8. Kapitel - ALEX

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10 Jahre zuvor

A: Hast du später Zeit?

F: Klar. Was ist denn los?

A: Erzähl ich dir dann. Gegen 16 Uhr im Café an der Ecke?

F: Okay, bis später.

A: Bis dann.

Ich saß bestimmt schon seit einer Stunde hier, weil ich es zuhause nicht mehr ausgehalten hatte. Ich war total in meinen Gedanken versunken als ich bemerkte, dass sich jemand zu mir setzte. Allerdings war es nicht irgendjemand, sondern Finn.

"Hey Alex."

"Hi, cool, dass du kommen konntest. Ich habe da ein Problem." Ich wusste nicht wieso ich so nervös war.

"Was gibt's?"

Ich atmete ein Mal tief durch und begann zu erzählen. Ich erzählte ihm von dem Ereignis gestern im Freibad, dass ich fast meinen besten Freund geküsst und einen großen Fehler gemacht hätte.
Finn war der Einzige, der wusste, dass ich schwul war und ist daher auch der Einzige mit dem ich darüber sprechen kann.
Wir haben uns vor circa einem Jahr zufällig kennengelernt. Damals war ich gerade 15 und alle in meiner Klasse haben angefangen auf Dates zu gehen. Die Zeit war mehr als scheiße, weil ich nur dazu gehören wollte. Ich ging auch wie alle anderen mit Mädchen aus, aber anstatt mich glücklich zu fühlen, fühlte ich einfach nichts. Mir wurde immer klarer, dass es nicht an den Mädchen lag, sondern an mir und ich wehrte mich vehement dagegen.
Ich wollte nicht schwul sein.
Ich wollte nicht auf Männer stehen. Irgendwann lernte ich es dann aber doch zu akzeptieren und schlich mich eines Abends heraus um zu einem Schwulenclub zu gehen. Ich weiß, dass es ziemlich dämlich war, nicht zuletzt weil ich erst 15 war. Wie so ein Creep stand ich dann auf der anderen Straßenseite und beobachtet die Männer, die hinein gingen oder heraus kamen. Ich kannte niemanden der homosexuell war und wusste nicht wie man schwul war. Wenn ich jetzt so drüber nachdenke war dieser Gedanke allein schon echt dämlich. Als ob man es lernen könnte schwul zu sein. Oh man.
Im Nachhinein ist es aber auch kein Wunder, da mein Dad, der Einzige war, der jemals mit mir in irgend einer Art und Weise darüber gesprochen hatte.

Als Mom noch lebte waren wir oft im naheliegenden Park am Wochenende picknickten. Damals hatte gerade der Sommer begonnen und das Wetter war wunderschön. Eigentlich war das eine sehr schöne Erinnerung an Mom, an uns als Familie.
Später liefen allerdings zwei Männer an uns vorbei, die Händchen hielten. Ich dachte mir damals nichts besonderes dabei und war eigentlich sehr neugierig. Als Dad die Beiden sah rastete er total aus. Er stand auf und grölte die Männer an. Er beschimpfte sie als Schwuchteln, als Abschaum und als absolut wiederwertig. Mom versuchte ihn zu beruhigen, aber er machte weiter. Als er sich dann doch wieder beruhigte, hatte ich angefangen zu weinen. So packte er mich am Arm, schüttelte mich und sagte mir immer noch sehr wütend und aufgebracht, dass echte Männer nicht heulen und dass "Tunten" verprügelt und eingesperrt gehörten.

Zurück zu Finn und mir. Ich lungerte also vor dem Club herum und beobachtete die Leute.
Finn, welcher damals schon 17 war hatte mich gesehen und kam zu mir rüber. Ich hätte Angst haben müssen, weil er immerhin ein völlig Fremder war, aber die hatte ich nicht.
Irgendwie sind wir dann Freunde geworden. Er zeigte mir die Szene und stellte mich all den Dingen vor, die ich an der LGBTQ-Community liebe. Ich konnte mit ihm über alles reden und mich ihm in diesen Dingen anvertrauen. Mehr als Freundschaft fühlten wir allerdings nie füreinander.

"Sorry, ich komm nicht mehr mit. Du erzählst mir seit Wochen, dass du Gefühle für Jamie hast und gestern hättet ihr euch beinahe geküsst. Inwiefern ist das jetzt genau schlecht?" Ich verstehe es selbst ja nicht mal wirklich. Ich hatte gehofft, dass wenigstens er mir helfen könnte das Chaos zu überblicken.

"Hörst du mir nicht zu? Jamie ist verdammt nochmal HETERO. Ich kann es ihm nicht sagen. Was wenn er mich hasst? Was wenn er nicht mehr mit mir befreundet sein will?"
Ich konnte Jamie nicht verlieren.

"Alex. Ich kenne Jamie zwar nicht, aber du sagst, dass er dein bester Freund ist und dass du ihm mehr vertraust als jeden anderen. Ich kann dir die Entscheidung zwar nicht abnehmen, aber ich denke, dass du es ihm sagen solltest. Er ist dein Freund, er wird dich nicht hassen." Er legte seine Hand behutsam auf meine, um mich zu beruhigen.

"Ich kann es ihm nicht sagen. Was ist wenn ich ihn auch noch verliere?" Ich kann das Risiko nicht eingehen. Ich würde nicht damit klar kommen, wenn er mich hassen würde.

Er nahm seine Hand von meiner und trank einen Schluck von seinem Kaffee.
"Du weißt, dass ich dir nur helfen möchte Alex und ich kann dir sagen, dass du die Gefühle nicht unterdrücken kannst. Du verdienst es glücklich zu sein."

"Danke Finn."

"Wofür?" Fragte er.

"Einfach für alles. Ich bin froh, dass ich mit dir reden kann. Ohne dich wäre ich schon wahnsinnig geworden."

Ein wenig später verabschiedete sich Finn. Ich blieb allerdings noch eine Weile dort sitzen und dachte nach.
Vor ein paar Wochen hatte ich angefangen Gefühle für meinen besten Freund zu entwickeln, der definitiv nicht schwul ist. Ihm zu erzählen was ich für ihn empfinde, geschweige denn ihm zu erzählen, dass ich auf Männer stehe ist keine Option. Ich kann und werde kein Risiko eingehen, denn unter keinen Umständen kann ich Jamie verlieren.

Es ist egal was ich fühle, was ich für IHN fühle.

Finding Happiness (menxmen) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt