einem guten Weg mit der Situation umzugehen.
„Na, wie war dein Training mit Robert?“ fragte mich David auf dem Weg zu unseren Autos und ich erzählte ihm von meiner Erkenntnis.
„Na siehst du. Und du hattest solche Angst. Alles unbegründet. Er ist jetzt glücklich und du kannst es auch wieder bzw. weiterhin sein“ meinte er und ich musste ihm recht geben.
„Da hattest ja recht. Ich hätte von Anfang an auf euch hören und mich nicht so verrückt machen sollen. Es war nur einfach so schwer“ antwortete ich.
„Das war auch kein Vorwurf Mario. Ich kann dich sehr gut verstehen. Ich weiß nicht, ob es mir an deiner Stelle nicht genau so gegangen wäre“ sagte er und ich war froh, ihn als Freund zu haben. Manchmal vermisste ich Toni noch, aber der war jetzt in Madrid glücklich und wenn wir telefonierten, wusste ich, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte, indem ich ihn nicht eingeweiht hatte.
„Dank David. Für alles.“ Brach es aus mir raus und David musste lächeln.
„Nicht dafür. Aber du kannst dich gerne revanchieren, indem du mich mal zum Essen einlädst.“
„Gerne, aber bitte nicht heute. Ich bin so müde, weil ich heute Nacht mal wieder kein Auge zugetan habe. Ich will einfach nur noch in mein Bett und schlafen“ sagte ich und David verstand.
„Na dann, ab nach Hause und ins Bett mit dir. Wir sehen und morgen beim Training“ verabschiedete er sich und wir beide gingen zu unseren jeweiligen Autos und machten uns auf den Weg nach Hause. Dort legte ich mich tatsächlich erstmal ins Bett, um noch eine Runde zu schlafen. Tatsächlich klappte es im Vergleich zur letzten Zeit ziemlich gut. Vermutlich lag es daran, dass ich mir keine Gedanken mehr um Lewy machen musste und mich auch endlich wieder hier in Bayern sicher fühlte. Ein wirklich schönes Gefühl, was ich nie wieder missen wollte.
Leider jedoch wehrte mein Schlaf nicht allzu lange, denn ich wurde von einem Klingelsturm geweckt. Welcher Idiot wollte so dringend etwas von mir, dass er mich aus meinem Bett und meinem wohlverdienten Schlaf klingelte. Nur in Boxershorts tapste ich also vollkommen verschlafen zu meiner Tür. Ich vergaß sogar nachzuschauen bzw. zu fragen, wer es war und öffnete einfach die Tür.
„Na wurde auch Zeit“ vernahm ich seine Stimme, die mich sofort hellwach sein ließ. Vor mir stand Lewy und er sah nicht sehr gut aufgelegt aus.

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