2. Kapitel - ALEX

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12 Jahre zuvor

"Du kleiner Pisser, beweg deinen Arsch hier her und zwar schnell." Verdammt, Dad war wieder da. Ich ging zur Treppe und schaute nach unten. Dort sah ich ihn. Seine Klamotten waren dreckig und seine rechte Hand war voller Blut. Wahrscheinlich hatte er sich wieder mit irgendeinem Penner angelegt und sich geprügelt. Sein Gleichgewicht konnte er kaum noch halten und schwankte nur so vor sich hin. Es war nichts Neues, aber der Geruch von Alkohol, Zigarettenrauch und Blut brachte mich wieder mal fast zum Kotzen. Es wunderte mich nicht mehr, dass er so nach Hause kam.

Eigentlich ging es so tagtäglich, denn entweder lag er hier auf der Couch und trank sein Bier während er Football sah und sich über die Spieler aufregte oder er ging zu seiner Stammkneipe, um das Gleiche mit seinen Saufkumpanen dort zu tun.

Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nach all den Jahren keine Angst mehr vor ihm hätte. Es bleibt bei ihm nämlich nicht bloß bei Beleidigungen, nein, er geht weiter, sehr viel weiter.
Seit Mom nicht mehr da ist trink und kifft er den ganzen Tag. Bevor sie starb war er zwar auch schon nicht der Netteste, aber er hätte uns nie etwas getan. Das dachte ich früher zumindest immer bis ich herausfand, dass er nur mich nicht schlug. Kurz bevor sie fort ging sah ich sie in dieser einen Nacht im Bad leise weinen. Die Tür stand einen Spalt offen. Eigentlich hätte ich schon schlafen sollen, aber ich konnte nicht, weil ich damals mein Lieblingskuscheltier verloren hatte. Ich weiß noch genau wie sie da auf der Ecke der Badewanne saß und sie ihr Gesicht in ihren Händen vergrub. Sie trug nur ein zu großes T-Shirt und ich sah all die blauen und lila Flecken auf ihren Armen und Beinen. Ich konnte damals noch nicht begreifen warum sie diese hatte, aber schon da ahnte ich, dass es nichts Gutes hieß. Auch ihre Unterarme konnte ich sehen, welche nur so von Narben übersäht waren. Manche Schnitte waren aber auch sichtlich neu. Vor ihr lag eine Rasierklinge und ich wusste, dass sie es wieder tun würde. Ich weiß nicht mehr was dann geschah, aber seit dieser Nacht hatte ich nur noch Albträume.
8 Jahre ist das jetzt her und ich sage mir immer noch, immer wieder, dass ich noch ein Kind war und nichts hätte tun können. Dennoch gebe ich mir zum Teil die Schuld dafür, dass sie nicht mehr da ist.

Nach Moms Tod fing er dann an mich zu schlagen. Es schien ihm nichts auszumachen, dass sie nicht mehr da war, denn er hatte schließlich mich als sein neues Opfer.
Natürlich habe ich mich schon öfters gefragt wieso sie ihn überhaupt geheiratet hatte. Vielleicht war es damals aus Liebe gewesen. Vielleicht hatte sie aber auch keine andere Wahl gehabt, denn sie währen heute 15 Jahre verheiratet gewesen und ich... ich bin 14 Jahre alt.
Es ist alles meine Schuld. Dieser Gedanke lässt mich einfach nicht los.
Sie hatte so viele Dinge für mich geopfert und ich hatte es erst begriffen, als es schon zu spät war. Ich wünschte so sehr, dass sie noch hier wäre und dass ich ihr noch ein Mal sagen könnte wie sehr ich sie Liebe, aber dann fällt mir wieder ein, dass sie es jetzt wahrscheinlich besser hat.

"Wenn du jetzt nicht sofort hier runter kommst, dann schleife ich dich persönlich an deinen Ohren hier her." Er lallte die Wortfetzen nur so vor sich hin.
Vor einem Jahr hätte ich auch noch auf ihn gehört, aber heute bin ich glücklicherweise schlauer. Ich ging zurück in mein Zimmer, schloss die Tür und schnappte mir schnell meinen Rucksack mit meinen Schulbüchern. Dann stieg ich durch das Fenster und kletterte kurzerhand die riesige Eiche, die vorm Haus stand herunter. Wenn ich später wieder kommen würde, dann liegt der Mistkerl wahrscheinlich mit einem Bier in der Hand schlafend auf der Couch und wird sich an nichts mehr erinnern können.

Wo ich jetzt hingehe? Zu meinem besten Freund, dem besten Menschen auf der ganzen weiten Welt...

Finding Happiness (menxmen) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt