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Namjoons P.O.V.

Mit hochgezogenen Schultern gegen den kalten Wind, laufe ich ziellos durch die Straßen Seouls. Ärgerlich kicke ich eine leere Getränkedose weg und denke über meinen heutigen Schlafplatz nach. Eins steht fest, ins Theater kann ich so schnell nicht mehr. Als die Bullen dort aufgekreuzt sind um alles nach Leuten wie mir abzusuchen, konnte ich mich grade noch aus dem Staub machen. Sie haben mich zwar gesehen und haben versucht mich einzuholen, aber ich konnte sie schnell abhängen. Mein kleines Lager haben sie bestimmt auch entdeckt und nun sind sie sicherlich besonders scharf. Dorthin zurück kann ich frühstens in ein paar Wochen, wenn sie das Theater aufgegeben haben. Bis dahin muss ich mir wohl oder übel vorübergehend eine andere Unterkunft suchen. Wenn Chen noch in der Stadt wäre, würde ich zu ihm gehen, aber das Arschloch musste mich ja allein lassen. Und seinen Ersatz, den großen, muskulösen Typen, kann ich abhaken. So wie der sich verhalten hat, würde er nicht mal seinen Bruder bei sich wohnen lassen. Scheiße. Der Typ! Er wollte heute meine Entscheidung wissen. Fast hätte ich das vergessen. Hoffendlich schaffe ich es noch pünktlich bis zum Treffpunkt. 'Gleicher Ort, gleiche Zeit' , meinte er vor drei Tagen. Verdammt, wie spät war es überhaupt an dem Tag? Als ob ich das noch wüsste. Es ist schon dunkel und nach einem Blick auf mein Handy, fluche ich und jogge los. 22:46 Uhr und der Treffpunkt liegt auf der anderen Seite der Stadt. Ich werde es nicht vor einer halben Stunde schaffen dort zu sein. Ein Taxi kann ich nicht bezahlen und ein Bus fährt dort nicht hin. Ich muss auf sein Verständnis hoffen. Allerdings wirkte er nicht wie der verständnisvolle Softi-Typ. Und ich weiß, wenn ich nicht hinkomme und er mich irgendwann findet wird er mir die Hölle heiß machen. Mit solchen Typen ist nicht zu spaßen. Die sind ganz schnell beleidigt, wenn man sie versetzt.

Nach guten 25 Minuten bin ich in der Straße angekommen und gehe zögernd auf die dunkle Ecke zu, an der ich ihn das erste mal getroffen habe. Außer Atem überdenke ich nochmal meine Entscheidung. Wenn ich mich wirklich auf ihn einlasse, kann das ganz schnell schief gehen. Allerdings wüsste ich nicht wo ich sonst das Zeug herbekomme, das mich schweben lässt. Mit dem ich eine kurze Zeit alles vergessen kann. Ich muss. Es geht nicht anders.
Ich lehne mich gegen die Hauswand und warte angespannt. Etwas regt sich im Schatten und kurz darauf steht er vor mir und blickt auf mich herab. "Du bist zu spät.", sagt er ruhig. Zu ruhig. Bevor ich Zeit habe zu reagieren, trifft seine geballte Faust mich mitten im Gesicht. Mit dem Kopf knalle ich gegen die Wand und mir wird schwarz vor Augen. Lang kann meine Ohnmacht allerdings nicht gewesen sein, denn als ich wieder zu mir komme, ist es immer noch dunkel und er steht immer noch vor mir und mustert mich spöttisch. Ich schlucke und sage nichts um nichts falsches zu sagen. "Und?", fragt er, "Wie hast du dich entschieden?" "Ja.", krächze ich. Er nickt. "Gut. Du kennst den Preis?" Nochmal "Ja." Ich ziehe mich an der Wand hoch, krame das Geld aus meiner Tasche und gebe es ihm. Er zählt und wirft mir dann ein kleines Päckchen, umwickelt von Zeitungspapier vor die Füße. Er wendet sich ab. Arroganter Arsch, denke ich und hebe es auf. Es ist erstaunlich leicht und mit neuem Mut in der Stimme frage ich misstrauisch: "Das soll die vereinbarte Menge sein?"
Unendlich langsam dreht er sich um und nach einem Blick in seine Augen verfluche ich mich selbst. Warum kann ich auch mein vorlautes Maul nicht halten? Ich weiche zurück, bis ich die raue Wand im Rücken spüre. In voller Größe steht er vor mir und diesmal trifft sein Schlag mich in den Bauch. Ich japse nach Luft, krümme mich vor Schmerz nach vorn und sinke auf die Knie. Ein Tritt in die Seite befördert mich endgültig zu Boden und bevor mich eine gnädige Ohnmacht empfängt höre ich noch wie durch einen dichten Nebel seine drohenden Worte: "Ich hoffe du hast verstanden, denn das nächste Mal wird ganz anders enden." Alles klar, denke ich, hab's verstanden. Dann wird alles schwarz.

Als ich ein zweites Mal zu Bewusstsein komme, liege ich in meinem eigenen Erbrochen und es dämmert bereits der Morgen. Ich wälze mich weg davon und versuche aufzustehen. Es klappt nicht. Zweiter Versuch. Erfolglos. Scheiße, was mach ich jetzt? Wenn ich noch länger hier liegen bleibe, riskiere ich, dass mich jemand sieht und die Polizei ruft. Mir fällt nur eins ein. Auch wenn es nicht die beste Lösung ist, ist es die einzige. Ich hole irgendwie mein Handy aus der Jackentasche und wähle Jins Nummer. Er geht sofort ran, obwohl es 05:00 Uhr morgens ist und fragt was los ist.
"Ähm, also kannst du mir einen Gefallen tun?", frage ich mit leiser Stimme.
"Natürlich! Was ist los, Namjoon?"
"Kannst du mich vielleicht abholen?"
"Ja, aber wieso? Und wohin soll ich dich bringen? Was ist überhaupt passiert?"
"Erklär ich dich später, ok?
Ich sage ihm die Adresse und er verspricht sofort loszufahren. Bis er da ist habe ich Zeit aufzustehen, mich von meinem Erbrochenem zu befreien und mir eine Geschichte auszudenken.
Heute ist aber auch echt nicht mein Tag!

Dieses Mal ein bisschen länger, ich hoffe es gefällt euch. :)

Another Day // Namjin ABGESCHLOSSENWo Geschichten leben. Entdecke jetzt