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Für @kattikatzi und @Emilylinajaynee

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"Opa?"
"M-mh?"
"Kannst du die Geschichte weitererzählen? Deine Geschichte?"
Opa schaut den kleinen Jungen nachdenklich an. Etwas an ihm verunsichert ihn immer wieder. Sind es die ungewöhnlich hellen, blaugrauen Augen? Seine hohe, klanglose Kinderstimme? Die sonnengelben Haare, dünn wie Spinnweben, die ihm wirr ins Gesicht hängen? Oder die perfekt ausformulierten, für sein Alter seltenen Gedanken des Kleinen?
"Opa?"
Er nickt und sein Gesichtsausdruck wird weich. "Natürlich."

Es passierte kurz bevor wir unseren Plan in Tat umsetzen konnten.

Namjoon sollte wieder zu mir ziehen. Das heißt zu uns. Hoseok und Jungkook waren ja auch noch da. Er versprach eine Lehre zu machen oder sich wenigstens eine Arbeit zu suchen. Dafür darf er in meinem Zimmer wohnen. Wir waren schon in einem Möbelhaus um nach einem Bett zu schauen. Ich dachte an ein Doppelbett, aber er hat sich ein schmales, blaues ausgesucht.

Wir spazierten durch die Stadt in Richtung eines Drogeriemarktes und ich kaufte uns Eis. Er hatte Vanille und Kaffee, ich Mango und Himbeere. Wir warteten an einer Ampel und ich erzählte ihm, dass Jimin ein guter Freund für mich geworden war und mir Hilfe gegeben hat, als ich es brauchte. Da wurden seine Augen plötzlich ganz groß und ich sah den Schreck in ihnen bevor er mich heftig beiseite schubste, dass ich mit einem kleinen Mädchen zusammen stieß und sie zu Boden riss. Aus dem Augenwinkel sah ich Menschen durcheinander rennen und kreischen, dann warf sich Namjoon auf mich und legte seine Arme schützend um meinen Kopf. Ich hörte einen lauten Knall gefolgt von Splittern und Krachen und einer Autosirene, die ewig in meinem Kopf nachhallte.
Ein Stück Blech fiel auf meinen Arm.

Ich lag unendlich lang dort, es fühlte sich an wie eine Ewigkeit. Als der Lärm verstummt war und man nur in der Ferne leise Sirenen hörte, sagte ich leise: „Namjoon, ich glaube du kannst jetzt von mir runtergehen, es ist vorbei.” Er machte keine Anstalten sich zu bewegen. „Namjoon, du bist schwer!”, keuchte ich etwas lauter. Nichts passierte. „Hör auf mit der scheiße, das ist nicht lustig! Geh runter!” Ich dachte er spielt ein Spiel mit mir und zog mich verärgert unter ihm hervor. Er rutschte zur Seite. Ich kniete mich neben ihn und drehte ihn auf den Rücken. Was ich sah, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Ich rutschte schnell nach hinten und presste mir die Hände vor die Augen. Doch ich sah nur rot. Blut. Wo kommt das ganze Blut her?! Hilfe! In meinen Ohren rauschte es und Schwindel erfasste mich. Langsam ließ ich meine Arme sinken und wagte einen zweiten Blick. Immer noch lag er reglos auf dem von Splittern und Trümmern übersäten Boden und und seine blicklosen Augen starrten ins Leere. Ich hatte Angst. So Angst. Etwas zupfte an meinem Ärmel. Ich fuhr herum. Es war das kleine Mädchen, das ich umgerissen hatte. Auch sie hatte eine Schramme im Gesicht. „Wo ist meine Mami?”, fragte sie mich mit weinerlicher Stimme. Ihr Blick glitt suchend durch die Gegend. Ich kniete mich vor sie und hielt ihr die Augen zu, damit sie den schrecklichen Anblick nicht ertragen muss. Dann drehte ich sie um und flüsterte ihr etwas Ohr. Sie lächelte mich schief an und lief davon. „Danke!”

Ich drehte mich wieder Namjoon zu. Der Liebe meines Lebens. Langsam kroch ich zu ihm und vergrub meine trockenen Finger in seiner Schulter. Eine Träne tropfte auf sein Gesicht. Ich schaute in den Himmel, bevor ich realisierte, dass es meine Träne war. Ich beugte mich zu ihm hinunter und drückte meine Lippen auf seine. Nur ganz kurz, dann zog ich mich wieder zurück. „Ich liebe dich doch, Namjoon. Warum musste das passieren?”
Ich könnte schwören, inmitten des Trümmerfeldes und der Windböe, die mir eine angegessene Eiswaffel ins Gesicht schlug, umspielte ein leises Lächeln seine staubigen Lippen.

Kurze Zeit später rüttelte mich jemand am Arm. Ich öffnete meine Augen und blickte einem Rettungssanitäter ins Gesicht. „Können Sie mich hören?” Blöde Frage, natürlich kann ich ihn hören, ich bin doch nicht taub. Ich blinzele. Er versucht mich von Namjoon zu lösen. Versucht meinen Kopf von Namjoons Brust zu heben und mich wegzuziehen. Ich klammere mich fester. „Sie müssen weg von dem Toten, Sie müssen untersucht werden. Kommen Sie.” Er hat “Toter” gesagt. Wen meint er wohl damit? Namjoon, hier ist jemand gestorben, ist das nicht schrecklich? Er löst mich von ihm und zieht mich weg. Nicht! Ich will nicht weg! Namjoon! Kein Wort verlässt meine Lippen. Man führte mich weg von der auf dem Boden liegenden, blutenden Gestalt. Ich sehe ein qualmendes Auto oder zumindest das, was davon übrig ist, um das ebenfalls mehrere Menschen in Neon-Westen laufen. Plötzlich wird mir unglaublich schlecht und ich beuge mich nach vorn und übergebe mich. Jemand hält mich fest, damit ich nicht umfalle und spricht Worte, die nicht bei mir ankommen. Sie verlieren sich in der staubigen Luft und verstecken sich irgendwo zwischen den Trümmern. Dann hänge ich nur noch schlaff in den Armen des Sanitäters. Er trägt mich zum Rettungswagen und ich werde auf eine Liege gelegt. Eine Frau sagt zu mir: „Da haben sie aber gleich mehrere Schutzengel gehabt, Sie Glückspilz. Hätte der Mann Sie nicht mit seinem Leben beschützt, wären sie vermutlich beide... nun ja ab ins Krankenhaus!” Och nö, da komme ich doch grade her, will ich sagen, doch im meinem Kopf rotiert nur das Wort “Glückspilz”.

Glückspilz?!

Noch ein Kapitel, dann ist die Geschichte endlich vorbei 😅 ich hoffe sie hat euch gefallen. Ich freue mich aber natürlich trotzdem immer über Kritik! Also falls ihr irgendwas habt, Schreibfehler/doofe Formulierungen/gute Formulierungen ;) / Dinge, die keinen Sinn ergeben... and so on... immer her damit :)

~A~

Another Day // Namjin ABGESCHLOSSENWo Geschichten leben. Entdecke jetzt