Nervös pulte ich an dem Etikett meiner Bierflasche. Ich saß noch nicht lange hier und dennoch kam es mir wie eine Ewigkeit vor.
Meine Hände waren schwitzig und mein Shirt hatte bestimmt schon Schweißflecke. Ständig sah ich zur Tür in der Hoffnung, dass Alex endlich kommen würde, damit ich aufhören konnte mich wie ein Teenager beim ersten Date aufzuführen.
Meine Gedanken kreisten dauerhaft um die Frage, wieso ich meinen besten Freund verloren hatte.
Jahrelang hatte ich es geschafft diesen Teil meines Lebens zu verdrängen. Ich hatte mich schon ewig lange nicht mehr gefragt was damals geschehen und ob es meine Schuld war. Doch jetzt kam alles wieder hoch.
Verdammt. Alles war so viel einfacher als Alex und mich noch tausend Kilometer getrennt haben.Kurze Zeit später...
Alex stand an der Bar und bestellte sich einen Drink. Danach kam er zu mir herüber und setzte sich zu mir.
Und ja, es war mehr als unangenehm. Zuerst herrschte ein komisches Schweigen und dann machten wir nur etwas Smalltalk. Wir redeten über die Stadt, Sport und sogar über das Wetter.
Mir wurde klar, dass man sich zwar vor Jahren sehr nahe stand, aber es jetzt nicht mehr tut. Obwohl genau der gleiche Alex vor mir saß mit dem ich früher durch dick und dünn gegangen bin, saß dennoch ein Fremder vor mir.
Ich wollte es gerne glauben, dass er immer noch der Typ war, dem ich früher blind vertrauen konnte, aber grade war ich mir da nicht so sicher.Wieder herrschte dieses unangenehme Schweigen.
"Alex, was soll das?" Fragte ich etwas harsch und brach die Stille zwischen uns.
"Was meinst du?" Entgegnete er mir. Ich denke er wusste genau was ich meinte und so sah ich ihn nur schief an.
"Du willst wissen was damals passiert ist, oder?" Ich nickt nur. Ich war überrascht. Er konnte mich immer noch wie ein offenes Buch lesen, allerdings konnte ich das von mir nicht mehr behaupten.
"Du bist abgehauen ohne ein Wort zu sagen. Du hast nicht mehr auf meine Nachrichten geantwortet und hast mich, aber auch alle anderen einfach so zurückgelassen." Warf ich ihm ohne jegliche Reue vor, weil es war immerhin die Wahrheit. Oder etwa nicht?
"Es stimmt. Ich war ein furchtbarer Freund und eine furchtbare Person. Ich hätte nicht einfach so gehen dürfen." Gab er zu, aber was genau meinte er damit?
"Ich bin verwirrt. Damals dachte ich wirklich, das wir wie Brüder waren und keine Geheimnisse voreinander hatten. Was war damals nur so schlimm, dass du mir nichts sagen konntest?" Gleich würde ich die Antwort bekommen auf die ich seit mehr als 8 Jahren gewartet habe. Ich würde endliche wissen ob es mein Fehler war.
"Mein Vater hat mich damals rausgeschmissen. Er hat etwas über mich herausgefunden und hat mich dann auf die Straße gesetzt. Er hat mir gedroht, sodass mir keine andere Wahl blieb als zu gehen." Er sah auf den Boden und schämte sich sichtlich darüber, dass er so feige war. So wie ich ihn noch kannte, biss er sich wahrscheinlich in den Hintern, weil er damals zu stur war um nach Hilfe zu fragen.
"Was war es? Ich meine was hat er heraus bekommen?" Meine Verwirrung fand kein Ende und ich versuchte das alles zu begreifen.
Alex sah auf und direkt in meine Augen. "Kenning..." Er stoppte kurz und atmete tief durch. "Kenning, ich bin schwul."
Das war der Grund?!? Vor Schreck ließ ich meine Flasche fallen. Zum Glück war sie leer und zum Glück hatte ich schnelle Reflexe, sodass sie nicht auf den Boden fiel. Ungläubig und mit einer hochgezogenen Augenbraue sah ich ihn an."Ich weiß. Es mag nicht so ein großes Ding sein, aber damals hatte ich riesige Angst." Fügte er hinzu.
"Angst vor was?" Ich verstand es immer noch nicht.
"Dass du nicht mehr mit mir befreundet sein möchtest, dass du mich hassen würdest. Ich war damals noch ein Teenager und habe es nicht besser gewusst."
"Ich könnte dich niemals hassen, du Idiot. Ich meine du hast ja nichts getan wofür ich dich hassen könnte. Wenn du meine Mom mit Absicht überfahren hättest oder sowas, dann hätte ich dich hassen können, aber nur weil du schwul bist?" Alleine, dass er das von mir dachte machte mich traurig und wütend zugleich. Dennoch konnte ich gut verstehen wie er auf solche Gedanken kam. Sein Dad hatte ihm mehr als Übel mitgespielt.
"Ich glaube ich hatte Angst wegen meinem Vater. Vielleicht auch weil ich mir selbst noch nicht eingestehen wollte, dass ich auf Männer stehe." Erklärte er mir.
"Ich kann es nachvollziehen und es tut mir leid was du durchstehen musstest, aber trotzdem..." Aber trotzdem hätte er mir vertrauen müssen.
"Es tut dir leid? Ich bin derjenige, der unsere Freundschaft zerstört hat." Merkte er mit einem leichten grinsen an.
"Aber warte... warte. All Nächte, die wir uns auf Partys geschlichen und mit Mädchen geflirtet haben. Hast du nur gespielt, dass es dir Spaß gemacht hat?" Wollte ich wissen.
"Es war nicht alles gespielt. Es war auch nicht alles furchtbar, sodass ich mir danach die Haut abreißen wollte, aber mit den Mädchen rummachen... naja... ich hab es halt getan. Ich weiß nicht. Ich hatte einfach nie das Verlangen nach Frauen generell. Es war halt wie es war. Ich wollte einfach nur dazu gehören. Ich hatte wirklich genug Probleme." Gab er wieder mal beschämt zu.
"Ich verstehe. Also war es nicht meine Schuld." Antwortete ich erleichtert.
"Hä. Wieso sollte es denn deine Schuld gewesen sein?" Fragte Alex ziemlich verwirrt.
"Naja. Ich dachte, dass du dich ausgeschlossen und vernachlässig fühltest, weil ich doch eine neue Freundin hatte." Versuchte ich mich zu erklären.
"Du dachtest wirklich, dass ich gegangen bin, weil du dich verliebt hattest?" Nun sah er so erstaunt aus wie ich vorhin.
"Du dachtest, dass ich dich hassen würde, weil du schwul bist." Erwiderte ich daraufhin.
"Touché." Antwortete er.
"Also sind wir gut?" Fragte ich ihn in der Hoffnung, dass wir mit unserer Freundschaft noch einmal von vorne beginnen könnten.
"Ja, wir sind gut." Sagte er mit einem großen Lächeln auf seinen Lippen.
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Finding Happiness (menxmen)
RomanceAlex ist ein gebranntes Kind. Ziemlich klischeehaft, aber seine Kindheit war mehr als beschissen. Dazu gehörte ein dauerhaft betrunkenes Arsch als Vater und eine früh verstorbene Mutter. Der einzige Fixpunkt in seinem Leben ist sein bester Freund, J...