20. Kapitel - JAMIE

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"Wie wärs wenn wir zu mir rüber gehen, dann würden wir deinen Freund auch nicht stören. Es sei denn er möchte auch mitkommen." Flüsterte sie mir verführerisch ins Ohr. Kaum war Alex weg wurde es hier sehr unbequem. Hanna rückte mir immer weiter auf die Pelle und würde ich ihr nicht ausweichen, dann würde sie jetzt auf meinem Schoß sitzen oder sonst was tun. Sie sah mir direkt in die Augen und ich konnte ahnen was sie vor hatte.
Langsam fragte ich mich echt was mit mir los war. Ja, ich hatte gesagt, dass ich kein Bock auf Beziehung habe, aber vor mir sitzt eine absolut scharfe Frau, die bereit ist was auch immer für Dinge mit mir zu tun und was mache ich? In mir kommt das Gefühl hoch so weit wie möglich von ihr weg zu kommen und weise sie daher ab.
Bin ich bescheuert?

"Sorry Hanna, ich hätte mich vielleicht schon vorher klarer ausdrücken müssen, aber Alex ist nicht nur mein bester Freund." Ich gebe es zu, improvisieren konnte ich noch nie. Ihr Blick war dafür aber unbezahlbar.

"Oh, nein es tut mir so leid. Hätte ich gewusst, dass du auf Männer stehst und dass ihr beide zusammen seid, dann... das ist echt peinlich." Sagte sie und wurde rot wie eine Tomate. Ich fühlte mich schon ein wenig schlecht, dass ich sie so in Verlegenheit brachte.

"Alles okay." Versuchte ich sie zu beruhigen. Besser lügen konnte ich auch schon mal.

"Nein ist es nicht. Ich mach mich an dich ran und flirte mit dir, während dein Freund neben uns sitzt. Es tut mir so leid. Können wir das bitte vergessen?" Nun rückte die hübsche Blondine endlich ein Stück von mir weg und man konnte sehen wie unangenehm diese Situation für sie war.

"Ja, kein Problem." Antwortete ich kurz.

"Ich hoffe wir können trotzdem Freunde sein. Aber ich glaube, dass ich jetzt besser gehen und dann im Erdboden versinken sollte." Sie stand auf und wollte anscheinend die Wohnung so schnell wie möglich verlassen.

"Mach dir keine Sorgen." Versuchte ich die Situation runter zu spielen. Ich sah ihr noch kurz nach bis sie die Tür hinter sich schloss.
Irgendwie fühlte ich mich wirklich schlecht, dass ich gelogen hatte, weil sie so nett und freundlich war.

Schon ein merkwürdiger Gedanke, ich und Alex. Zusammen. Als Paar. 

Ich sah wieder auf den Bildschirm des Fernsehers, aber auf den Film konnte ich mich jetzt nicht mehr konzentrieren.
Hanna ist bildschön, nett, an mir interessiert und trotzdem kann ich mich nicht auf sie einlassen, selbst für eine Nacht nicht. Was ist falsch mit mir?
Ich habe grade meinen besten Freund als meine Alibi Beziehung benutzt und habe keinen Plan wieso ich das getan habe.
Vielleicht werde ich doch langsam irre, vielleicht bin ich ja auch in einer Midlife-crisis. Oder eher einer Quarterlife-crisis.

"Kann ich mir vielleicht was zum Anziehen von dir borgen?" Hörte ich plötzlich eine Stimme hinter mir. Klar wusste ich, dass es Alex war.

"Ja, kein Problem." Rief ich ihm zu und stand von der Couch auf.

In meinem Schlafzimmer fand ich dann Alex vor, wie er vor meinem Schrank stand und etwas passendes suchte.
Da er nur ein Handtuch um seine Hüften trug konnte ich sehen, dass das Tattoo, welches er auf seinem linken Arm hatte, auch noch über seine Schulter und seinen Rücken verlief. Dort wo einst die furchtbaren Narben waren, konnte man sie nur noch erahnen, weil sie nun von Tinte überdeckt waren. Alex hatte seine Vergangenheit äußerlich komplett ausradiert, aber ich denke, dass Narben auf der Seele für immer bleiben. Man kann sie nicht entfernen oder überdecken, man lernt nur sie zu akzeptieren und mit ihnen zu leben.
Beim näheren Betrachten fiel mir der Phönix auf seiner Schulter auf. Seine Tattoos waren vollkommen schwarz bis auf diesen Vogel, der aus roten Flammen hervorging. Nur grob konnte ich mir denken, wieso er dieses Motiv gewählt hatte.

"Wann hast du dir die ganzen Tattoos eigentlich machen lassen?" Machte ich auf mich aufmerksam.

Er sah nicht zu mir und nahm stattdessen einfach ein Shirt und Boxershorts aus dem Schrank.
"Nach der Schule war College keine Option für mich, also suchte ich einen Job. Ich arbeitete zunächst in der Bäckerei von Luke's Schwester, um wenigstens etwas Geld zu haben und so lernte ich auch ihn kennen. Wir befreundeten uns und Luke erzählte mir von einer Stelle als Feuerwehrmann. Was er nicht wusste war, dass das schon immer mein Traum gewesen war. Als ich dann nach der Ausbildung genug Geld zusammen hatte wollte ich mir als Zeichen für den Neuanfang ein Tattoo stechen lassen. So bin ich zu meinem Phönix auf der Schulter gekommen." Erzählte mir Alex.

Ich ging näher auf ihn zu. "Etwas verloren geglaubtes, dass wieder im neuen Glanz erstrahlt. Passend."
Er nickte nur, aber sah immer noch nicht in meine Richtung.
"Tat das nicht höllisch weh? Ich meine, wenn man sich stechen lässt ja sowieso, aber wegen der Narben?" Fragte ich vorsichtig, während ich mit meinen Fingern über die feinen schwarzen Linien auf seinem noch immer nassen Rücken fuhr.

"Es tat scheiße weh, das kannst du mir glauben. Aber ich wollte sie nicht mehr sehen. Ich wollte nicht ständig an das erinnert werden, das er mir angetan hat. Ich konnte es nicht mehr ertragen ihn jedes Mal zu sehen, wenn ich in den Spiegel sah." Während er über seinen Vater sprach konnte ich in seiner Stimme eine Art von Verletzlichkeit spüren, die er sonst nie zeigte.
Kurz herrschte Stille zwischen uns, aber keine unangenehme. Wir beide standen einfach nur hier in diesem Moment.
Auf seiner Haut bildete sich eine Gänsehaut und als ich bemerkte was ich da eigentlich tat nahm ich meine Hand schnell wieder von seinem Rücken.

"Ich... ich lass dich dann mal anziehen." Sagte ich und verschwand wieder aus dem Zimmer.

Kaum hatte ich die Tür geschlossen blieb ich stehen und atmete einmal tief ein und aus. In meinem Bauch spürte ich ein Kribbeln, welches ich noch nie zuvor hatte. Mein Gesicht fühlte sich ganz heiß an und meine Handflächen waren plötzlich ganz schwitzig.

Und wieder fragte ich mich: Was ist nur mit mir los?

Finding Happiness (menxmen) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt