Auf dem Flug konnte ich nicht viel Schlaf kriegen und das lag weiß Gott nicht an dem schreienden Baby hinter mir oder der nervigen Stewardess, die dauernd gefragt hatte, ob ich etwas zu Essen haben möchte.
Meine Gedanken kreisten nämlich immer noch unaufhörlich um Alex. Ich konnte nicht aufhören mir alle möglichen Szenarien vorzustellen, wie zum Beispiel, dass er wirklich in Gefahr und die Nachricht eine Falle war. Oder dass die Nachricht nicht echt war und Alex sich gar nicht erst in der Stadt befand. Vielleicht ist das alles auch nur ein schlechter Traum, denn so fühlt es sich mittlerweile an.
Ich frage mich wann mein Leben eigentlich so kompliziert und dramatisch geworden ist. Meine Gefühle waren noch nie so stark für eine Person und das macht mir eine heiden Angst, denn ich weiß nicht, ob ich meinem Verstand momentan trauen sollte. Ich meine, es ist so absurd und ich hätte nie gedacht, dass ich mal für jemanden einfach so in ein Flugzeug steigen würde, obwohl ich keinerlei Gewissheit habe was passieren wird.Am Zielort gelandet schnappte ich mir sofort ein Taxi. In der mysterösen Nachricht von F. stand neben der Adresse, wo ich hin kommen sollte, auch eine Uhrzeit geschrieben. Am liebsten wäre ich auf der Stelle dort hingefahren, aber ich hatte noch ein bisschen Zeit und mein Magen war komplett leer. Ich fühlte mich nicht wirklich danach jetzt etwas zu essen, aber mein Bauch brummte und grummelte, so als hätte ich schon seit Tagen nichts mehr gegessen. Kurz darauf befand ich mich in einem kleinen Restaurant nahe der genannten Adresse.
Dort starrte ich ständig auf die Uhr. Doch die Zeit verging einfach nicht schnell genug, es kam mir sogar so vor als ob sie eingefroren war. Um mich herum nahm ich schon gar nichts anderes mehr war, als die tickenden Zeiger der Uhr an der Wand.Eine halbe Stunde vor der angegebenen Zeit machte ich mich auf und fand die Straße runter bei der Adresse einen Club. Oben stand nur in Großbuchstaben drüber "CLUB 447".
Was genau das für eine Szene war? Keine Ahnung, könnte alles gewesen sein. Es war mir auch scheiß egal solange Alex hier war.Es war noch relativ früh, aber bereits viele Menschen hatten den Weg zur Tanzfläche gefunden. Überall war Gedränge, die laute Musik dröhnte in meinen Ohren und ich wünschte mir gerade nichts sehnlicher, als das Alex auftauchen würde. An der Bar bestellte ich mir ein Wasser, um nicht total verloren auszusehen, was ich wahrscheinlich dennoch tat. Denn ich suchte mit meinen Augen den ganzen Club ab in der Hoffnung Alex irgendwo übersehen zu haben.
Also wartete ich und wartete und wartete...War die Nachricht vielleicht doch ein Fake?
Gegen 1 Uhr verließ mich plötzlich meine gesamte Anspannung, denn ich sah wie ER hineinkam. Allerdings sah Alex gar nicht gut aus. Er war unrasiert und sein Shirt hatte ein paar Flecken. Ich glaube sogar, dass es Blut war. Dazu befanden sich unter seinen braunen Augen riesige Augenringe und beim genaueren hinsehen konnte ich sogar erkennen, dass seine Lippe aufgeplatzt war. Jemand hatte ihn geschlagen und sofort stieg Wut in mir auf.
Alex sah müde aus und ich glaube ihm fiel es sogar schwer überhaupt zu laufen, geschweige denn zu stehen. Und wieder fragte ich mich was nur passiert sein mag.Gerade wollte ich zu ihm rüber gehen, als ich einen Typen mit schwarzem Haar neben Alex bemerkte. Dieser sah etwas älter aus als er und trug ebenfalls ein Shirt, welches blutige Flecken hatte. Mein Freund hing an dessen Arm und wurde dann in eine Ecke gezogen. Hatte dieser Typ ihn etwa so zugerichtet?
Ich glaube weniger, denn dann wäre mein bester Freund nicht mehr so ruhig. Oder hatte er ihm etwas eingeflößt, sodass er sich deswegen nicht mehr wehren konnte? Doch mir fiel ebenfalls auf, dass die Handknöchel des Kerls nicht danach aussahen, als hätte er gerade jemanden verprügelt.Ich beobachtete die Beiden weiterhin. Sie saßen nun und ich mochte nicht wie dieser komische Typ Alex ansah. Außerdem hatte er seinen Arm nun um ihn gelegt, was mir überhaupt nicht gefiel. Es dauerte nicht lange da stand der Kerl wieder und forderte Alex anscheinend auf mit ihm zukommen. Mein Freund fuhr sich daraufhin mit seinen Händen durchs Gesicht und stand dann auch auf. Allerdings fiel es ihm etwas schwerer als gedacht und der mysteriöse Mann musste ihm aufhelfen.
Als sie den Club verließen folgte ich ihnen. Der komische Typ stützte Alex nun. So kamen sie allerdings nur sehr langsam voran. Schließlich erreichten wir ein Hotel, welches schon etwas heruntergekommen und sehr billig aussah. Wollte dieser Mann Alex etwa missbrauchen, wollte er seinen Zustand ausnutzen?
Ich überlegte nicht lange und verfolgte die Beiden weiter bis ins Innere. Merkwürdigerweise stieg nur Alex in den Fahrstuhl ein, aber nicht der andere Mann. Die Situation wurde mir immer suspekter.
Ich folgte dem Typen in einen Flur, der etwas weniger beleuchtet war und nahm meine Chance war. Mein Schritt beschleunigte sich, dann packte ich ihn mit voller Kraft und drückte ihn gegen die Wand. Meinen Ellbogen hatte ich an seine Kehle gepackt, sodass er sich nicht mehr bewegen konnte.
Jetzt, bei näherer Betrachtung sah ich die asiatischen Züge in seinem Gesicht, ich vermutete koreanische Wurzeln. Zugegeben er war sehr attraktiv. Freundliche braune Augen sahen mich an, doch ich verstand es nicht. Warum war er nicht wütend oder wehrte sich gegen mich?Tu ihm weh. Tu ihm verdammt nochmal weh. Du weißt ganz genau was er mit Alex machen wollte. Tu ihm weh. Die Stimme in meinem Kopf wiederholte sich ständig und war sehr eindringlich, aber ich konnte nicht, ich konnte dem Kerl nicht weh tun. Warum auch immer.
Logik traf ein und ich ließ von ihm ab. Ich trat einen Schritt zurück, um Distanz zu schaffen.
"Sorry, ich wollte nicht, aber..." Weiter kam ich nicht, denn ich wurde plötzlich unterbrochen.
"Warte, du bist Jamie. Richtig?" Fragte er, während er sich von meinem kleinen Überfall erholte.
"Woher weißt du wer ich bin?" Ich war erschrocken. Wer war dieser komische Typ?
"Die Nachricht. Das war ich." Plötzlich verschlug es mir die Sprache. Auf einmal wurde mir klar, dass F. vor mir stand, dennoch war ich so durcheinander. "Alex hat dir wahrscheinlich nie von mir erzählt. Ich bin Finn, wir waren früher Freunde und er hat ständig von dir geredet. Es ist schön endlich mal ein richtiges Bild von dir vor Augen zu haben."
"Ich verstehe immer noch nicht was das Ganze soll. Warum bin ich genau hier?"
"Es steht mir nicht zu dir das zu sagen, aber ich denke, dass du das auch selbst weißt, sonst währst du nicht sofort her gekommen. Hör zu, mir ist bewusst, dass du viele Fragen haben musst, aber ich denke Alex sollte dir selbst erzählen was los ist." Kann mir bitte mal jemand eine richtige Antwort geben. Das was ich erfahre ist alles nicht sehr hilfreich.
"Wie kann ich sicher sein, dass er mir etwas sagen wird, denn bisher hat das eher nicht so gut geklappt." In meiner Verzweiflung vertraute ich mich ihm einfach an.
"Du liebst ihn, nicht war?" Fragte er, aber ich merkte, dass sie nur von rhetorischer Natur war.
"Was? Wie? Woher weißt du das?" Gab ich entgeistert zurück.
"Ich bin nicht dämlich und blind schon gar nicht. Ich meine du bist einfach in ein Flugzeug gestiegen und wusstest nicht mal, ob du meiner Nachricht vertrauen konntest. Dazu hast du mich gerade so attackiert, als ob ich Alex sonst was angetan hätte. Man kann sehen, dass er dir sehr viel bedeutet.
Der Punkt ist, dass du ihm sagen solltest was du empfindest, dann wird sich alles klären.""Woher weiß ich, dass ich dir trauen kann?"
"Das kannst du nicht. Das musst du alleine entscheiden, aber du kannst mir glauben wenn ich dir sage, dass du jetzt zwei Möglichkeiten hast. Entweder du vertraust mir, gehst zu Alex und redest endlich mit ihm oder du gehst wieder und verletzt ihn nicht noch mehr. Weil noch mehr Schmerzen hat er nicht verdient."
"Ich würde Alex nie verletzten. Er ist das Beste was mir je passiert ist." Gab ich zu.
"Das solltest du ihm selbst sagen." Sprach er und gab mir dabei seine Schlüsselkarte. Ich nahm an, dass sie mich zu Alex Zimmer führen würde.
"Danke." Gab ich ihm zurück, während Finn zusichernd nickte und dann ging. So ließ er mich mit der Karte in der Hand allein in dem Flur stehen.
Es sollte nun so einfach sein. Ich sollte jetzt einfach zu dem Zimmer rennen und an seine Tür klopfen. Ich sollte einfach zu ihm gehen und ihm sagen, dass ich ihn liebe, aber stattdessen stand ich immer noch am gleichen Fleck. Uns trennten bestimmt nur noch wenige Meter, aber ich konnte mich nicht dazu bewegen den nächsten Schritt zu tun.Es sollte nun einfach und unkompliziert sein, aber das war es nicht.
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Finding Happiness (menxmen)
Roman d'amourAlex ist ein gebranntes Kind. Ziemlich klischeehaft, aber seine Kindheit war mehr als beschissen. Dazu gehörte ein dauerhaft betrunkenes Arsch als Vater und eine früh verstorbene Mutter. Der einzige Fixpunkt in seinem Leben ist sein bester Freund, J...